TImpfzentrum-Planer Thomas D. Boner: „Es ging tatsächlich darum, die Welt zu retten“
Thomas D. Boner ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, hier studierte er Pharmazie. Foto: Guido Ehsen
Vor drei Jahren lag Hamburgs Zentrum für acht Monate in den Messehallen. Genauer lag dort das Hamburger Corona-Impfzentrum. Hamburger Pharma-Unternehmer Thomas D. Boner berichtet von der „surrealen“ Zeit.
Hamburg. TAGEBLATT: Herr Boner, Sie beschreiben Ihre Gefühle am letzten Tag des Impfzentrums am 31. August 2021 als eine Mischung aus Erleichterung, Stolz und Unwirklichkeit. Wie sieht es heute aus?
Thomas D. Boner: Die ganze Corona-Zeit fühlt sich surreal an. Ich komme zum Beispiel mit den Zeiträumen inzwischen durcheinander, und das geht nicht nur mir so. Stolz bin ich heute noch darauf, dass damals Leute zusammengekommen sind, die unter anderen Umständen wohl nie zusammengekommen wären, und sehr schnell gelernt haben, wie Zahnrädchen ineinander zu wirken und miteinander zu funktionieren. Das hat mich tief beeindruckt.
So sehr, dass Sie es in einem Buch zusammengefasst haben.
Diese Idee wurde tatsächlich an dem Tag geboren. Wir hatten eine kleine Abschiedsfeier bei OMR, den Online Marketing Rockstars, die die komplette Betreuung der Impflinge übernommen hatten. Da erfuhr ich, dass in den letzten Tagen des Impfzentrums das Museum für Hamburgische Geschichte mehrfach dort war, um sich irgendwelche Artefakte zu sichern.
Das Impfzentrum war da also schon ein Stück Zeitgeschichte?
Genau. In 300 Jahren wird es in dem Museum in einer Ecke um die Pandemie gehen, und die Leute werden staunen, dass früher noch mit Spritzen gearbeitet wurde, das waren so in etwa meine Gedanken. Da habe ich ein Gefühl für die Dimension des Ganzen bekommen und beschlossen: Das sollte man aufschreiben, sonst bleiben am Ende nur schemenhafte Bilder.
Die Form des Buches ist recht ungewöhnlich.
Es ist in Form von Interviews entstanden, um die Vielfältigkeit der Akteure abzubilden, die im und rund um das Impfzentrum eine bestimmte Rolle eingenommen haben. Das wurde dann in eine chronologische Reihenfolge gebracht und mit ganz vielen Bildern veranschaulicht. Neben der Performance, die das Impfzentrum für die Menschen dieser Stadt erbracht hat, geht es in dem Buch um den besonderen Zusammenhalt, den Spirit dieser Zeit. Es ging, so heißt es an einer Stelle, tatsächlich darum, die Welt zu retten. Das war ein unglaubliches Gefühl.
Wie wurden Sie Teil dieser Geschichte?
Zu unserem Gesundheitskonzern mit Verwaltungssitz in Hamburg gehören Arztpraxen, Krankenhäuser und Fabriken, in denen wir individuelle Chemotherapien herstellen. Das geschieht in einer sterilen Umgebung. Das Knowhow bei der Herstellung und dem Vertrieb in großen Mengen war für eine Einrichtung wie das Impfzentrum natürlich optimal. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hatte von der Stadt den Auftrag bekommen, das Impfzentrum aufzubauen und daraufhin einen unserer Geschäftsführer angesprochen. So kam das Thema zu mir.
Und dann?
Ich habe der KV mitgeteilt, dass ich auf meinen Geschäftsführer leider nicht verzichten kann, aber dass ich es machen könnte. Im Ernst: Als Leiter eines Unternehmens sind sie weniger in operative Dinge eingebunden, und die Corona-Pandemie war für Firmen generell eher eine Zeit der Konsolidierung als des Wachstums.
Wie kam die Idee bei den Mitarbeitern an?
Die waren begeistert und haben sich neben ihrer eigentlichen Arbeit unglaublich engagiert eingebracht. So wurden wir quasi zur Keimzelle des Impfzentrums. Wir haben das übrigens pro bono, also zum Wohle der Öffentlichkeit gemacht.
Haben Sie geahnt, auf was Sie sich da einlassen?
Als wir zum ersten Mal in den Messehallen standen, bekamen wir eine Ahnung vom Ausmaß. Am Ende wurden dort an die 1,2 Millionen Impfdosen verabreicht, bei rund 1400 akkreditierten Mitarbeitern. Es gab einen eigenen Taxistand und eine neu gebaute Fußgängerüberführung.
Wie haben Sie das in den Griff bekommen?
Als es von der Planungsphase in den Betrieb überging, hat unser Personalchef Benjamin Laatzen den operativen Ablauf mit unglaublicher Energie gesteuert, um nur einen herauszuheben. Und die Leute von OMR, deren Geschäft durch Corona ja quasi auf null zurückgefahren wurde, haben ihre Erfahrung bei der Betreuung von großen Menschenmengen eingebracht. Die haben den Laden mit Bravour gerockt, das muss man so deutlich sagen. Das war der Wahnsinn.
