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TKein Homeoffice: Rettungsleitstellen im Nachbarkreis auf dem Prüfstand

Noch gibt es in Niedersachsen 29 Rettungsleitstellen. Doch deren Zahl nimmt nach und nach ab. Immer mehr Landkreise tun sich zusammen und gründen Groß- oder Regionalleitstellen.

Noch gibt es in Niedersachsen 29 Rettungsleitstellen. Doch deren Zahl nimmt nach und nach ab. Immer mehr Landkreise tun sich zusammen und gründen Groß- oder Regionalleitstellen. Foto: Bodo Schackow

Ab 2030 wird der Einsatz des Rettungsdienstes und der Feuerwehr in den Landkreisen Rotenburg, Harburg, Heidekreis und Lüneburg in einer Großleitstelle koordiniert. Doch ist das wirklich die beste Lösung?

Von Thorsten Kratzmann Mittwoch, 18.09.2024, 15:30 Uhr

Seit 2006 arbeiten die Kreise Rotenburg, Harburg und der Heidekreis beim Einsatz von Feuerwehr und Rettungsdienst zusammen. Sie haben ihre Leitstellen in Zeven, Winsen und Soltau zusammengeschaltet, damit sie sich bei Bedarf gegenseitig unterstützen können. Dieses System steht auf dem Prüfstand.

Bis zum Laufzeitende des bestehenden Kooperationsvertrags 2027/28 soll feststehen, wie Rettung fortan zu organisieren ist. Notwendig erscheint das vor dem Hintergrund, dass die Leitstellentechnik in die Jahre gekommen ist und dass der Verband der Ersatzkassen (VDEK) Druck macht.

Als Druckmittel fungiert Geld, denn der VDEK trägt 60 Prozent der laufenden Kosten. Und auch die Bundesregierung dringt laut Landrat Marco Prietz darauf, Leitstellen zusammenzulegen. Die Formel lautet: eine Leitstelle für eine Million Menschen.

„Virtueller Leitstellenverbund hat sich bewährt“

Im Hinblick darauf und, weil der Trend zur Großleitstelle geht, hat die Rotenburger Kreisverwaltung den Leitstellenverbund begutachten lassen. Derzeit landen sämtliche im Kreisgebiet unter 112 abgegebenen Notrufe in der Feuerwehrtechnischen Zentrale an der Böttcherstraße in Zeven. Dort sind zwölf Disponenten in Schichten tätig. Die Leitstelle ist rund um die Uhr besetzt. Geht dort ein Notruf ein, so alarmiert der oder die Diensthabende Einsatzkräfte und Einsatzmittel des Rettungsdienstes und der Feuerwehren.

In Ausstattung und Besetzung sind die Leitstellen in Soltau und Winsen vergleichbar. Die drei Kreis-Leitstellen sind laut Auswertung in der Lage, durchschnittlich 96 Prozent der eingehenden Notrufe zu bearbeiten. In lediglich vier Prozent der Fälle muss einer der beiden anderen Kooperationspartner einspringen. Die dafür erforderliche Technik ist eine Sonderanfertigung und läuft nach Aussage von Kreis-Dezernentin Heike von Ostrowski nicht störungsfrei. Gleichwohl hat sich die eingespielte Kooperationsstruktur bewährt.

Kreis Lüneburg möchte das Trio zum Quartett erweitern

Dieses bestehende System verglichen die Gutachter mit möglichen Alternativen. Eine Option ist: Jeder macht seins. Also jeder Kreis betreibt wie vor 2006 ohne Partner eine Leitstelle. Option zwei: Aus dem Trio wird mit dem Landkreis Lüneburg ein Quartett und je zwei Kreise betreiben eine gemeinsame Leitstelle, die miteinander verbunden werden. Option drei: Rotenburg, Harburg, der Heidekreis und Lüneburg bilden eine gemeinsame Großleitstelle.

In puncto Qualität besticht die Großleitstelle, weil der Einsatz von acht bis neun Mitarbeitern pro Schicht eine fachbezogene Aufgabenteilung der Disponenten erlaubt. Der Verbund zweier Leitstellen für vier Kreise landet auf dem zweiten Platz. Das bestehende System rangiert dahinter. Die Rückkehr zu solitären Kreis-Leitstellen ist abgeschlagen.

Doch die Kreis-Leitstelle ist am wirtschaftlichsten zu betreiben. Dahinter folgt die Großleitstelle. Unterm Strich empfiehlt der Gutachter die Bildung eines Großleitstellen-Verbundes, zu dem sich Rotenburg, Harburg, Lüneburg und der Heidekreis zusammenfinden sollten.

Regionalleitstelle liegt wohl nicht im Kreis Rotenburg

Dieses Modell haben die zuständigen Ausschüsse des Heidekreises und des Kreises Lüneburg den Kreistagen zum Beschluss empfohlen. Landrat Prietz warb dieser Tage unter den Rotenburger Ausschussmitgliedern ebenfalls um Zustimmung, damit der Kreistag am 19. September ein Votum angeben kann. Er tat dies in der Annahme, „dass der Leitstellen-Standort nicht im Landkreis liegen wird“.

Zunächst geht es laut Prietz darum, eine Anstalt öffentlichen Rechts als Trägerin einer Regionalleitstelle zu gründen. In das Leitungsgremium der Anstalt sind je zwei Vertreter jedes der vier Kreise zu berufen. Alsdann müsse ein Standort für die Leitstelle gefunden werden. Erst dann geht es an die Planung und schließlich den Bau. Ziel sei es, 2030 an den Start zugehen.

Kein gutes Haar an dem Vorhaben ließ Ausschussmitglied Hartmut Wallin (Grüne). Der Vorschlag, einen „Betonklotz“ irgendwo auf die grüne Wiese zu stellen und die Mitarbeiter aus allen Richtungen von zum Teil weit her anreisen zu lassen, zeuge von gestrigem Denken. In Zeiten von Homeoffice und mobilem Arbeiten sei es in vielen Berufen möglich, seiner Tätigkeit „von jedem Ort auf der Welt“ nachzugehen. Das müsse doch auch für Disponenten in einer Leitstelle möglich sein, meint der Visselhöveder.

Aussicht auf langen Weg zur Arbeit schreckt Mitarbeiter

Diese Möglichkeit sehen weder Dezernentin Heike von Ostrowski noch Leitstellenleiter Thomas Hinze gegeben. Es fehle an einem technischen System dafür auf dem Markt. Dennoch schenkten weitere Ausschussmitglieder dem Wohl und Wehe der Leitstellenmitarbeiter viel Aufmerksamkeit.

Hinze und von Ostrowski betonten, das Personal sei entscheidend für den Betrieb der Leitstelle. „Wir werden alle Mitarbeiter benötigen und hoffen, dass alle mitgehen“, unterstrich die Dezernentin. Sie hob hervor, dass eine Großleitstelle eine bessere Arbeitsumgebung biete und alle erdenklichen Schichtmodelle ermögliche. Überdies ergeben sich Aufstiegschancen. Und doch weiß Kreisbrandmeister Peter Dettmer von Zevener Disponenten, die sich Sorgen machen und über einen Berufswechsel nachdenken.

Dettmer brachte weitere Bedenken zum Ausdruck: Sie betreffen die georeferenzierte Alarm- und Ausrückeordnung der Feuerwehr, das Unwetterkonzept, die kommunale Einsatzleitung, Großschadenslagen, den Ausfall der Regionalleitstelle. Thomas Hinze ging darauf mit einem Versprechen für die Zeit ab Inbetriebnahme der Großleitstelle ein: „Wir werden nicht schlechter, sondern besser dastehen.“

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