TIm Selbstversuch: Fit genug für den Polizeidienst?

Arnd Hartmann testet seine Fitness beim Wildcard-Sporttest für das Auswahlverfahren zur Einstellung der Polizeien im Land Bremen. Foto: Brocks
Wer Polizist werden möchte, muss auch einen Sporttest bestehen. Doch wie schwer ist dieser? Arnd Hartmann hat es ausprobiert. Ist er fit genug für den Polizeidienst?
Bremerhaven. Bumm, bumm, bumm: Ich spüre mein Herzklopfen bis in die Fingerspitzen. Ich liege rücklings auf einer blauen Turnmatte, atme tief ein und aus. Auf mir liegt eine 80 Kilogramm schwere, mit Sand gefüllte Puppe, die ich zuvor in Windeseile quer durch die Sporthalle des Kreisgymnasiums Wesermünde geschleift habe. Und zwar unter den prüfenden Blicken von mehr als 100 Personen. Sie alle sehen, wie ich nach Frischluft ringe.
Die Polizei Bremen und Bremerhaven haben zum Sporttest eingeladen. Ich bin mittendrin, habe die Kameratasche gegen die Sporttasche getauscht. Möchte wissen, wie schwer dieser Test wirklich ist.
Die Hälfte der Teilnehmer ist weiblich
Das Interesse am späteren Polizeidienst ist an diesem Tag groß: Knapp 40 Mitstreiter nutzen die Chance, den Sporttest schon vor dem eigentlichen Bewerbungsverfahren auszuprobieren - davon sind die Hälfte junge Frauen.

Polizeihauptkommissar Kai Steffens (links) begrüßt die rund 40 Teilnehmer zum Start der sportlichen Herausforderungen in der Turnhalle. Foto: Brocks
Wer besteht, bekommt eine „Wildcard“, muss beim Einstellungstest 2024 die Sportprüfung nicht mehr wiederholen. Die Bewerberinnen und Bewerber können sich dann voll und ganz auf den Wissenstest und das Einstellungs-Interview konzentrieren, beides ebenfalls Voraussetzung für ein Polizeistudium im Land Bremen. Und wer beim „Wildcard“-Versuch scheitert, weiß zumindest schon, was ihn beim nächsten Mal erwartet.
Polizeiausbilder leiten Teststationen
Mit meinen 35 Jahren zähle ich an diesem Tag zu den ältesten Teilnehmern. Neben mir hat Joschka aus Dorum auf der hölzernen Bank Platz genommen. Wir warten auf den Startschuss. Der Schüler des Kreisgymnasiums Wesermünde ist gerade mal halb so alt und locker einen Kopf größer als ich und spielt in seiner Freizeit Volleyball, verrät er mir beim Schnack. Er ist aufgeregt, ich bin es auch.
Fünf Prüfungen gilt es für die „Wildcard“ zu absolvieren, sie heißen: „Ruhiger Arm“, „Sicherer Halt“, „Hoch Hinaus“, „Retter in der Not“ und „Langer Lauf“.
Handhabung der Dienstausrüstung ist wichtig
Ich gehöre zur Prüfungsgruppe, die von Sven Folkerts geleitet wird. Der Mittdreißiger ist Ausbilder bei der Polizei Bremen. Er blickt mit seinen blauen Augen strahlend in die Runde und führt entspannt die erste Übung für alle Teilnehmer einmal vor.
In seiner rechten Hand hält er eine rote Trainingswaffe. Unsere Aufgabe besteht darin, die Imitation einer echten Dienstwaffe korrekt zu handhaben: in die Hand nehmen, den Lauf zurückziehen, einen Hebel umlegen und abdrücken. „Das richtige Bedienen der Ausrüstung von Polizisten gehört zum Alltag“, sagt Sven Folkerts. Jeder ist einmal an der Reihe und zeigt sein Geschick. Erstaunlich, wie gut und selbstsicher die meisten mit der Waffenattrappe umgehen.
Sportliche Stationen werden anspruchsvoller
Der zweite Test ist anspruchsvoller, was die körperliche Kondition betrifft. Mittels Dynamometers wird die Kraft der Hände gemessen. Denn künftige Polizeibeamte müssen auch mal zupacken können.
Das grau-metallische Gerät sieht fast so aus wie ein Telefonhörer aus den 70er-Jahren. Fünfmal rechts und fünfmal links muss ich am Messinstrument mit voller Kraft zudrücken. Sven Folkerts schaut nach jedem Druckversuch auf eine kleine digitale Skala, die an dem Gerät angebracht ist. „45“, ruft er. Kurze Pause, dann „42“. Ich wiederhole die Übung wie vorgeschrieben. Im Durchschnitt liegt mein Handpressdruck laut Messung bei 43,3 Kilogramm, 29 Kilo sind für alle Teilnehmer Mindestanforderung. Passt! Zweiter Test bestanden.
„Bisher alles machbar“, sagt Kilian, der gebürtig aus Bremen kommt. „Ich lebe derzeit in Hamburg und arbeite im polizeilichen Objektschutz“. Das Ziel des 29-Jährigen: Die fünf Fitnessherausforderungen bestehen, um sich mit einem Polizeistudium im kommenden Jahr weiterzuentwickeln.

