TKind in Drochtersen verunglückt: Hätte der Unfall verhindert werden können?

Nach dem schweren Verkehrsunfall kümmert sich Nicole Schubert um ihren verletzten Sohn Jorin. Foto: Helfferich
Im November wurde in Barnkrug ein Junge beim Überqueren der L111 angefahren und schwer verletzt. Jetzt sprechen die Eltern über die gesundheitlichen Folgen - und den Gefahrenpunkt vor ihrer Haustür.
Barnkrug. Der Unfall ereignete sich direkt vor der Haustür. Ein sechs Jahre alter Junge war am 13. November, einem Montag, gegen 16.45 Uhr mit dem Bus aus dem Hort in Assel gekommen, stieg an der Bushaltestelle kurz vor dem Ortseingang Barnkrug aus, ging gut 200 Meter zu Fuß bis auf Höhe seines Elternhauses, sah nach links und rechts und lief los.
Sekunden später wurde Jorin von einem Auto aus Richtung Assel kommend erfasst und in die Luft geschleudert. „Er hatte Glück, dass sich die Fahrerin an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten hatte, sonst sähe er ganz anders aus“, sagt seine Mutter Nicole Schubert.
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Jorin kann ein Jahr lang keinen Sport machen
Die Verletzungen waren dennoch schlimm: Die Platzwunde an der Stirn ist inzwischen verheilt, ebenso das gebrochene Schlüsselbein links. Doch Jorins linkes Bein wird von einem Fixateur gehalten. Der Sechsjährige hatte einen komplizierten, offenen Bruch des Unterschenkels. Ein Jahr wird der Junge keinen Sport machen können.
Warum überquert ein Kind an dieser Stelle die L111? „Auf unserer Seite der Straße gibt es keinen Fußweg, nur auf der Straßenseite gegenüber“, erklärt die Mutter. Selbst wenn der Junge rund 400 Meter weiter bei der Fußgängerampel sicher die Straße quert, kommt er nicht unbedingt unversehrt bis nach Hause.
Der Fußweg in Richtung Assel endet beim Obstweg. „Ab da würde er gut 200 Meter direkt an der Straße laufen“, erklärt die 40-Jährige; und das derzeit im Dunkeln.
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Vater schrieb an die zuständige Landesbehörde
Jorins Eltern wissen, dass die Querung der Straße auf Höhe ihres Hauses problematisch ist. Seit 2020 beschwerte sich Vater Mario Schubert immer wieder bei der Polizei über Raserei vor der Haustür. Vor der Einschulung im Sommer wandte er sich an die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) und beschrieb die Situation.
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Auch wies er darauf hin, dass sich sein Grundstück nah am Ortsausgang in Richtung Assel befindet und die Autos daher recht schnell unterwegs seien. „Deshalb bitte ich Sie eindringlich, sich die Situation vor Ort anzuschauen und Maßnahmen einzuleiten, die der Verkehrsberuhigung dienen“, schrieb er.

Für Schulkinder fehlt auf der nördlichen Seite der L111 in Barnkrug ein ordentlicher Fußweg. Warnschilder können hier nur ein Appell sein. Foto: Helfferich
Eltern ergreifen Initiative
Doch nicht die Landesbehörde ist für die nördliche Seite der Landesstraße zuständig, sondern die Gemeinde Drochtersen, die bereits streckenweise dort einen Fußweg erstellt hatte.
Dort habe er mehrfach angeregt, am Ortsschild Hinweise „Achtung Kinder“ aufzustellen, so der Vater. Etwa zwei Wochen vor dem Unfall ergriff er selbst die Initiative und stellte die Schilder bei seinem Haus auf Privatgrund auf.
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„Bevor wir Jorin die Wege alleine gehen ließen, hatten wir ganz lange geübt“, erzählt die Mutter, „anfangs hatten wir ihn über die Straße gebracht, aber irgendwann wollte er es nicht mehr.“
Beide Elternteile sind berufstätig. Morgens können sie ihn über die Straße begleiten. Nachmittags versuchten sie sicherzustellen, dass entweder Vater oder Mutter oder die Mieterin zu Hause sind und Jorin im Blick haben.
Dorfentwicklung könnte bei der Lösung helfen
Die Gemeinde Drochtersen sieht den Handlungsbedarf an der Landesstraße 111. Vielleicht kann das Dorfentwicklungsprogramm „Elbstromdörfer“ bei der Lösung helfen. Bürgermeister Mike Eckhoff erklärte auf TAGEBLATT-Anfrage, dass bei den Überlegungen zur Dorfentwicklung in den Ortschaften Barnkrug, Wethe, Assel und Ritsch die Verkehrssicherheit Thema sei.
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Ansatzpunkte könnten Fahrbahneinengungen, Querungshilfen, Gestaltung der Ortseinfahrten und des Straßenseitenraums sein. „Der Fußwegebau spielt durchaus auch im Bereich des Dorfentwicklungsgebietes eine Rolle“, erklärt Eckhoff, auch würden Geschwindigkeitskontrollen unregelmäßig durchgeführt.
Die Gemeinde habe zusätzlich bei der Landesstraßenbehörde angefragt, ob in den Einfahrtsbereichen der Ortschaft Barnkrug Aufmerksamkeitsmarkierungen angebracht werden könnten. Eine Antwort stehe noch aus.
Zur Schule kann Jorin noch lange nicht
Nach Auskunft des Landkreissprechers Daniel Beneke wird es auf Einladung der Polizei ein gemeinsames Gespräch mit Polizei, Gemeinde und Straßenbaulastträger zu der Situation in Barnkrug geben.
Wegen der Zuständigkeiten für bauliche Maßnahmen bedürfe es einer Abstimmung zwischen der Gemeinde und Landesbehörde. Falls Eltern Bedenken zur Sicherheit des Schulweges haben, könnten sie über das Schulamt des Landkreises, das für die Schülerbeförderung zuständig ist, eine alternative Beförderung beantragen, so der Sprecher.
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Zur Schule kann Jorin noch lange nicht, denn das Gebäude ist nicht barrierefrei. Selbst wenn Mitte Januar der Fixateur entfernt wird, muss der Sechsjährige zunächst wieder fest auf beiden Beinen stehen. Seine Mutter hat Kinderkrankentage genommen und kümmert sich um den Sohn - vor ihrer Haustür rasen Autos.