TKehdinger Müllhügel soll weg: Kreis Stade löst Deponie auf
Der mit schwarzer Folie eingedeckte Bereich ist die Deponie Wischhafen II. Oberhalb auf der bewachsenen Fläche befindet sich die stillgelegte Deponie Wischhafen I. Das Karl-Meyer-Firmengelände liegt rechts von der Deponie. Der Ort Wischhafen ist oben zu sehen. Foto: Marin Elsen
Eine neue Bauschuttdeponie in Wischhafen ist vom Tisch. Die Kreispolitik hat andere Pläne. Eine inkontinente Alt-Deponie soll vom Erdboden verschwinden.
Wischhafen. Nach Auflösung des Deponieverbundes ist der Landkreis Stade seit April 2019 wieder eigenverantwortlich für die acht Hektar große Deponie Wischhafen II zuständig. Auf dieser wurden Siedlungsabfälle ab 1994 deponiert - bis zur Umstellung auf die Müllverbrennung und die Restverfüllung der Deponie Hillern im Heidekreis.
Deshalb wurde der Betrieb am 1. Januar 2000 vorübergehend eingestellt, berichtet der Ingenieur Horst Tyranowski im Ausschuss für Abfall und Kreislaufwirtschaft des Landkreises Stade. Die Hausmülldeponie wurde lediglich temporär (nicht endgültig) abgedeckt.
Der Experte aus dem Amt für Abfall und Kreislaufwirtschaft hat die Politik über den Zustand der 3,25 Hektar großen Alt-Deponie Wischhafen I und der vorübergehend stillgelegten Deponie Wischhafen II informiert. Das Sickerwasser stellt die Behörde vor große Herausforderungen. Der Wartungsaufwand der Anlagen sei hoch, die Sickerwasserteiche müssten entschlammt werden.
Deponie-Kosten belasten Kreis Stade immer stärker
„Die Situation wird mit jedem Betriebsmonat ungünstiger für den Landkreis“, mahnt Tyranowski bei der Präsentation. Aktuell fallen Kosten von 240.000 Euro im Jahr an, mittelfristig rechnet die Verwaltung mit 300.000 Euro für die Sickerwasserbehandlung jährlich. Hinzu kommen laufende Kosten für Strom, Kontrolle, Wartung und Grünarbeiten.
Außerdem fällt eine Pacht an, die Flächen an der Bundesstraße B 495 gehören der Karl Meyer AG. Diese kassiert nach TAGEBLATT-Informationen fast 70.000 Euro im Jahr. Das alles macht unter dem Strich noch einmal knapp 200.000 Euro im Jahr. Kurzum: Der Gebührenzahler muss - zurzeit - 440.000 Euro im Jahr für zwei Deponien aufbringen, die nicht genutzt werden.
Weitere 1,5 Millionen Euro müssen 2025 in die Deponie-Rückstellung fließen. Es fallen hohe Kosten an, die alte Müllhalde hat keine Basisabdichtung. Damit nicht genug: Auch für die Ex-Deponien Ardestorf, Hammah, Heeßel III, Oldendorf, Riensförde, Wedel und Ketzendorf fallen weitere Kosten an. Die Rückstellungen in Höhe von insgesamt 26,4 Millionen Euro müssen weiter angepasst werden - zu Lasten der Gebührenzahler.

Blick auf die Deponien in Wischhafen. Foto: Google Earth
Auf der Deponie Wischhafen II sind 415.000 Kubikmeter eingebaut worden, genehmigt waren 900.000 Kubikmeter. Doch das Volumen ist unter anderem aufgrund des Baugrunds und der Vorgaben zum Schutz des Grundwasserkörpers nicht mehr vorhanden. Die zulässige maximale Höhe der Deponie von 12,25 Meter über Normalhöhennull sei „bereits jetzt ohne weitere Abfallablagerungen überschritten“.
Mieser Untergrund: keine Bauschuttdeponie
Die 2021 von der Politik empfohlene Wiederinbetriebnahme ist auch aus diesem Grund vom Tisch. Angedacht war, in Wischhafen eine Bauschuttdeponie zu schaffen. Der Bedarf ist riesig, die Bauwirtschaft klagt über lange Transportwege und fehlende Kapazitäten.
Pro Jahr sollten 50.000 Tonnen Bauschutt von privaten Entsorgern oder Baufirmen in Wischhafen angeliefert werden. 50 Prozent der Menge sollten aus dem Landkreis Stade selbst kommen. Der Rest aus den benachbarten Landkreisen und vielleicht aus Hamburg oder Bremen.
Dafür wäre ein langwieriges Planfeststellungsverfahren erforderlich, Umwelt- und Naturschutzbehörden äußerten Bedenken unter anderem gegen die Einleitung von Sickerwasser in die Süderelbe. Außerdem würden hohe Betriebskosten drohen. Und: Bauschutt würde aufgrund des höheren spezifischen Gewichtes höhere Setzungen und Schäden als Hausmüll auslösen.
Vom Tisch ist auch die Nutzung als Restmülldeponie. Diese Option wäre „technisch und wirtschaftlich“ optimal. Doch die Verkehrsbelastung durch den „Abfalltourismus“ stößt auf Widerstand.
Alt-Deponie Wischhafen I wird aufgelöst
Deshalb kommt jetzt die Variante III zum Zuge: die Umlagerung des Mülls von der Deponie Wischhafen I (1984) auf Wischhafen II (ab 1994) inklusive dauerhafter Oberflächenabdichtung. 320.000 Kubikmeter müssten umgelagert werden. Bei Wegfall von Wischhafen I entfalle voraussichtlich die Sickerwasseraufbereitung vor Ort.
Kurzum: Diese Lösung mit der Sanierung der Alt-Deponie und der Beseitigung der Grundwasserverunreinigung sei „ökologisch optimal und am schnellsten durchführbar“. Sinnvoll erscheine eine endgültige Schließung auch, um die Betriebskosten „in absehbarer Zeit“ zu minimieren. Ein Planfeststellungsverfahren sei gleichwohl notwendig, so das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt in Lüneburg. Diese Variante werde auch vom Niedersächsischen Umweltministerium begrüßt.
Im Kreishaus wird jetzt geprüft, ob es Fördermittel für die Sanierung von Altdeponien gibt. Auch Planung und Gutachten sollen in Angriff genommen werden. In Kehdingen ist mit Blick auf den Vogelschutz eine FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie notwendig. Die Umlagerung kann aus dem Topf der Deponie-Rückstellungs-Mittel finanziert werden.