30 Hallenrunden müssen die Teilnehmer in zwölf Minuten absolvieren. Foto: Brocks
Erreichtes Ziel wird exakt vermessen
„Weiter geht‘s“, ruft Ausbilder Folkerts, Station Nummer drei wartet. Die trägt den schwungvollen Namen „Hoch hinaus“. Dabei kommt es auf die Sprungkraft in den Beinen an. Gemessen wird die Differenz zwischen „Reichhöhe“ und „Sprunghöhe“. Ich benetzte meine Fingerkuppen mit schwarzer Tinte, strecke den Arm aus und markiere so auf einem an der Wand befestigten Plakat, bis wohin mein ausgestreckter Arm reicht.
Bei einem ordentlichen Sprung nach oben klatsche ich mit der Handinnenfläche wieder an das Plakat. Per Zollstock messen die Prüfer anschließend den Abstand zwischen beiden Fingerabdrücken. Geschafft, mindestens 43 Zentimeter habe ich höhentechnisch erreicht.
Ich nehme einen großen Schluck aus der Wasserflasche und nutze die Gelegenheit, während die anderen noch geprüft werden, für eine Atempause. Anschließend wärmen wir uns alle noch einmal für die letzten beiden Sportübungen auf.
Die Sandpuppe hat es in sich
Die vierte Übung soll zeigen, wie gut wir körperlich anstrengende Situationen im Polizeialltag meistern könnten. Simuliert wird eine Personenrettung: Wir müssen einen Verletzten aus einer Gefahrenzone in Sicherheit bringen.

