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Essbare Stadt

TKönnen bald alle in den Obstwiesen der Stadt Stade Früchte ernten?

In den Streuobstwiesen rund um Stade reifen die Äpfel.

In den Streuobstwiesen rund um Stade reifen die Äpfel. Foto: Michael Quelle

Rund um Stade gibt es viele Hektar Obstwiesen, die der Stadt gehören. Jetzt gerade sind die ersten Frühäpfel reif - und die Linken-Fraktion stellt einen Antrag: Sie will „Volksobst-Tage“ einführen, an denen alle Bürger kostenlos ernten dürfen.

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Von Anping Richter
Sonntag, 04.08.2024, 11:50 Uhr

Stade. Der Stader Michael Quelle (Linke) war letzte Woche in den Obstwiesen unterwegs und hat Äpfel gepflückt, die er jetzt morgens in sein Müsli schnippelt: „Einige sind schon reif und schmecken sehr gut.“

Viele Hektar Obstplantagen der Natur überlassen

Wie die Wiesen, auf denen sie wachsen, gehören die Äpfel der Hansestadt Stade. Die Linken-Fraktion hat auf Anfrage erfahren, dass es ehemalige Obstplantagen sind, 50 Flächen mit einer Gesamtgröße von 34 Hektar. 6 Hektar sind verpachtet. Der Rest wird der Natur überlassen.
Die pink gekennzeichneten Flächen auf der Karte sind Obstplantagen im Besitz der Stadt Stade.

Die pink gekennzeichneten Flächen auf der Karte sind Obstplantagen im Besitz der Stadt Stade. Foto: Hansestadt Stade

Natürlich entsprechen diese Äpfel nicht dem Supermarkt-Standard. Doch Schorf und der ein oder andere Wurm stören viele nicht, wenn sie dafür kostenlos unbehandeltes Obst bekommen. Die Linke-Fraktion will deshalb in Zukunft öffentliche Erntetage anbieten.

Linke in Stade beantragt „Volksobst für alle“

„Volksobst für alle“ ist der Antrag betitelt, über den am Donnerstag, 8. August, ab 17 Uhr im Ratssaal im Ausschuss für Stadtentwicklung, Klima und Umwelt beraten werden soll. Auch örtliche Umweltverbände sollen beteiligt werden, um „zu einem steigenden Bewusstsein für regionale ökologische Zusammenhänge und zu einer modernen Art von Allmende“ beizutragen, schreiben die Ratsherren Tristan Jorde und Alexander Klinger.
Einige der Flächen, zum Beispiel zwischen Altländer Viertel und Autobahn 26 oder bei Agathenburg, sind zu Fuß oder mit dem Rad leicht erreichbar.

Einige der Flächen, zum Beispiel zwischen Altländer Viertel und Autobahn 26 oder bei Agathenburg, sind zu Fuß oder mit dem Rad leicht erreichbar. Foto: Michael Quelle

Die Allmende, ein alter Begriff, bezeichnet Land, das zu einem Dorf gehört und als Gemeinschaftseigentum genutzt werden darf. Auch bei den Stader Obstwiesen ist es vorgekommen, dass Bürger und Schulen bei der Stadt fragten, ob sie das Obst pflücken dürfen, das sonst am Baum oder am Boden verrottet.

Stadtverwaltung fürchtet hohen Aufwand

Sofern die Flächen nicht verpachtet waren, sei das immer gestattet worden, sagt die Stadtverwaltung. Doch die Flächen für öffentliche Erntetage freizugeben, hält sie nicht für eine gute Idee. „Der Aufwand für Nachfragen der Bürgerinnen und Bürger wird als sehr hoch eingeschätzt“, heißt es in ihrer Stellungnahme. Dafür gebe es nicht genügend Personal.

Die meisten Flächen seien nur über schmale Feldwege erreichbar und die zum Teil nur für Anlieger freigegeben. Da sie nicht gepflegt werden, hat die Verwaltung auch Bedenken, ob die Bäume verkehrssicher sind. Zudem befänden sich viele in Landschafts- oder Naturschutzgebieten, zumindest aber in naturschutzfachlich sensiblen Bereichen.

BUND-Expertin: Obstwiesen ein Traum für die Vogelwelt

„Diese Flächen haben einen hohen ökologischen Wert“, bestätigt Sabine Washof, 2. Vorsitzende der BUND-Kreisgruppe Stade und 1. Vorsitzende des Streuobstwiesen-Bündnisses Niedersachsen. Dieser Dachverband kümmert sich um den Schutz von Streuobstwiesen und die Vernetzung ihrer Freunde und Förderer.

Genau genommen sind die Stader Obstwiesen keine echten Streuobstwiesen. Die zeichnen sich durch hochstämmige, gestreute Bäume mit unterschiedlichem Obst aus, während es hier um verwilderte, verbuschte Apfelplantagen geht. Doch Diplom-Landschaftsökologin Washof kennt einige davon gut und sagt: „Für die Vogelwelt ist das ein Traum.“

Öffentliche Erntetage könnten unter bestimmten Bedingungen sehr sinnvoll sein, findet sie. Eine davon wäre eine gute, naturschutzfachliche Begleitung. In Abstimmung mit Stadt und Naturschutzamt müssten die Flächen darauf angesehen werden, ob sie sich für eine öffentliche Ernte eignen und wann welche Sorten pflückreif sind.

Da die Ernte jenseits der Brut- und Setzzeit liegt, würden Vögel kaum gestört. Der Zugang könnte auch nur zu Fuß, mit Rad oder Bollerwagen gestattet werden. BUND und Nabu, Pomologen und Streuobstpädagogen könnten eine solche Aktion betreuen und für die Umweltbildung nutzen.

Ein Bild von einem Apfel - aufgenommen in einer brachliegenden Stader Obstplantage.

Ein Bild von einem Apfel - aufgenommen in einer brachliegenden Stader Obstplantage. Foto: Michael Quelle

Aus Washofs Sicht wäre es gut, die brachliegenden Plantagen zu pflegen. Ohne fachkundigen Schnitt seien die Bäume auf Dauer zum Tode verurteilt. Würden sie beschnitten und zwei Mal im Jahr gemäht, könnte eine artenreiche Wiesengesellschaft entstehen - ähnlich einer Streuobstwiese, die bis zu 5000 Arten beherbergen kann. Gerade ist ein neues, landesweites BUND-Projekt gestartet, das Washof leitet: „Besonders gepflegte und gestreute Räume“ heißt es und soll das Wissen über und die Pflege und Neuanlage von Streuobstwiesen fördern.

Erntetage passen gut ins Projekt Essbare Stadt

Erntetage würden auch gut in das Projekt „Essbare Stadt Stade“ passen, findet dessen Initiatorin Yvonne Mayet. Wie sie erklärt, entstand die Idee während der Klimawochen, die Stadt Stade unterstützte das. Mit viel ehrenamtlichem Engagement entstanden in Kitas und Schulen, beim Elbe Klinikum, auf dem Ankerplatz und beim Bildungshaus Hochbeete.

Die Kräuter und Gemüse stehen der Gemeinschaft zur Verfügung. Auch eine Streuobstwiese und einzelne Obstbäume in Wiepenkathen und Hahle gehören dazu. Das Wissen um und die Achtung vor Lebensmitteln sollen in den Stadtteil getragen werden und zum Mitmachen anregen, erklärt ein Sprecher der Stader Stadtverwaltung.

Ein Teller mit selbstgepflückten Äpfeln aus den Obstwiesen.

Ein Teller mit selbstgepflückten Äpfeln aus den Obstwiesen. Foto: Michael Quelle

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