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Dollern

TKein Gas: Vermieter bringt Familie der behinderten Kira in große Not

Seit Wochen kommt nur kaltes Wasser aus dem Duschkopf. Für die schwerbehinderte Kira Sondermann (24) und ihre Mutter eine immense Belastung.

Seit Wochen kommt nur kaltes Wasser aus dem Duschkopf. Für die schwerbehinderte Kira Sondermann (24) und ihre Mutter eine immense Belastung. Foto: Buchmann

Vor drei Wochen konnten Großmanns das letzte Mal warm duschen. Seitdem bleiben die Leitungen in ihrem Mietshaus kalt. Ihre behinderte Tochter trifft das besonders hart.

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Von Steffen Buchmann
Mittwoch, 25.06.2025, 18:55 Uhr

Dollern. Ein Vorhängeschloss baumelt am Gashahn zur Zentralheizung. Die Folge: Sechs Mietshäuser in Dollern sind seit 5. Juni ohne Warmwasser und Heizung. Für Familie Großmann kam die Sperrung überraschend. „Wir zahlen immer monatlich unsere Miete und die Nebenkosten an den Vermieter“, sagt Bianca Großmann.

Doch warum wurde der Familie am 5. Juni plötzlich das Gas abgedreht? „Eine Abschaltung erfolgt - sofern keine technischen oder anderweitigen Gründe vorliegen - grundsätzlich nur bei Zahlungsrückständen“, teilt Stadtwerke-Geschäftsführer Christoph Born auf TAGEBLATT-Nachfrage mit.

Harter Schicksalsschlag für Dollerner Familie

Unter der Abschaltung leiden derzeit mehrere Anwohner, darunter mehrere Familien und Handwerker. Familie Großmann hat jedoch besonders damit zu kämpfen. Dino und Bianca Großmann wohnen dort mit der 3-jährigen Marie-Sofie und der 24-jährigen Kira, die von Geburt an mit Epilepsie sowie einer geistigen Behinderung lebt. Im November 2023 traf die Familie ein harter Schicksalsschlag, als Kira plötzlich schwer krank wurde.

Nach etlichen Untersuchungen bekamen sie die niederschmetternde Diagnose: Eine Nierenbeckenentzündung, zwei Keime, eine Sepsis, eine Lungenentzündung, mehrere Schlaganfälle, eine Herzklappenentzündung sowie eine starke Durchblutungsstörung. Wegen letzterer mussten die Ärzte Kira alle Finger, ein Bein bis zum Knie sowie die Zehen des anderen Fußes amputieren.

Warmwasser kommt notfalls aus dem Wasserkocher

Seitdem Kira wieder zu Hause ist, ist alles anders. Die Familie ließ das Bad im Obergeschoss barrierefrei umbauen und schaffte ein neues Auto an, denn Kira sitzt im Rollstuhl. Mit dem Treppenlift muss sie die Etage wechseln, damit ihre Mutter sie waschen und auf die Toilette bringen kann.

Seit drei Wochen ist die Pflege für Kira daheim kaum noch möglich. „Wir müssen jeden Tag zu ihren Großeltern nach Stade fahren“, sagt Bianca Großmann. Im Notfall müsse sie einen Wassereimer und Messbecher zum Waschen benutzen, das warme Wasser kommt dann aus dem Wasserkocher. Für Kira ist die Situation unangenehm. „Ich finde es nicht gut, immer zu den Großeltern zu fahren“, sagt sie.

Der Gashahn für die Zentralheizung der sechs betroffenen Mietshäuser ist mit einem Vorhängeschloss versperrt.

Der Gashahn für die Zentralheizung der sechs betroffenen Mietshäuser ist mit einem Vorhängeschloss versperrt. Foto: privat

Ein benachbartes Ehepaar, das anonym bleiben möchte, ist ebenfalls von der Gassperre betroffen. „Es belastet uns“, sagt sie. Ihr Mann habe jeden Tag Kundenkontakt und müsse aktuell außer Haus duschen. Sie hätten versucht, die Angelegenheit mit dem Vermieter und später mit den Stadtwerken direkt zu klären - ohne Erfolg.

Keine Vorwarnung durch Vermieter oder Stadtwerke

„Das ist nicht das erste Mal, dass das Gas abgedreht wurde“, sagt die Anwohnerin. Das bestätigen die Stadtwerke Stade: Bereits am 21. Februar 2025 drehte der Energieversorger für fünf Tage den sechs Reihenhäusern den Gashahn zu. Die Nachbarn halten solidarisch zu den Großmanns. „Sie haben die letzten Jahre so viel Furchtbares erlebt. Dass es jetzt Kira trifft, ist schlimm“, sagen sie.

Weder Vermieter noch Stadtwerke hätten sie vorgewarnt, sagen die befragten Anwohner. Wie Stadtwerke-Geschäftsführer Born mitteilt, seien bereits vor Monaten Zahlungserinnerungen sowie zwei Mahnungen an den Vermieter geschickt worden. Danach sei eine Sperrandrohung gefolgt, so Born.

Die Stadtwerke hätten die Mieter nicht direkt informiert, da der Vermieter Vertragspartner sei. Eine Freischaltung sei theoretisch innerhalb eines Tages möglich - „wenn alle offenen Posten ausgeglichen sind“.

Mieter sind Leidtragende

„Generell haben Mieter selbstverständlich einen Anspruch auf sichergestellte Energieversorgung“, sagt Rechtsexperte Jürgen Starbatty vom Deutschen Mieterbund Hannover. Dies sei jedoch davon abhängig, wer den Vertrag abgeschlossen habe. Kommt der Vermieter seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach, sei eine Sperrung der Gasversorgung rechtlich möglich. „Die Leidtragenden hierbei sind jedoch die Mieter“, sagt Starbatty.

Sollte der Vermieter nicht reagieren, könnten die Mieter nur versuchen, eine Regelung mit dem Energieversorger zu treffen. „Der Mieter hat das Recht, durch Zahlung der Rückstände und der künftig entstehenden Verbindlichkeiten, die Versorgungssperre abzuwenden“, so Starbatty. Auch sei es möglich, dass die Sperre wegen der Umstände gegebenfalls unzumutbar war.

Trotz wiederholter schriftlicher und telefonischer Anfragen äußerte sich der Vermieter gegenüber dem TAGEBLATT nicht zur der Situation.

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