TIn diesen AfD-Hochburgen sprechen jetzt die Menschen

Die Wernerstraße im Lehfeld in Cuxhaven: In dem Stadtteil-Wahlbezirk wählt etwa jeder Vierte die AfD. Foto: Reese-Winne/Archiv
In mehreren Wahlbezirken im Wahlkreis Cuxhaven - Stade II wählen weit mehr als 20 Prozent der Menschen die AfD. Was bewegt die Wähler dort? Die Ergebnisse sorgen für Diskussionen.
Cuxhaven/Bremerhaven. In Cuxhaven-Ritzebüttel und Groden erzielte die AfD bei der Bundestagswahl 2025 überraschend hohe Wahlergebnisse. Stimmen aus der Gemeinschaft deuten auf ein tiefer liegendes Protestgefühl hin, das die Politik nicht ignorieren kann. Die Gründe sind vielfältig und vielschichtig.
Zwei Stadtteile stechen bei der Betrachtung der AfD-Stimmen in der Stadt heraus: In den Cuxhavener Wahlbezirken 16 und 17 (Bürgerzentrum Lehfeld) sowie 21 und 22 (Grodener Schule) hat die AfD bei den Bundestagswahlen 2025 teils weit über 20 Prozent der Stimmen erreicht.
Dabei gibt es in zwei Wahlbezirken sogar jeweils eine AfD-Hochburg:
- Wahlbezirk 022 Grodener Schule: 27,65 Prozent
- Wahlbezirk 017 Bürgerzentrum Lehfeld: 27,36 Prozent
Bei den Erststimmen kommt der Drochterser AfD-Kandidat in den genannten Wahlbezirken auf ähnliche Werte. Wie im Stader Nord- und Südkreis gibt es zudem in Hemmoor hohe Zustimmung für die AfD.
Besorgnis über das AfD-Ergebnis bei der Bundestagswahl
Das Ergebnis sorgt vielerorts für Verwunderung und Besorgnis. Um die Hintergründe dieser Entwicklung besser zu verstehen, haben wir mit Vertretern der lokalen Gemeinschaft und einigen Wählern gesprochen. Ihre Einschätzungen zeichnen ein differenziertes Bild von Unzufriedenheit, Protest und politischer Unsicherheit.
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Timo Becker, 1. Vorsitzender des Grodener Bürgerrates e.V., sieht die Ursachen für das starke Abschneiden der AfD nicht in lokalen Problemen. „Ich denke, dass keine lokalen Probleme zu dem Wahlergebnis geführt haben. Die Unzufriedenheit mit der vergangenen Regierungsarbeit wird dazu geführt haben, dass etliche mit einer Protestwahl ihren Unmut kundgetan haben“, erklärt Becker. Der Grodener Bürgerrat, betont Becker, sei keine politische Institution, sondern ein Verein, der für Demokratie und Vielfalt stehe. „Daher bleiben wir im Dialog mit den Bürgern und stehen natürlich unterstützend jederzeit zur Verfügung.“

Der 1. Vorsitzende des Grodener Bürgerrates Timo Becker sieht die Ursachen für das starke Abschneiden der AfD nicht in lokalen Problemen begründet. Foto: Wehr
„Wirtschaftliche Unsicherheit und einfache Erklärungen“
Auch Eike Neumann, 20-jähriger Auszubildender zum Einzelhandelskaufmann im CAP-Markt Groden, sieht in der allgemeinen Unzufriedenheit einen entscheidenden Faktor. „Aus meiner Sicht hängt das an der Wirtschaft. Faschistische Kräfte werden stark, wenn die Menschen unzufrieden sind, wenn die Wirtschaft schwach ist. Die Menschen wissen, dass etwas falsch läuft, aber nicht was“, sagt Neumann.

Eike Neumann, Auszubildender zum Einzelhandelskaufmann im CAP-Markt Groden, sieht wirtschaftliche Unsicherheit als Nährboden für populistische Strömungen. Foto: Potschka
Er warnt vor der Gefahr einfacher populistischer Antworten und betont die Notwendigkeit gesellschaftlicher Aufklärung. Der junge Cuxhavener freut sich deshalb besonders über das gute Abschneiden der Partei „Die Linke“, der er deshalb seine Stimme gegeben hat.
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Hoffnung liegt jetzt bei der Union in Regierungsverantwortung
André Steputh (44 Jahre) beobachtet das politische Geschehen mit Sorge. „Es ist immer wieder erschreckend zu sehen, wenn die AfD so hochkommt. Aber man hätte das auch erwarten können, weil die Prognosen dementsprechend waren“, sagt Steputh, der hofft, dass zukünftige politische Kurskorrekturen diesen Trend aufhalten können. „Ich hoffe, wenn die Union in der Regierungsverantwortung ist und ihren Job auch gut macht, dass es dann wieder in die andere Richtung geht.“
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Die junge Wählerin Lena Heinrich (21 Jahre) aus Ritzebüttel sieht die AfD weniger als Ergebnis überzeugender Antworten, sondern vielmehr als eine Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen in Deutschland. „Ich glaube, das liegt gar nicht so an den Antworten der Parteien, sondern an dem, was in Deutschland gerade alles passiert. Deshalb sehen viele die AfD als eine Lösung an.“

