TKlimastress im Forst: Wie Harsefelder den Wald der Zukunft pflanzen
Der Wald ist im Umbau. Von unten wachsen neue Bäume nach. Buche und Eiche im Tausch gegen Nadelgehölz ist das Ziel für den Braken, erklärt Arne Riedel. Foto: Fehlbus
Mehr Buche und Eiche, weniger Fichte. In den Landesforsten wächst schon der Wald der Zukunft. Und der muss besonders klimafest sein.
Harsefeld. Alle Berechnungen, wie sich das Klima für Niedersachsen entwickeln wird, zeigen einen Temperaturanstieg und gleichzeitig eine veränderte Niederschlagsverteilung. Starkregen und Stürme sowie mehr Trockenheit während der Vegetationsphase gehören zu den zu erwartenden Herausforderungen. Waldbau im Klimawandel ist deshalb die Überschrift, unter der die Niedersächsischen Landesforsten den Wald umbauen. Die Frage nach dem Wasser ist dabei zentral.
Wald im Landkreis Stade: Insel der Glückseligen
Das Niedersächsische Forstamt Harsefeld bewirtschaftet rund 11.500 Hektar Landeswald zwischen Elbe und Weser. Diese Fläche entspricht gut 16.000 Fußballfeldern. Während im Harz ganze Bergkuppen kahl stehen, weil Sturm und Borkenkäfer den Wald vernichtet haben, ist es im Braken oder im Rüstjer Forst schön grün. „Wir haben hier gut vorgesorgt“, sagt Forstamtsleiter Arne Riedel. Und er fügt hinzu: „Wir sind hier auf der Insel der Glückseligen.“
Genaue Zahlen zur klimatischen Wasserbilanz
Die Bäume der Landesforsten im Landkreis Stade haben fast durchweg genügend Wasser an den Wurzeln. „Das wissen wir sehr genau“, sagt Riedel und zeigt eine Karte mit vielen kleinen Zahlen. Vier große Löcher pro Hektar wurden im Zeitraum Ende der 1980er Jahre bis 2006 in den Waldflächen gegraben. Jede Bodenschicht wurde genau kartiert.
„Die Information ist jetzt Gold wert, weil wir es mit den Klimadaten verrechnen können“, sagt Arne Riedel. Berechnen lässt sich so die klimatische Wasserbilanz. Sie ist das Ergebnis der Menge des Niederschlags abzüglich Verdunstung plus der Wasserspeicherfähigkeit im Boden.

So tief wurzelt ein Baum: Oben ist die schwarze Humusbodenschicht zu sehen, darunter schluffiger Lehmboden und schließlich eine tonhaltige Lehmschicht. Foto: Fehlbus
Da sieht es im Landkreis Stade sehr gut aus. Unterhalb der Humusschicht findet sich schluffiger Lehm: Die Mischung aus Sand, Ton und Lehm ist fruchtbar und hält gut die Feuchtigkeit. „Hier gehen die Wurzeln bis tief unten“, zeigt Arne Riedel, während er in einem zwei Meter tiefen Loch steht. Eben solche Löcher wurden für die Bodenuntersuchungen gegraben.
Wetterextreme sind schon zu verzeichnen
Trotzdem gibt es Grund zur Sorge. Die Klimamodelle weisen auf mehr Extremwerte hin. „Und wir müssen gar nicht nur in die Zukunft schauen“, sagt der Forstamtsleiter. Sieben Jahre im Rückblick hat er zusammengestellt:
2017 war ein extrem nasses Jahr mit mehr als 1000 Millimeter Niederschlag im Elbe-Weser-Dreieck. Im Schnitt sind es 850 Millimeter. 2018 war dann das erste Jahr der großen Dürre. 2018/2019 blieben die Winterniederschläge weitgehend aus.
