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THier entsteht Norddeutschlands erstes Haus aus dem 3D-Drucker

In Selsingen entsteht das erste Haus aus dem 3D-Drucker in Norddeutschland.

In Selsingen entsteht das erste Haus aus dem 3D-Drucker in Norddeutschland. Foto: Overschmidt

Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. Kann der Einsatz neuer Technologie wie 3D-Druck helfen? Im Stader Nachbarkreis entsteht ein Bürogebäude der Zukunft.

Von Monika Hahn Sonntag, 25.05.2025, 07:50 Uhr

Selsingen. Das Unternehmen Matthäi Schlüsselfertigbau plant die Verlegung seines Firmensitzes von Zeven nach Selsingen. Das Planungsbüro ist Teil der Matthäi-Gruppe, deren Selbstverständnis lautet „Perfekt gebaute Infrastruktur benötigt Expertise und Weitblick“, wie es Geschäftsführer Bernd Mergard betont. Nun entsteht neben Selsingens Rathaus ein Bürogebäude in modernster 3D-Technik.

Besondere Baugenehmigung für 3D-Haus notwendig

Vor rund 40 Pressevertretern und geladenen Gästen zeigt sich das Unternehmen stolz, diese moderne Technik einzusetzen. Um die Wände zu drucken, hat sich das Planungsbüro mehrere Partner zur Seite gestellt. Da es sich um ein neuartiges Bauverfahren handelt, musste bei der Landesregierung in Hannover eine sogenannte vorhabenbezogene Bauartgenehmigung erwirkt werden. Nachdem die Architekten von Schulenberg das Gebäude geplant hatten, geht es jetzt an die Umsetzung.

Deutschlands erstes 3D-gedrucktes Haus steht in NRW

Die Firma Peri 3D Constructions stellt den Drucker; das Ingenieurbüro Mense-Korte aus dem münsterländischen Beckum gilt als deutscher Pionier in Sachen 3D-Druck im Hausbau. Dort steht auch Deutschlands erstes, mit dem 3D-Drucker gedrucktes Haus, das das Unternehmen 2019 dort realisierte.

Bernd Mergard, Geschäftsführer von Matthäi Schlüsselfertigbau, zeigt das Modell des Gebäudes.

Bernd Mergard, Geschäftsführer von Matthäi Schlüsselfertigbau, zeigt das Modell des Gebäudes. Foto: Overschmidt

„Das aktuelle Projekt in Selsingen ist das 17., das wir umsetzen“, sagt Christian Mohr von Peri. Das fertige Haus soll einmal rund 22 Meter lang, sieben Meter hoch und 13 Meter breit sein. Weitere Partnerunternehmen des Projekts sind das Ingenieurbüro Schiessl - Gehlen - Sodeikat und die Firma Holcim, die das Baumaterial herstellt.

Die neue Technik ist schnell und schont Ressourcen

Christian Mohr erläutert die Bauweise: „Wir drucken dreilagig und verfüllen den Hohlraum.“ Genau wie beim herkömmlich gemauerten Objekt steht die Wand auch ohne Stahlbewehrung stabil. Boden und Geschossdecken werden in herkömmlicher Bauweise gefertigt. „Auf der Baustelle sind nur noch zwei Mitarbeitende nötig“, sagt Mohr.

So sehen die gedruckten Wände später aus.

So sehen die gedruckten Wände später aus. Foto: Hahn

Einer, um den Drucker per App zu steuern und der andere, um die Verbinder zu setzen oder die Lücken für Fensterstürze zu überbrücken. Die eingesetzten, schnelltrocknenden Baustoffe gelten als umweltverträglicher gegenüber herkömmlichen Materialien, und für die Fertigstellung benötigt man weniger Personal und viel weniger Zeit: „Ich hoffe sehr, dass es den Berufsstand attraktiver macht“, sagt Matthias Werzinger, von Peri. Der Personalmangel gilt als ein Grund für den stockenden Wohnungsbau hierzulande.

Waldemar Korte von dem Beckumer Ingenieurbüro kennt alle aktuell in Deutschland laufenden 3D-Hausbau-Projekte. „Unser Ziel ist, unter dem Bruttopreis von 3000 Euro pro Quadratmeter Grundstück beim dreigeschossigen Wohnungsbau zu landen.“

Die beteiligten Unternehmen setzen große Hoffnungen daran, dass das gelingt: Durch die verbreitete Anwendung wächst das Wissen im Umgang damit und durch den geringeren Personalbedarf kann schnell und günstig gebaut werden. „Seit Jahren setzen wir uns dafür ein, Wohnen für alle lebenswert und bezahlbar zu machen“, sagt Korte

Matthäi Schlüsselfertigbau hat sich entschieden, die Gestalt der Außenwände so zu belassen, wie sie aus dem Drucker kommen. Dieser surrt bei der Vorführung leise umher und presst das Betongemisch wie Leberwurststränge Schicht für Schicht aufeinander. Drei Mitarbeiter hat Matthäi zuvor bei der Firma Peri zur Schulung geschickt, die nun den Drucker an der Baustelle bedienen.

Um Erkenntnisse für zukünftige Bauvorhaben zu bekommen, wird das Selsinger Gebäude vergleichsweise langsam entstehen. Noch begleitet die Matthäi-Mitarbeiter ein Experte von Peri. „Ziel ist, dass wir nach Abschluss dieses Projekts die Anlage alleine fahren können“, sagt der Prokurist von Matthäi Schlüsselfertigbau, Henryk Busch.

Blick auf die Baustelle.

Blick auf die Baustelle. Foto: Overschmidt

In den kommenden Wochen werden Gruppen verschiedener Bildungsstätten die Baustelle besuchen. Angekündigt haben sich angehende Architekten und Bauingenieure der Buxtehuder Hochschule 21 und der Technischen Universität Braunschweig. Außerdem besuchen Schüler der BBS Zeven und die angehenden Technischen Zeichner aus Cadenberge das Bauvorhaben. Den Drucker hat Matthäi für dieses Vorhaben von Peri geliehen. Die Anlage „COBOD BOD2“, wie sie in Selsingen steht, würde mit einem Preis von rund einer Million Euro zu Buche schlagen.

Öffentlichkeit hat großes Interesse am 3D-Bau

Matthäi hat am Eingang der Baustelle eine Infobox eingerichtet.

Darin sind Musterdrucke und ein Modell des fertigen Verwaltungsgebäudes ausgestellt.

Als besonderes Highlight führt eine Treppe auf das Containerdach, von dem aus Besuchende einen Blick in die Baustelle werfen können. Insbesondere an den öffentlichen Schautagen wird ein Mitarbeiter Fragen der Gäste beantworten und der Drucker verlässlich in Betrieb sein.

Den 3D-Druck live verfolgen

Matthäi informiert alle Interessierten zu folgenden öffentlichen Schautagen über das Vorhaben und die Technik: Am 4. und 5. Juni, sowie am 9. und 10. Juli in der Zeit zwischen 10 und 14 Uhr wird der Drucker in Betrieb zu beobachten sein. Die Infobox ist während der Bauzeit ganztägig geöffnet.

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