Die ganze Zeit war ja irgendwie wahnsinnig, oder?
Aber sie hat gezeigt, was Gesellschaft ertragen und schaffen kann, wenn sie in der Not zusammenrückt.
Es gab auch das andere Extrem, Stichwort Klopapierkrise.
Ich habe mich auch dabei ertappt, wie ich alles einkaufe, das man braucht, um allein auf einer Insel zu überleben. Das war vielleicht schräg, aber es war zu der Zeit das, was man fühlte.
Es war eben auch eine Pandemie...
... und die Ärzte haben Unglaubliches geleistet. Allen voran der medizinische Leiter des Impfzentrums, Dr. Dirk Heinrich, der diese Aufgabe mit ganz feinem Händchen bewältigt hat. Und das in Deutschland, wo die Bürokratie die Dinge in der Regel nicht beschleunigt. So musste die Stadt als Träger von Fall zu Fall die Impfberechtigung feststellen. Da saßen dann 400 Beamte in kleinen Boxen, den sogenannten Counters, um die Menschen handschriftlich zu akkreditieren, weil die Gesundheitskarten Daten enthielten, die nicht mit dem Datenschutz kompatibel waren.
In der Not müssen sich Bürokratie und Unternehmertum schon mal zusammenraufen...
... und in demokratischen Strukturen werden Entscheidungen nun mal eher langsamer und auch komplizierter umgesetzt.
Wie verlief Ihre Karriere?
Ich habe Pharmazie studiert, bin also von Haus aus Apotheker und später in die Pharmaindustrie mit dem Schwerpunkt Onkologie gewechselt. 2004 habe ich die Lerchenfeld-Apotheke an der Mundsburg, heute Antares, übernommen und angefangen, Onkologen zu beliefern. Dann habe ich mich mit meinem Mitbewerber Enno Scheel zusammengetan, mit dem ich heute noch zusammen bin. Da wurde aus dem Apotheken-Maßstab ein industrieller. 2007/2008 entstand die große Fabrik in Jenfeld, von dort aus sind wir europaweit weiter gewachsen.
Umso größer muss der Schock gewesen sein, als im Dezember 2019 die Staatsanwaltschaft bei Alanta anrückte. Der Vorwurf, Ihr Unternehmen habe unberechtigterweise Arztpraxen gekauft und dadurch unerlaubt Arzneimittel abgerechnet, steht bis heute im Raum.
Sicher war das ein Schock. Ich kann aber nur wiederholen, dass das Geschäftsmodell der Alanta Health Group GmbH in vollständigem Einklang mit geltenden Gesetzen steht. Wir stehen mit der Staatsanwaltschaft und den zuständigen Behörden im Austausch und sind nach wie vor überzeugt, dass wir die Vorwürfe vollständig ausräumen können und die Sache bald zu einem Abschluss kommt.
Zurück zu Corona: Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit dem Virus gemacht?
Ich hatte tatsächlich Anfang dieses Jahres zum ersten Mal Corona, und zwar in einer milden Form. Aber auch, wenn man vom Fach ist, hat man schon gebangt, das bleibt nicht aus.
Die Meinungen zum Thema Corona reichten und reichen von Endzeitstimmung bis zum Leugnen. Welche Extreme sind Ihnen begegnet?
In die Messehallen kam der Impfstoff jeden Tag unter Polizeischutz. Dahinter stand nicht nur die Sorge, dass der Impfstoff abhandenkommen, sondern auch, dass er manipuliert werden könnte, um die Impfung zu gefährden und das Impfzentrum in Misskredit zu bringen. Fakt ist: Durch Impfungen ist die Lebenserwartung der Menschen um Jahrzehnte gestiegen, von daher kann ich überhaupt nicht verstehen, wie man dagegen sein kann.
Und doch gab es zum Teil heftige Proteste.
Eine der Lehren, die ich aus dieser Zeit gezogen habe, ist, wie viel Politiker aushalten müssen und können. Der Bürgermeister und die heutige Gesundheitssenatorin Frau Schlotzhauer sind – im übertragenen Sinne – verprügelt worden und haben sich geschüttelt und weitergemacht. Das hat meine Einstellung zur Politik geändert.
Zur Person: Thomas D. Boner ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, hier studierte er Pharmazie. Später wechselte er in die Pharma-Branche. Der 61-Jährige ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Alanta Health Group; zu dem auf Krebsmedikamente spezialisierten medizinischen Dienstleistungsunternehmen gehören auch Krankenhäuser und Arztpraxen. Boner ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Der leidenschaftliche Motorradfahrer hat in der Pandemie das E-Bike für sich entdeckt, kocht gern, aber viel zu selten und verbringt seine Urlaube an der Ostsee mindestens ebenso gern wie auf Ibiza
Bitte ergänzen Sie...
Meine Lieblingsorte in Hamburg sind... der Stadtpark, der Hafen und das Alstertal.
Und in der Ferne... geht nichts über eine Harley-Tour durch die USA.
Ich mag Musik von... Lotto King Karl. Viele seiner Texte sind absolut lyrisch.
Lachen kann ich über... gute Witze, zum Beispiel von Dieter Nuhr.
Und auf die Palme bringt mich... Inkompetenz.