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TIllegale Rennen nehmen zu: Nordenham wird zum Raser-Hotspot

Raser sind in Nordenham ein zunehmendes Problem. Die bevorzugte Strecke, auf der sie sich Rennen liefern, ist die Martin-Pauls-Straße.

Raser sind in Nordenham ein zunehmendes Problem. Die bevorzugte Strecke, auf der sie sich Rennen liefern, ist die Martin-Pauls-Straße. Foto: Frank Rumpenhorst

Springt die Ampel auf Grün, gibt es kein Halten mehr: In Nordenham kommt es immer häufiger zu illegalen Autorennen. Die Polizei hat nicht nur die Raser, sondern auch die Autoposer-Szene im Visier.

Von Detlef Glückselig Mittwoch, 13.08.2025, 07:00 Uhr

Nordenham. Das Handy-Video, das eine Beifahrerin durch die Windschutzscheibe gefilmt und der Polizei zugespielt hat, ist so beeindruckend wie erschreckend. Die Frau steht in der Mittagszeit auf der Martin-Pauls-Straße vor einer roten Ampel. Vor ihr wartet auch ein gelber Sportwagen auf Grün. Als die Ampel umspringt, ist der Sportwagen binnen Sekunden nur noch als gelber Punkt am Horizont zu erkennen.

Die Polizei wird später aus der Länge des Videos und der zurückgelegten Fahrstrecke errechnen, dass der Sportwagenfahrer auf 160 Stundenkilometer beschleunigt hat. Erlaubt ist in diesem Bereich Tempo 50. Solche Verstöße sind alles andere als eine Seltenheit. Vor allem die Martin-Pauls-Straße wird immer wieder zur Rennstrecke - und immer häufiger.

Zahl der illegalen Autorennen steigt in Nordenham rapide an

Traurige Berühmtheit erlangte ein Fall, der sich Anfang 2016 in Berlin abspielte. Auf dem dortigen Kurfürstendamm lieferten sich zwei Raser ein illegales Autorennen. Sie verursachten mit Tempo 160 einen Unfall, bei dem ein Mann zu Tode kam. Die beiden Raser wurden später wegen Mordes verurteilt.

Zu einem solch dramatischen Ereignis ist es in Nordenham noch nicht gekommen. Es könnte aber dazu kommen. Denn: In der Stadt nehmen illegale Autorennen immer mehr zu. Das sagen eine Polizeibeamtin und ihr Kollege, die auf diese Szene spezialisiert sind, ihre Namen aber nicht in der Zeitung veröffentlicht wissen möchten. Nach Auskunft der Beamtin hat die Polizei im ersten Halbjahr 2025 schon mehr Verstöße von Rasern, die ein Rennen ausfuhren, registriert als im gesamten zurückliegenden Jahr. „Wenn das so weitergeht, könnte sich die Zahl bis zum Jahresende gegenüber dem Vorjahr verdreifachen“, stöhnt die Beamtin.

Vierspurige Martin-Pauls-Straße ist der Hotspot der Raser

Die vierspurige, kurvenreiche Martin-Pauls-Straße ist der Hotspot für illegale Rennen. Die Raser verabreden sich entweder vorab oder aber ganz spontan per Handzeichen, wenn sie vor einer roten Ampel nebeneinander stehen und in dem Nebenmann einen Gleichgesinnten ausmachen. Springt die Ampel auf Grün, zählt nur noch Bleifuß. Zu den illegalen Rennen kommt es laut Polizei schwerpunktmäßig in den späten Abendstunden, immer wieder aber auch am helllichten Tag, wenn noch viele andere Verkehrsteilnehmer unterwegs sind. „Verhältnismäßig häufig“, so die Polizei, sind die Raser in Sportwagen unterwegs, die sie übers Wochenende oder für einige Tage geliehen haben.

