TKrautsand: Mit dem Kuss-Walzer ins 90. Jahr

Jan Waller ist seit 2015 Vorsitzender der Krautsander Hafengemeinschaft, die vor 90 Jahren gegründet wurde. Foto: Helfferich
Krautsand hat seit 90 Jahren eine Hafengemeinschaft, aber keinen Hafen. Nur der Ewer Catharina zeugt davon. Gefeiert wird dennoch jedes Jahr: mit einem Ball und dem legendären Kuss-Walzer.
Krautsand. Um 1900 gab es auf Krautsand 47 Fracht-Ewer, davon 25 See-Ewer, und damit war ein Großteil der Krautsander Einwohner mit der Schifffahrt beschäftigt. Die Krautsander Mühle war durch ein Gleis direkt mit dem Hafen verbunden und erhielt so Getreide und Futtermittel per Schiff.
Auch gab es eine Ziegelei mit einer Verladestelle, ebenfalls mit Gleis zum Hafen. Auch Stallmist wurde verschifft. Denn die Krautsander Bauern mussten ihre Felder nicht düngen, das besorgten schon die regelmäßigen Überschwemmungen.
Der Krautsander Stallmist wurde an die Vierländer Bauern gewinnbringend verkauft. Und auf dem Rückweg brachten die Schipper Koks und Kohle aus Hamburg mit. So beschrieb es der Kapitän Hans-Heinrich von Rönn in seinem Buch über den Hafen.
Das Leben auf der Elbinsel war über viele Jahre von der Schifffahrt geprägt. Inzwischen gibt es den alten Hafen nicht mehr. Aber es gibt seit 90 Jahren eine Hafengemeinschaft, die Jahr für Jahr am zweiten Sonnabend im neuen Jahr ihren Hafenball feiert, so auch an diesem Sonnabend.
1952 wurde der erste Hafenball gefeiert
Bereits 1905 hatten sich 50 Krautsander Schipper zur Krautsander Hafengenossenschaft zusammengeschlossen. Sinn und Zweck war die Instandhaltung und Überwachung der immer mehr beanspruchten Krautsander Hafenanlage.
Anfänglich durften der Genossenschaft ausschließlich Schiffseigner angehören. Von denen gab es einige: Über Weihnachten, wenn die Schipper nach Hause kamen, reihten sich die Schiffe auf Reede, weil kein Platz mehr im Hafen war. Es war die Hochzeit der Krautsander Schifffahrt.
Ab 1927 wurden auch Krautsander Kaufleute und Handwerker in die Genossenschaft aufgenommen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es auf der Elbinsel rund 60 Schiffseigner, die auch das Handwerk gut beschäftigten. Zu reparieren war immer etwas.
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1935 wurde die Genossenschaft in eine Hafengemeinschaft umgewandelt, die nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals einen Hafenmeister einsetzte. Nun war ein Hafen-, Lösch- und Liegegeld fällig, das für alle Schiffe entrichtet werden musste. Auch musste ein Mitgliedsbeitrag von 15 Mark gezahlt werden. Und die Gemeinschaft spielte auch immer mehr eine gesellschaftliche Rolle: Am Neujahrsabend 1952 richtete sie ihren Hafenball aus, für den sich die Gäste fantasievoll kostümierten.
Mit der Eindeichung wurde der alte Hafen geschlossen
Doch der Hafen verlor zusehends an Bedeutung. Mit der Eindeichung Krautsands nach der Flut von 1976 verlor der Hafen seinen Zugang zur Elbe. Die Liegeplätze wucherten zu und die Streichpfähle verrotteten. Letztlich blieb vom Hafen nur noch ein kleiner Teich übrig. Stattdessen wurde am Ruthenstrom ein Industriehafen gebaut. Die Historie der Krautsander Schifffahrt wird durch die Hafengemeinschaft weitergetragen. 2013 feierte die Krautsander Dorfgemeinschaft - und mit ihr die Hafengemeinschaft - den Einzug des inzwischen rund 130 Jahre alten Elbewers Catharina im alten Hafen. Er erinnert an den ehemals florierenden Hafen.
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Geblieben ist der Hafenball. Über viele Jahre Tradition, wird er stets am zweiten Sonnabend im neuen Jahr gefeiert. Anfang der 2000er Jahre drohte das Fest einzuschlafen. Die Besucherzahlen gingen stark zurück. Schließlich starteten 2009 mehrere Krautsander die Aktion „Rettet den Hafenball“. „Sie gingen von Tür zu Tür, um die Krautsander persönlich einzuladen“, erzählt Jan Waller, der seit 2015 Vorsitzender ist. Mit Erfolg. Der Ball hat sich wieder etabliert und lockt um die 100 Gäste. Und so wird auch am 11. Januar wieder im Krutsander gefeiert. Wie jedes Jahr eröffnet der legendäre Kuss-Walzer die Tanzfläche: Drei Eröffnungstänzer suchen sich mit einem Kissen ein Gegenüber, knien sich vor ihm oder ihr nieder und vergeben einen Kuss. Der oder die Geküsste schnappt sich das Kissen und sucht einen neuen Partner oder Partnerin. So ist es Tradition.

Seit 2013 liegt der Elbewer Catharina im ehemaligen Krautsander Hafen. Er erinnert an die Hochzeit der Schifffahrt auf der Elbinsel. Foto: Helfferich