TKlinikreform: Was die Mediziner im Landkreis Stade kritisieren

Der Landkreis überweist dem Elbe Klinikum 2025 etwa zehn Millionen Euro für den laufenden Betrieb. Foto: Scholz
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verkündet in Berlin den neuesten Stand der Krankenhausreform. Die Reaktionen im Landkreis Stade fallen kritisch aus.
Landkreis. Zehn Millionen Euro wird der Kreis den Elbe Kliniken 2025 allein für den laufenden Betrieb zahlen. Weitere 15 Millionen Euro nimmt er für Neubau und Sanierung am Elbe Klinikum Stade in die Hand, berichtete Landrat Kai Seefried Anfang Oktober dem Kreistag. Bis ins Jahr 2032 werden Land und Landkreis etwa 300 Millionen Euro in das Krankenhaus stecken.
Laut Bundesministerium hat Deutschland mit etwa 1700 Krankenhäusern die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in Europa. Allerdings ist etwa ein Drittel der Krankenhausbetten nicht belegt, bei immens steigenden Kosten. Da ist eine Klinikreform dringend nötig. Am Dienstagnachmittag hat nun Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Reformpläne vorgestellt. Noch in diesem Jahr soll die Reform verabschiedet werden.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, spricht bei einer Pressekonferenz zu den Fortschritten bei der Krankenhausreform. Foto: Fabian Sommer/dpa
Vorhaltepauschalen statt Fallpauschalen
Das sind die geplanten Änderungen: Das überholte System der Fallpauschalen soll beendet werden, heißt es auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums. Stattdessen bekommen Kliniken Vorhaltepauschalen, als eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten. Somit bestimme künftig die Qualität und nicht mehr die Quantität die Versorgung. Parallel soll die ambulante Behandlung gestärkt werden. Durch das System der Vorhaltepauschalen erhalten Krankenhäuser die Chance, zu überleben.

Die Vertreter des Elbe Klinikums sehen die Reform kritisch. Foto: Mario Battmer
Doch so einfach scheint die Reform nicht zu sein. Grundsätzlich begrüßt Siefried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken Stade und Buxtehude, dass das System der Fallpauschalen durch eine Vorhaltefinanzierung abgelöst werden soll: „Durch das Vorhalten und Bereitstellen von Personal, einer Notaufnahme und Medizintechnik entstehen uns hohe Kosten, auch wenn diese Bereiche nicht dauerhaft ausgelastet sind.“ Das Konzept zur Vorhaltefinanzierung löse jedoch nicht das eigentliche Problem, da das System der Fallpauschalen erhalten bleibe, so Ristau. Etwa 40 Prozent der Finanzierung von Krankenhäusern werde weiterhin über fallbezogene Pauschalen erfolgen, auch die Vorhaltezahlungen seien an Fallzahlen geknüpft, also leistungsabhängig. „Von einer Entökonomisierung kann in diesem Zusammenhang deshalb leider keine Rede sein“, so der Krankenhausmanager.
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Landrat Seefried lehnt Regierungsentwurf ab
Andererseits: Aufgrund der Fachkräfteproblematik, die demografische Entwicklung und die Grenzen, an die die Sozialkassen stoßen, sei eine Veränderung unumgänglich. „Der Grundgedanke der Krankenhausreform, die mehr Ambulantisierung, Zentralisierung und Schwerpunktbildung beinhaltet, ist absolut richtig. Die Art und Weise der Umsetzung ist jedoch eine Farce“, sagt der Geschäftsführer.
Der Bundesgesundheitsminister verschließe die Augen vor der Realität, kritisiert Landrat Kai Seefried. Der Landkreis Stade ist Träger der Elbe Kliniken mit Standorten in Stade und Buxtehude. 2023/2024 stieg der Landkreis erstmals mit 15 Millionen Euro in die Finanzierung des laufenden Betriebs der Kliniken ein - eine Aufgabe, die eigentlich der Bund sicherzustellen habe. Im Entwurf des Kreishaushalts für das kommende Jahr ist nun erneut eine Liquiditätshilfe in Höhe von 10 Millionen Euro vorgesehen.