Waldzerstörung
Bericht: Waldzerstörung geht immer schneller
2019 und 2020 war die Vegetationsphase bis zum Herbst heiß und trocken. Erst 2021 konnten sich die Bodenwasserstände allmählich wieder auffüllen. Und dann kam der Sturm:
Drei Stürme in vier Tagen waren es im Februar 2022, wo es im Sommer erneut zu einer Dürre kam. Der „Ausgleich“ folgte 2023: 1150 Millimeter Niederschlag im Durchschnitt im Elbe-Weser-Dreieck. Und dann 2024 Hochwasser in ganz Norddeutschland.
Geschwächte Bäume im Überlebensmodus
Was am Ende dieser sieben Jahre genügend Wasser im Boden ergibt, hat dennoch Spuren im Wald hinterlassen. Der Borkenkäfer vernichtet vor allem die Fichten. Für die Esche als Laubbaum gibt es kaum noch Hoffnung.
Ein aus Asien eingeschleppter Pilz sorgt für das Eschentriebsterben. Schädlinge und Krankheiten können die geschwächten Bäume angreifen. Auch einige Eichen sterben. „Zwei Dürrejahre, dann geht die Eiche in den Überlebensmodus“, sagt Arne Riedel.
Forstwirtschaft
Warum in einem Harzer Wald Bäume aus aller Welt stehen
Kommen die Raupen des Eichenspinners oder des Frostspanners, wird das Laub gefressen. „Die Eiche reagiert mit dem Johannistrieb“, erklärt der Förster. Das heißt, sie treibt noch einmal im Juni neu aus. Doch das kostet Kraft. „Die Eichen schwächeln ziemlich stark“, sagt Arne Riedel.
Zu beobachten sei das beispielsweise im Braken und im Neukloster Forst. Stabil ist die Eiche am ehesten dort, wo sie feuchte Füße hat.
Neuanpflanzung der Eiche im Wald kompliziert
Die Eiche ist wertvoll für Tiere und andere Pflanzen. Auch deshalb soll sie in dem Naturschutzgebiet Braken-Harselah erhalten und neu angepflanzt werden.
Zum Wachsen braucht sie allerdings Licht, und das führt aktuell dazu, dass andere Bäume weichen müssen. „Als die Eichenwälder vor mehr als 100 Jahren entstanden sind, war das auf zuvor gerodeten Flächen“, sagt Riedel.
Bei kaum einem anderen Baum ist es so schwer, ihn nachträglich wieder im Wald zu pflanzen - erst recht im Naturschutzgebiet. Aber bei einem Blick in die Zukunft wird der „umgebaute“ Braken vor allem eins sein: ein gemischter Laubwald, ohne Nadelbäume und mit der führenden Baumart Eiche.
Die Mischung macht’s: Keine Monokulturen
Gedacht wird in vielen Jahrzehnten, nicht in Jahren. Deshalb sind auch die Berechnungen der Veränderungen und des Bodens so wertvoll: „Wir nehmen die Bäume, von denen wir wissen, dass sie die nächsten Jahrzehnte im Klimawandel am besten aushalten“, sagt Arne Riedel.
Baumbestand schrumpft weiter
Satellitendaten zeigen: 900.000 Hektar Wald verloren
Nach Waldsterben
Mischwald aus 80er Jahren im Harz entwickelt sich gut
Zu den Bäumen zählen vor allem heimische Arten. Aber auch Atlaszeder aus Marokko, die Edelkastanie aus Frankreich und die mit ihren bunten Blättern für den Indian Summer berühmte Roteiche aus Amerika gehören dazu.
„Wichtig ist immer, das Risiko zu streuen, und das heißt mischen, mischen, mischen“, sagt Riedel, während er im Rüstjer Forst unter einem hohen Blätterdach durchs Unterholz stapft.
Eine Buche wächst neben einer Weißtanne, eine Kiefer und eine Fichte schieben sich dem Licht entgegen. „Wir sind sehr weit, was die Verjüngung angeht, wir haben den alten Wald, aber wir haben unten drunter schon die Zukunft“, sagt der Leiter des Forstamts zufrieden. 80 Prozent des Waldumbaus im Bereich des Harsefelder Amts der Landesforsten sind fertig - mit Blick auf Wetter und Wasser.
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.