Volker Hofmann aus Ritzebüttel sieht im Wahlergebnis eine Aufforderung an die etablierten Parteien, mehr auf die Bürger einzugehen. Foto: Potschka
Auch Volker Hofmann (73 Jahre) zeigt sich überrascht über das Wahlergebnis. „Ich hätte nie gedacht, dass die AfD hier so abschneidet. Aber jetzt sind sie auf dem zweiten Platz, und das muss man ernst nehmen.“ Der im Stadtteil Ritzebüttel lebende Hofmann sieht das Ergebnis als möglichen Warnschuss für die etablierten Parteien und betont, dass die politischen Akteure stärker auf die Sorgen der Bürger eingehen müssen. Ansonsten votiert er dafür, den Wählerwillen ernst zu nehmen. Deshalb sollte seiner Meinung nach die CDU jetzt ruhig mit der AfD koalieren.
Pastorin zeigt sich geschockt über AfD-Ergebnis
Die Grodener Pastorin Sabine Badorrek (57 Jahre) ist mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse ratlos. „Ich kann mir dieses derart hohe Wahlergebnis der AfD nicht erklären. Es macht mich sprachlos und schockiert mich, dass in einer Gemeinschaft, die ich als relativ gut vernetzt und keineswegs als sozialen Brennpunkt erlebe, jeder vierte bis fünfte Wähler eine Partei gewählt hat, die auf Ausgrenzung setzt und ein Menschenbild hat, das den einen mehr Würde als den anderen zuspricht.“

Die Grodener Pastorin Sabine Badorrek kann sich dieses derart hohe Wahlergebnis der AfD im Ortsteil Groden nicht erklären. Foto: Reese-Winne
Die evangelische Theologin findet es zudem „schockierend, dass so viele Menschen so empfänglich sind für populistische und demagogische Parolen und nicht bemerken, wie der Wolf Kreide frisst und seine Stimme verstellt, einzig mit dem Ziel, ins Haus zu gelangen und dort ungebremst zu wüten“.
Russlanddeutsche in Bremerhaven begründen ihr Wahlverhalten
Bremerhaven gilt traditionell als Hochburg der Sozialdemokraten. Doch bei der aktuellen Bundestagswahl gab es große Wählerverschiebungen. Vor allem im nördlichen Stadtbezirk Leherheide hat die AfD ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigt und ging als die stärkste politische Kraft aus der Wahl hervor. 32,6 Prozent der Stimmen bekam die Partei, mehr als doppelt so viele wie bei der letzten Bundestagswahl und deutlich mehr als im gesamten Bremerhaven (23,5).
Eugen Klein ist Russlanddeutscher und Marktleiter beim Mix-Markt in Leherheide. Der 31-Jährige kam 2005 aus der Gegend von Wolgograd nach Deutschland. Am Sonntag nahm er an der Wahl teil und wählte die AfD. „Es wird Zeit, dass sich politisch was ändert in Deutschland. Die links-grüne Politik gefällt mir nicht“, sagt er. Er möchte, dass der illegalen Migration ein Riegel vorgeschoben wird. In kein anderes Land könne man einfach so ohne Papiere einreisen. Dass die AfD aus Nazis bestehen würde, glaubt er nicht. „Gut, die haben einen rechten Flügel. Aber die anderen Parteien haben einen linken Flügel“, argumentiert er.

Der Russlanddeutsche Eugen Klein ist Marktleiter bei Mix-Markt in Leherheide. Er hat die AfD gewählt. Foto: Polgesek
Auch Maxim Kischenko ist Russlanddeutscher. Der 41-Jährige stammt aus Sibirien und lebt seit 1998 in Deutschland. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Ukrainer. Er hat die AfD gewählt. Sein Motiv: Deutschland soll Deutschland bleiben. Dabei hat er vor allem muslimische Migranten im Blick. Er glaubt, dass Muslime ihre eigenen Gesetze mitbringen und Schwierigkeiten bei der Integration haben.
Fazit: Ein Weckruf für die Politik
Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass die Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung und die Unsicherheit über die wirtschaftliche Lage viele Wähler zu einer Protestwahl bewegt haben. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit eines stärkeren Dialogs und einer klareren Kommunikation politischer Inhalte immer deutlicher. Für die etablierten Parteien könnte dieses Ergebnis ein Weckruf sein, stärker auf die Bedürfnisse und Sorgen der Bürger einzugehen, um dem Erstarken populistischer Kräfte entgegenzuwirken.