„Ich kann es nicht begreifen, dass die Bundesregierung diese Entwicklung sehenden Auges provoziert“, sagt der Landrat. Er vermisst wirksame Maßnahmen, die hier eine Entlastung bringen - etwa in Form eines vollständigen Tarif- und Inflationsausgleichs. Seefried lehnt den Regierungsentwurf für die Krankenhausreform ab.
Holm: Ohne Unterstützung zum Scheitern verurteilt
Die chronische Unterfinanzierung der Kliniken ist seit Jahren Thema. Das sieht auch Kai Holm, Gesamtbetriebsratsvorsitzender Elbe Kliniken Stade-Buxtehude und seit mehr als 40 Jahren im Betrieb, so. Er hat große Bedenken für die Übergangszeit. Inhaltlich - mit Zentralisierung von Kliniken und der Einrichtung von Versorgungszentren - sei die Krankenhausreform in Ordnung, sagt Holm. Aber für die Übergangszeit bis zur Umsetzung der Reform sei keine finanzielle Unterstützung vorgesehen. Schon jetzt fehle ein Ausgleich für Preissteigerungen und Gehaltserhöhungen; und das bei einem Jahresumsatz der Elbe Kliniken von 250 Millionen Euro. „Zehn Prozent unseres eigentlichen Budgets fehlt uns“, so Holm. Er befürchtet, dass, wenn der Gesetzgeber die finanzielle Lücke nicht schließt, viele Kliniken „unstrukturiert kaputt gehen“. Das sei eine kalte Marktbereinigung. „Ohne Anschubfinanzierung ist die Krankenhausreform zum Scheitern verurteilt.“
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Brune: Zu wenig ambulante Strukturen
Knackpunkt ist für Dr. Stephan Brune, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Stade, die Planungssicherheit. Da hinke Karl Lauterbach deutlich hinterher. Weder Kliniken noch Praxen wissen, was auf sie zukommt. Auch er sieht die hohe Krankenhaus- und Bettendichte in Deutschland. In der modernen Medizin sei es möglich, deutlich mehr ambulant zu arbeiten, als es bisher der Fall ist. Daher begrüßt er, dass man Krankenhäuser schließt und Betten abbaut.
Das große Aber: Es muss gut geplant sein. Viele Krankenhäuser müssten inzwischen durch ihre Träger gerettet werden. Keiner wisse, welche Krankenhäuser schließen und welche bleiben. „In manche Krankenhäuser wird jetzt viel Geld investiert, die vielleicht in ein, zwei Jahren gar nicht mehr dabei sind.“ Gleichzeitig müssten die ambulanten Strukturen mit den niedergelassenen Ärzten erweitert werden. Doch auch immer mehr Arztpraxen schließen, weil sie nicht mehr rentabel seien, so Brune. Die Entwicklung sei gefährlich.
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Auch Dr. Sebastian Philipp, Chefarzt der Kardiologie und Ärztlicher Direktor der Elbe Kliniken, begrüßt grundsätzlich eine Reform der Krankenhäuser und hält auch Teile von Lauterbachs Plänen für „absolut vernünftig“. Aber die Umsetzung sei eine Katastrophe, so erklärt auch er. Noch fehlten die ambulanten Räumlichkeiten und die notwendigen Strukturen. „Wir wissen nicht, was ab 1. Januar für uns gilt.“
Mit Entsetzen reagierte der Niedersächsische Landkreistag (NLT) auf die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verkündete Reform: „Egal was an Argumenten vorgetragen und Problemen geschildert wird, der Minister verkündet ungerührt seine Krankenhausreform. Für die seit 2022 aufgelaufenen Defizite gibt es weiter keinerlei Lösung zum Ausgleich von Inflation und Tarifkostensteigerungen. Das ist unerträglich und gefährdet die Krankenhausversorgung in ganz Niedersachsen“, erklärt der Präsident des NLT, Landrat Marco Prietz.