THochgiftig: 500 Gramm Eibentriebe sollen ein Pferd töten können

Die Eibe ist eine begehrte Giftmischerin. Foto: Reinhard Paulin
Ihre immergrünen Blätter ähneln Nadelbäumen, doch die Eibe ist nur weit entfernt mit Tanne und Fichte verwandt. Es gibt sie seit 150 Millionen Jahren, sie traf Saurier und erste Vögel.
Landkreis. Eiben haben keine Zapfen. Ihr Holz sondert kein Harz ab. Absonderlich auch, dass sie getrenntgeschlechtlich sind. Es gibt Eiben mit männlichen Blüten und Bäume mit ausschließlich weiblichen Blüten. Eiben können gut im Schatten und in den dunkelsten Regionen des Waldes wachsen.
Sie werden sehr alt, Methusalems unter ihnen angeblich mehr als 1000 Jahre. Doch bei Altersschätzungen ist Vorsicht geboten, denn ihr knorriges, verwunschenes Aussehen trügt: Die vielen Verzweigungen am Grund täuschen oft ein hohes Alter vor und lassen eine genaue Zählung der Jahresringe oft nicht zu. Auch werden ältere Eiben hohl, was die Altersangaben zusätzlich erschwert.
Geologisch lassen sich Eiben bis in Urwelten verfolgen. Es gibt sie schon seit 150 Millionen Jahren. Saurier, Ammoniten und die ersten Vögel lebten mit ihnen. Die Hebung der Alpen begann zu dieser Zeit. Damit sind Eiben erdgeschichtlich die ältesten Bäume in Europa.
Das harte Holz wurde in Bergwerken eingesetzt
Ihr besonders hartes, biegsames und mitunter krumm wachsendes Holz machte sie seit jeher zu einem begehrten Baum. In Stollen von Bergwerken wurde das harte Eibenholz gern als Stützholz genutzt. Drohte ein Stollen einzubrechen, dann knarrte ihr Holz, es verbog sich langsam, und die Knappen konnten vor dem Sturz fliehen. Krumme Hölzer wurden auch beim Schiffbau gesucht.
In bauchig ausladenden und tief liegenden Transportschiffen wurde vielfach Eiben-Krummholz verbaut. Besonders englische Schiffsbauer bezogen gern Eibenholz aus Deutschland. Die Folge schon zu dieser Zeit: Eibenholz wurde immer seltener, Eibenwälder gediehen nur spärlich. Heute wachsen Eiben in Niedersachsen nur verstreut, doch in Gärten sind sie wieder häufiger.
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Nun zur spannenden Giftmischerei: Die knallroten Früchte der Eibe sind nicht giftig und werden von Vögeln gern gefressen. Nach dem Durchlauf der Samen durch den Vogeldarm keimen die Samen hervorragend. Doch Eibenblätter und sogar Eibenholz sind hoch giftig. Besonders hoch konzentriert ist das Gift in den Blättern in Herbst und Winter. Pferde sind besonders anfällig. 500 Gramm Eibentriebe sollen ein Pferd töten - und das angeblich schon nach wenigen Minuten.
Nicht die Früchte sind giftig, sondern die Triebe
Eiben mischen verschiedene Gifte vortrefflich, darunter Ephedrin, Blausäure und verschiedene Taxine. Gegen die Taxine ist kein Kraut gewachsen. Die Moleküle blockieren an den Ausläufern der Nervenzellen deren Kanäle. Dadurch verhindern die Taxine den lebenswichtigen Austausch der Natrium- und Kalziumionen. Die Folge: Lähmungen, Herzstillstand, Tod. Taxin-Verbindungen verursachen auch den Zelltod. Deshalb sind Leberschäden oft eine Spätfolge der Eibenvergiftung. Schnell wirkende Gegengifte gibt es nicht.
Die Serie und das Buch
Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.