TJetzt ist Zeit für Tomaten im Garten: So werden sie gezüchtet

Der Zucht von Tomaten gilt Florian Jordans Hauptaugenmerk bei der Oldendorfer Saatzucht. Foto: Hennings
Manch Hobbygärtner hat auf der Fensterbank Tomaten und Paprika zu kleinen Pflänzchen vorgezogen. Aber woher kommen eigentlich die Samen dafür?
Holste. Hierzulande wächst eine Gemüsepflanze in der Regel, bis sie reif für die Ernte ist. Der Spinat wird abgeschnitten, die Möhre aus dem Boden gezogen und die Paprika von der Pflanze geschnitten. Samen bilden diese Pflanzen nicht mehr.
Auf dem Gärtnerhof Oldendorf bei Holste (Kreis Rotenburg) gibt es Beete, auf denen der Spinat einfach stehen bleibt, bis er „schießt“ und die Möhren weiterwachsen, bis sich duftende Blüten bilden. Der Verein Kultursaat hat es sich zur Aufgabe gemacht, frei zugängliches, samenfestes Saatgut zu züchten.

Dicht an dicht stehen die jungen Salatpflänzchen einer Züchtungslinie unter freiem Himmel. Foto: Hennings
In den 80er Jahren nahmen die großen Saatzuchtfirmen immer mehr Hybrid-Züchtungen in ihre Angebote auf, erklärt Florian Jordan, der auf dem Gärtnerhof die Saatzucht betreibt. Zu der Zeit taten sich einige Demeter-Gärtner zusammen, die die samenfesten Sorten erhalten, weiterentwickeln und für alle zugänglich machen wollten.
Wichtig ist die schnelle und kräftige Entwicklung
Samenfest, das bedeutet, dass die Nachkommen aus den Samen ähnliche Eigenschaften und die gleiche äußere Gestalt haben wie die Mutterpflanze. Außerdem können diese Pflanzen selber fruchtbare Samen bilden.
Ein weiteres Kriterium für die Züchter ist die Robustheit der Pflanzen, denn im ökologischen Landbau wird gegen Schädlinge nicht gespritzt, weshalb eine schnelle und kräftige Entwicklung der jungen Pflanzen eine wichtige Rolle spielt. Und nicht zuletzt entscheidet natürlich der Geschmack, ob eine Tomate vom Verbraucher gerne gegessen wird oder nicht.

Diese Spinatpflanze wird in wenigen Monaten Samen für die Weiterzucht gebildet haben. Foto: Hennings
Im Züchtungsgeschäft braucht man einen langen Atem, das lässt ein Besuch auf dem Gärtnerhof vermuten. Auf Platten stehen dicht an dicht die kleinen Setzlinge, von denen es der weitaus größte Teil nicht in die engere Auswahl schaffen wird.
Es braucht durchschnittlich sieben bis zehn Generationen, bis eine neue Züchtungslinie entstanden ist, berichtet Florian Jordan. Und ein wichtiger Grundsatz dabei ist, dass man wegschmeißen können muss. Am Ende kommen von rund 70 verschiedenen Sorten Salaten, die in Oldendorf in Reih und Glied stehen, nur zwei als neue samenfeste Sorten in den Handel.
Der Unterschied zwischen samenfesten Pflanzen und Hybriden
Samenfeste Sorten haben sich so lange entwickelt, bis erkennbar ist, dass sich weitere Generationen nicht großartig verändern. Das ist bei den sogenannten F1-Hybriden anders. Hybride entstehen durch die Kreuzung von zwei Inzuchtlinien. So entstehen F1-Hybride, die Hobbygärtner von den Samentütchen kennen. Würde man von Hybriden, also zum Beispiel Tomaten, Saatgut reifen lassen, würden die daraus entstehenden Pflanzen sehr unterschiedlich sein.

Für die Erde der jungen Pflanzen wird Pferdemist unter dicken Planen kompostiert. Foto: Hennings
Dabei sieht der Oldendorfer Gärtner durchaus Vorteile in der Verwendung von Hybriden, denn sie haben im kommerziellen Gemüseanbau ein hohes Ertragspotenzial, brauchen aber in der Regel mehr Wasser und Dünger als samenfeste Sorten. Ein Nachteil ist auch, dass das Saatgut jedes Jahr wieder neu gekauft werden muss, da sich mit der Saat der Hybriden nicht weiterarbeiten lässt, informiert Florian Jordan.
Sorten, die der Verein Kultursaat im Norden Deutschlands züchtet, sind nicht nur samenfest, sondern auch an den Boden- und Witterungsverhältnissen ihres Standortes angepasst. Das ist mit Sämereien, die von großen Saatgutfirmen produziert werden, nicht unbedingt der Fall.
Deregulierung neuer Gentechniken nicht zu erkennen
Als problematisch sehen die Züchter des Vereins die Deregulierung neuer Gentechniken, die auf europäischer Ebene im Frühjahr beschlossen wurde. Während alte Gentechniken gekennzeichnet werden mussten, ist das für neue nicht mehr erforderlich.
Was ist der Unterschied zwischen den beiden Techniken? Bei der neuen Gentechnik werden die Erbinformationen von Pflanzen, aber auch von Tieren verändert, ohne fremdes Erbgut dafür zu nutzen. Bei der sogenannten alten Gentechnik werden artfremde Gene in das Erbgut eingebracht.
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Die Mehrheit der deutschen Verbraucher lehnt Lebensmittel, die genverändert sind oder genveränderte Bestandteile enthalten, ab. Müssen diese nicht mehr gekennzeichnet werden, wissen sie es gar nicht. „Ob genveränderte Lebensmittel Folgen haben, weiß bisher niemand, weil es keine Langzeitversuche dazu gibt“, informiert Florian Jordan.
Er und seine Züchterkollegen befürchten außerdem, dass die neuen Vorgaben es leichter machen, genetische Veränderungen bei Pflanzen mit Patenten zu belegen und die Abhängigkeit von großen Agrochemie-Konzernen zu vergrößern. „Gerade alte Sorten sind ein wichtiger genetischer Pool und die genetische Vielfalt wollen wir mit unserer Arbeit erhalten“, stellt Florian Jordan klar.