Von einer Raser-Szene mag die Polizei in Nordenham nicht sprechen. Es handele sich eher um einzelne Fahrer, die sich in der Stadt Rennen liefern. Doch die nehmen zu, wie die Zahlen belegen. Erst vor wenigen Wochen hatte es wieder ein illegales Rennen auf der Martin-Pauls-Straße gegeben. Der Polizei gelang es, die Fahrer dingfest zu machen und gerichtsverwertbares Beweismaterial vorzubringen.

Ein Rennen alleine kann die Fahrer schon teuer zu stehen kommen. In aller Regel ist der Führerschein weg. Zudem könne die Staatsanwaltschaft eine Beschlagnahmung des Autos anordnen, so die Polizei. Darüber hinaus wird eine Geldstrafe von bis zu mehreren Tausend Euro fällig oder aber eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Kommt jemand durch ein illegales Rennen zu Tode, droht den Fahrer eine Anklage wegen Mordes.

Vollgas von Ampel zu Ampel: Autoposer wollen vor allem auffallen

Im Visier hat die Polizei nicht nur Raser, sondern auch die Autoposer, die in unschöner Regelmäßigkeit dafür sorgen, dass in der Innenstadt Motoren aufheulen und Reifen quietschen: Die Fahrer definieren sich laut Polizei alleine durch ihre aufgemotzten, hochmotorisierten Autos. Ihr Ziel ist es, aufzufallen. Und manche Fahrer wollen auch bewusst einfach stören. Dafür beschleunigen sie von Ampel zu Ampel maximal und verursachen durch das abrupte Wegnehmen von Gas oder mittels einer entsprechenden Funktion ihrer Autos künstliche Fehlzündungen.

Auch die Auto-Tuner-Szene hat die Nordenhamer Polizei im Revier (Symbolbild).

Auch die Auto-Tuner-Szene hat die Nordenhamer Polizei im Revier (Symbolbild). Foto: picture alliance / dpa

Das bevorzugte Revier der Poser ist der Ring um die Innenstadt, gebildet aus Bahnhofstraße, Deichgräfenstraße und Walther-Rathenau-Straße, erweiterbar um die Friedrich-Ebert-Straße. Die Fahrer sind entweder einzeln unterwegs oder sie treffen sich - zum Beispiel auf den Parkplätzen der Supermärkte oder dem Parkplatz am Fähranleger in Blexen. Die Grenze zwischen Poser und Raser sei fließend, heißt es von der Polizei.

Im Gegensatz zu den Rasern gibt es bei den Posern in Nordenham eine mehr oder weniger organisierte Szene. Der harte Kern umfasse rund 30 Fahrer, sagt die Polizei, die dieser Szene im normalen Streifendienst und, wenn es die Personaldecke zulässt, auch bei Sondereinsätzen regelmäßig aufs Blech rückt.

Künstliche Fehlzündungen erschrecken andere Verkehrsteilnehmer

Wer mit seinem Auto mehr Lärm verursacht als notwendig, verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung. Bei einem ersten solchen Verstoß werden 80 Euro fällig. Lässt sich Vorsatz nachweisen, was meistens der Fall ist, verdoppelt sich die Summe auf 160 Euro. Wiederholungstäter werden der Führerscheinstelle gemeldet, die dem Fahrer die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs absprechen kann. Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer stellen die Poser laut Polizei nicht zuletzt durch ihre Fehlzündungen dar: Beispielsweise können sich Radfahrer durch den unvermittelten Knall erschrecken, den Lenker verreißen und stürzen.

Eine dritte Gruppe, die die Polizei beobachtet, sind die Auto-Tuner: Leute, denen es vor allem darum geht, ihr Auto möglichst individuell zu gestalten - nicht immer durch Umbauten, zu denen auch der TÜV sein Okay gegeben hat. Das Gefahrenpotenzial ist nicht so groß wie bei den Posern und Rasern. Aber die Polizei hat auch hier schon Haarsträubendes gesehen: zum Beispiel ein Auto, das so tief gelegt war, dass der Radkasten während der Fahrt über den Reifen scheuerte - und ihn aufzuschlitzen drohte.

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