THimmelpfortener Plattdüütsche wollen zurück auf die Bühne

Zu gern würden Erika Reinecke, Hinrich Hellwege und Erika Burek (rechts) die Shirts und Jacken des Plattdeutschen Heimatvereins wieder zu offiziellen Theater-Anlässen tragen. Sie suchen Unterstützer. Foto: Klempow
Denn man to: In Himmelpforten soll es mal wieder richtig Theater geben. Auf Platt - so wie seit fast 100 Jahren. Um neue Mitspieler wirbt ein Trio, das sich an glorreiche Zeiten erinnert. Aber das tut es nicht wehmütig, sondern fröhlich.
Himmelpforten. Hinrich Hellwege grinst verschmitzt. „Wir haben schon gelästert. Früher war ich der jugendliche Liebhaber, heute spiele ich am besten ,Dat Hörrohr‘.“ 1958 hat er angefangen, bei der Spieltruppe des Plattdeutschen Heimatvereins mitzumischen. Die Zeiten auf der Bühne und den Spaß mit der Truppe möchte er nicht missen.
Das geht Erika Reinecke und Erika Burek ebenso. Mit Leib und Seele haben sie Theater gespielt oder sich in die Organisation der Aufführungen gestürzt - und sie haben viel gelacht bei den Proben. Das würden sie am liebsten wieder tun.
Gruppe wirbt mit Flyer
Deshalb haben sie einen Flyer drucken lassen und in Himmelpforten verteilt. „Wir brauchen frischen Wind“ steht darauf - und die drei beziehen das nicht nur auf Menschen mit Spaß an Rollenspiel, Bühne und Plattdeutsch. Auch Helfer bei der Organisation werden dringend gebraucht, damit der Plattdeutsche Heimatverein nicht sang- und klanglos untergeht.
Zusammengerechnet ist das Trio wahrscheinlich ebenso lange dabei wie der Heimatverein alt ist, also um und bei 100 Jahre. Sie blicken zurück mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Sie könnten auch grummelig oder bedröppelt gucken, weil die glorreichen Zeiten, als der Heimatverein vor Hunderten Zuschauern auftrat, auf Eis liegen. Aber dafür haben all die Jahre einfach viel zu viel Spaß gemacht.
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Tradition: Theater am zweiten Weihnachtstag
Das war auch bei der bislang letzten Inszenierung so. „Villa Kamilla“ stand Ende 2018 auf dem Spielplan - und wie in den Jahren zuvor auch spielte der Verein auf großer Bühne in der Eulsete-Halle. Weil die Aufführungen mit dem Sportbetrieb abgestimmt werden müssen, passte es sogar ganz gut, dass eine immer am zweiten Weihnachtstag stattfand.
Weihnachten? Ist das nicht für Familien ein unglücklicher Termin? „Nein“, sagt Erika Burek, „es waren oft die schönsten Aufführungen, der Saal war voll.“ Das plattdeutsche Theater am Weihnachtstag war eine in Himmelpforten lieb gewonnene Tradition.
Erst seit 2011 spielen sie in der Eulsete-Halle. Bis dahin bot das traditionsreiche und abgerissene Gasthaus Kutschers Hotel die Bühne für die plattdeutsche Unterhaltung. Weiter zurück in der Geschichte ist verbrieft, dass der Verein erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Plattdeutscher Heimatverein umbenannt wurde. Bis dahin war es der Gesellenverein. Ob der nun 1928 oder schon zwei Jahre früher gegründet wurde, ist noch ungeklärt.

Die bislang letzte Aufführung des Plattdeutschen Heimatvereins in Himmelpforten: die Proben zu „Villa Kamilla“ Ende 2018 . Foto: Umland (Archiv)
Theater-Anfänge schon um 1920
Hervorgegangen ist er aus einer losen Theatergruppe. Die spielte 1920 das Stück „De Freewarver“. Eine Originalausgabe hat Erika Bureck noch aufgetrieben. „Een Bur’nstück in enen Uptoog von Friedrich Freudenthal“ steht auf dem uralten Einband. Ob es jemals wieder aufgeführt wird, ist fraglich - Freewarver (Heiratsvermittler) sind schließlich ganz und gar nicht mehr gefragt.
Im Gegensatz zum Plattdeutschen, findet das plattdüütsche Trio. „Die plattdeutsche Sprache ist cool“, haben sie groß auf ihren Flyer gedruckt. Platt schnacken ist aber keine Voraussetzung: „Es muss keiner sprechen können, ich bin auch durch meine Tochter dazugekommen“, sagt Erika Burek. „Wichtig ist das Interesse am Spielen. Es soll einfach Spaß machen“, sagt Erika Reinecke.
Bühnenerfahrung und Selbstbewusstsein
Das Theaterspielen, in eine Rolle zu schlüpfen, jemand ganz anderes zu sein, das mache den Reiz aus. „Und das ist auch für das Selbstbewusstsein gut“, sagt Erika Burek. Zusammen mit der Porta-Coeli-Schule widmeten sie sich auch ernsten Inhalten und brachten 2005 und 2009 „Zur Ewigkeit geboren“, eine Tragödie über die letzte öffentliche Hinrichtung in Himmelpforten, auf die Bühne.
Zusammen mit dem Boßelverein spielten sie jährlich auch in Bossel, Gastspiele gaben sie auch lange Jahre in Kirchwistedt im Landkreis Cuxhaven vor rappelvollem Saal. Gemeinsam unternahm die Platt-Truppe Touren nach Norwegen, schaffte Profi-Equipment wie Mikrofone und Beleuchtung an. Zu schade, käme das nicht wieder zum Einsatz.
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Neuer Anlauf nach Corona-Pause
Bei aller Liebe zur Bühne - der Plattdeutsche Heimatverein muss nun einen neuen Anlauf nehmen. Der endgültige Knick für die Gruppe kam mit der Corona-Pandemie. Eine Aufführung in Himmelpforten gab es seither nicht mehr. Wie es weitergehen kann - dafür sind sie ganz offen. Sie halten nicht an Traditionen fest, sind offen für Neues und Neue.
„Das kann’s ja nicht gewesen sein, nach fast 100 Jahren“, sagen die drei vom Heimatverein. Nicht nach fast 100 Jahren plattdeutschem Theater in Himmelpforten und nicht nach so viel Gelächter vor, auf und hinter der Bühne.
Wer sie unterstützen will, im Vorstand, bei der Organisation, dem Kulissenbau oder auf der Bühne, sollte sich telefonisch melden: Hinrich Hellwege (0171/1285970), Erika Reinecke (0151/56117245) oder Erika Burek (0160/94759739).