TIn der Ferrari-Kneipe geht statt Schnaps jetzt Stoff über die Theke

Hier ist jetzt eine Änderungsschneiderei entstanden. Künftig wird hier nicht mehr getrunken, sondern geschnitten, genäht, gebügelt. Foto: rp
Die Ferrari-Kneipe im Flötenkiel in Bremerhaven war ein Vierteljahrhundert lang Kult – bis Dezember vergangenen Jahres. Jetzt ist dort eine Schneiderei entstanden. Wir haben einen Blick in die Innenräume geworfen.
Bremerhaven. Hier ist alles noch im Werden. Draußen vor dem Eingang weisen Ballons auf die Neueröffnung hin. Drinnen wartet rechts neben dem Eingang ein kleiner Tisch auf die ersten Besucher mit Keksgebäck, Schokolade, Mineralwasser und zwei Flaschen, rosa und gelb. Sie sehen wie Sektflaschen aus, enthalten tatsächlichFruchtsaft, alkoholfrei. Das Preisschild neben der Empfangstheke gegenüber ist noch nicht ausgefüllt.
Der afghanischstämmige Husain Scharifi hat hier gerade seine neue Schneiderei eröffnet. Der Name: Strahlend. Im Gespräch mit der "Nordsee-Zeitung" zeigt er sich zufrieden. „Am ersten Tag kamen um die zwanzig Kunden. Das ist eine gute Zahl“, sagt der 33-Jährige. Viele seien bereits seine Kunden gewesen, als er noch im Gebäude von Kaufland war. Von der Neueröffnung hätten sie durch die Berichterstattung unserer Zeitung erfahren.
25 Jahre Ferrari-Kneipe gewesen
In diesem Gebäude stand ein Vierteljahrhundert lang die legendäre Ferrari-Kneipe. Der Betreiber Hansi Sauerbrei musste die Kultkneipe im Dezember vergangenen Jahres aufgeben. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn dazu, aber auch ausbleibende Gäste wegen Corona, hieß es. Daran erinnert jetzt nicht mehr viel.
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Die Aufkleber und Symbole der italienischen Edelmarke Ferrari an den Fenstern und Türen sind mittlerweile beseitigt, die vielen roten und schwarzen Pferde an der Fassade entfernt, ebenso das Modell-Auto auf einem Baumstamm vor dem Haus.

Betreiber Husain Scharifi hinter dem Ladentisch seiner neu eröffneten Änderungsschneiderei „Strahlend“ am Flötenkiel in Bremerhaven. Foto: rp
Und die Aufkleber auf den Fensterscheiben in der ersten Etage sollen bald auch verschwinden. Auch die Wohnräume über seinem Geschäft seien vermietet worden.

So sieht die Schneiderei aus: Für die Umbauarbeiten benötigte der Ladeninhaber Husain Scharifi drei bis vier Wochen. Foto: rp
Die Gefühlslage der Kunden
Die ersten Reaktionen der Kunden geben dem Schneider Scharifi Zuversicht für die Zukunft. Viele haben ihm Glückwünsche für den Laden überbracht. Es habe auch Fragen gegeben, ob er das Gebäude gekauft habe. „Einige haben auch gesagt, es ist schade, dass die Kneipe weg ist. Dass du aber da bist, finden wir gut“, erzählt Husain Scharifi.

Diesen Baumstumpf schmückte bis vor ein paar Wochen ein kleiner Ferrari. Auch er ist fort. Foto: rp
Wie viel der Schneider in den Laden investiert hat, bleibt Geschäftsgeheimnis. Der 33-Jährige lebt seit 2016 in Bremerhaven. Seine Frau und zwei Kinder wohnen auch in der Seestadt, allerdings getrennt, wie er erzählt. Den Beruf hat er bei seinem Onkel in Afghanistan erlernt. Das Land musste er in den Wirren der Kriegsjahre verlassen und verbrachte 18 Jahre im Iran, bevor er 2015 nach Deutschland kam.