Die 80 Kilogramm schwere Sandpuppe musste in 45 Sekunden quer durch die Sporthalle gezogen und auf eine blaue Matte transportiert werden. Foto: Brocks
Bevor ich das „Opfer“ - zum Glück nur ein „Dummy“ - erreiche, muss ich erst einmal ein etwa ein Meter hohes Hindernis überwinden. Anschließend muss ich die 80 Kilogramm schwere Sandpuppe so schnell es geht quer durch die Turnhalle schleppen und - als wäre das nicht schon anstrengend genug - auf eine dicke Sportmatte heben. Ich greife der Puppe unter die Arme und versuche, sie rückwärts laufend zu ziehen. Die Zeit wird erst dann gestoppt, wenn der Dummy vollständig auf der Matte liegt. Puh, ganz schön anstrengend, denke ich, als ich auf der Matte liegend nach Luft schnappe.
Ich brauche nur 25 Sekunden
Konnte ich die Zeitvorgabe von 45 Sekunden einhalten? Aber so was von: 25 Sekunden. Ich freue mich über den Applaus, den mir die anderen Teilnehmer und die Zuschauer spenden. Das motiviert ungemein.
Doch so viel Glück haben nicht alle. Gerade zierlicheren Personen fällt es schwer, den 80-Kilogramm-Sandsack innerhalb der vorgegebenen Zeit von A nach B zu bewegen. Bei jedem anderen Teilnehmer fiebert man automatisch mit, freut sich über dessen Erfolg - und leidet gleichwohl, wenn auf halber Strecke nichts mehr geht und die Kraft aufgebraucht ist. So wie bei Kim: „Ich wusste schon als kleines Kind, dass ich zur Polizei möchte“, verrät sie mir, nachdem sie Luft geschnappt hat. Der Frust, diese und auch eine andere Übung nicht bestanden zu haben, ist entsprechend groß. „Ich werde es aber im kommenden Jahr auf jeden Fall noch einmal versuchen. Ich möchte unbedingt Polizistin werden.“
Eine gute Nachricht haben die Prüfer für all jene, die bei einer Übung scheitern: Jeder kann trotzdem bis zum Ende mitmachen. So bleibt die faire Chance, alle Tests einmal zu machen. Ein gutes Training, denke ich mir.
Lauftest bereits geübt
Mittlerweile sind knapp zweieinhalb Stunden vergangen. Ein Kaffee wäre jetzt nicht verkehrt. Nichts da, denke ich mir. Ich gebe noch einmal alles. Bei der letzten Prüfung muss ich innerhalb von zwölf Minuten etwas mehr als zwei Kilometer erlaufen. Das entspricht insgesamt 30 Runden in der Halle.
Ich habe Respekt vor dieser Herausforderung. Ein paar Tage zuvor bin ich eine ähnlich lange Strecke am Lunedeich gejoggt. Das habe ich mit meiner Fitnessuhr aufgezeichnet. Es war eine knappe Kiste. Auch für mich, obwohl ich regelmäßig Sport treibe. Krafttraining, Schwimmen, Yoga, Laufen - habe ich alles im Programm. Aber bei schnellen Dauerläufen habe ich Probleme mit den Kniescheiben. Das ist meine Achillesferse. Mal sehen, ob die Knie halten.
Letzte Herausforderung ist die schwerste
„Drei, zwei, eins und los“, sagt Ausbilder Sven Folkerts und drückt auf seine Stoppuhr. Ich konzentriere mich besonders auf meine Atmung: Nase ein, Mund aus. Der Blick ist gerade nach vorn gerichtet. Ich schaffe es leider nicht, die einzelnen Runden in Gedanken zu addieren. Der Fokus liegt auf der Strecke. Per Zuruf geben die Prüfer die abgelaufene Zeit immer wieder bekannt. „Acht Minuten sind um“, schallt es zu mir. Ich setze zum Sprint an, versuche, ein paar Meter gutzumachen - und Schluss. Puh, durchgehalten.
Am Ende ist es sehr knapp
Ich schnappe nach Luft, die Füße vibrieren. Kurz darauf bewerten die Ausbilder die Leistungen. Habe ich es geschafft? Minuten vergehen, die Anspannung steigt. „Herr Hartmann, es war so knapp. Eine Runde hat ihnen gefehlt“, sagt Polizeihauptkommissar Kai Steffens nach der Auswertung. Schade, wirklich knapp, denke ich. Aber die Glücksgefühle überwiegen. So nah an der „Wildcard“ zu sein, ist eine großartige sportliche Erfahrung, auch wenn knapp 100 Meter fehlen.

Für die „Wildcard“ fehlen beim letzten Test, dem Distanzlauf, knapp 100 Meter zum Erfolg. Foto: Lorenz
Polizeialltag verdient Respekt
Dass Fitness und körperliche Kondition einen hohen Stellenwert im Polizeialltag einnehmen, können an diesem Tag vermutlich alle Sportler nachvollziehen. Insgesamt sichern sich 16 Teilnehmer die „Wildcard“ und sind ihrem Traumberuf ein kleines Stück näher gekommen.
„Wir konnten bei den Teilnehmenden eine Begeisterung für den Sporttest wahrnehmen, die nach anfänglicher Zurückhaltung schnell in einen spürbaren Teamspirit umgeschlagen ist“, sagt Martin Goldstein vom Amt für Einstellung sowie Aus- und Fortbildung der Ortspolizeibehörde Bremerhaven.
Am Ende bin ich froh, dass ich gut durchgehalten habe. Nach dieser Erfahrung weiß ich jetzt, wie fit man für die Polizeiarbeit sein muss. Mein Respekt gilt all denen, die es geschafft haben.