TMeisterin aus Stade ist die beste Kfz-Technikerin - und wechselt Branche

Statt Autos wartet die Kfz-Meisterin Kristina Eylmann jetzt Rettungsmittel, wie diese Taucheranzüge, der Hatecke-Tochter Marescape in Dornbusch. Foto: Susanne Helfferich
Es ist der beliebteste Beruf im Kammerbezirk: 94 Kfz-Techniker konnten in diesem Frühjahr den Meisterbrief in Händen halten. Den besten Abschluss machte Kristina Eylmann aus Hamelwörden. Doch sie hat den Beruf an den Nagel gehängt.
Wischhafen. Die 30-jährige Kristina Eylmann kam über Umwege in die Autowerkstatt. Nach Realschulabschluss und Fachoberschule Sozialpädagogik wollte sie zunächst in den öffentlichen Dienst, als Fachangestellte für Bibliotheken und begann ihre Ausbildung in der Stader Stadtbibliothek.
„Ich lese viel in meiner Freizeit“, erklärt sie. Doch nach einem Jahr merkte sie: Das reicht nicht als Motivation. „Ich wollte etwas Handwerkliches machen.“
Im Freundeskreises hatten viele Männer an ihren Autos rumgeschraubt. Sie mittendrin. Es interessierte sie, was die Jungs da so machten.
Ohne weiteres konnte sie mitreden. Schließlich ist sie auf einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, den ihre Eltern im Nebenerwerb bewirtschaften. „Da mussten wir öfter mal an alten Landmaschinen herumschrauben. Ich wusste sehr früh, wie man eine Zündkerze wechselt.“
Kein Kfz-Job für Frauen in Sicht
Sie bewarb sich erfolgreich beim Autohaus Meyer in Wischhafen und ließ sich drei Jahre zur Kfz-Mechatronikerin ausbilden. „Das ist ein toller Lehrbetrieb, mit sehr engagierten Leuten“, sagt sie. 2017 war sie mit der Ausbildung fertig, doch leider konnte sie nicht übernommen werden.
Als Kristina Eylmann sich mit ihrem guten Zeugnis bei anderen Kfz-Betrieben als Mechatronikerin bewarb, spürte sie erstmals als Frau Diskriminierung: „Die redeten immer drumrum, warum sie mich nicht nehmen könnten; führten fehlende Sanitäranlagen an oder drucksten rum.“
Kristina Eylmann bewirbt sich letztendlich auf einen Bürojob
Schließlich bewarb sie sich auf die Stelle als Kfz-Serviceassistentin im Stader Autohaus Reeder; eigentlich ein Bürojob. Interessanter wäre für Eylmann das Berufsbild des Kfz-Serviceberaters gewesen, dann wäre mehr ihr handwerkliches Knowhow gefragt gewesen. „Doch dafür hätte ich den Meister gebraucht.“
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Abends und am Wochenende besucht sie die Meisterschule
Nach viereinhalb Jahren entschloss sie sich, den Schritt zu wagen: Gemeinsam mit einem Gesellen ihres früheren Arbeitgebers besuchte sie zweieinhalb Jahre berufsbegleitend freitagsabends und an Sonnabenden die Meisterschule bei der Handwerkskammer in Stade.
Es sei hart gewesen, auch wegen der Coronapandemie, aber letztlich habe sich der Kraftakt gelohnt. „Aufgeben war nie eine Option“, so Eylmann. Das Positive: Ihr Arbeitgeber Reeder habe sie sehr unterstützt und ihre Entscheidung nie angezweifelt. Das Ergebnis der Meisterprüfung spricht für sich; auch dass sie seither als freie Dozentin an der Meisterschule arbeitet.

Kristina Eylmann hat die Meisterausbildung zur Kraftfahrzeugtechnikerin mit Bravour abgeschlossen. Unter 94 Meisterschülern der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade schloss sie am besten ab. Foto: Kristina Eylmann
30-Jährige hat 90 männliche Meisterschüler ausgestochen
Bereits im Februar vergangenen Jahres hatte sie die Meisterprüfung mit Bravour bestanden. Die Feier war erst Ende April, für alle Gewerke. 506 Meisterinnen und Meister aus 19 Gewerken in der Braunschweiger Volkswagen Halle hatte die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade geehrt.
Das zahlenmäßig stärkste Gewerk bildete das Kraftfahrzeugtechnikerhandwerk mit 94 neuen Meisterinnen und Meistern. Nur vier davon sind Frauen und eine, Kristina Eylmann, ist die Beste von allen. Als sie dafür geehrt wurde, hatte sie schon die Branche gewechselt.
„Es ist nicht leicht für Frauen im Kfz-Servicebereich“
„Es ist nicht leicht für Frauen im Kfz-Servicebereich“, sagt Kristina Eylmann, „egal wie gut man ist, wie engagiert, immer wieder wird die Kompetenz in Frage gestellt.“ Nicht von Kollegen, sondern von Kunden.
Mit ihnen hatte sie als Mechatronikerin in der Werkstatt kaum Berührung, umso mehr bei der Fahrzeugannahme. „Da musste ich mich immer wieder durchsetzen. Frauen werden immer wieder nicht für voll genommen, müssen sich beweisen.“
Kfz-Mechatroniker und Kfz-Techniker seien tolle Berufe, „ich will den Beruf der Serviceassistentin nicht schlecht reden, aber zur Gleichberechtigung ist es noch ein weiter Weg.“
Jetzt arbeitet sie bei Marescape in Dornbusch
Diese Missachtung habe sie sehr belastet. Als sie Anfang des Jahres bei Marescape in Dornbusch auf einem Plakat las, dass das Unternehmen einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin suchte, bewarb sie sich, wurde gleich zum Gespräch eingeladen und eingestellt.
Dort arbeitet sie jetzt im Senior specialist for Service Field Management. Sie koordiniert die Wartungsarbeiten der Rettungsmittel, wie Kompressoren, Motoren in Rettungsbooten, Kräne und Davits (Aussetzvorrichtung für Boote).
„Ich kann also auch hier hin und wieder meine Latzhose anziehen“, sagt sie. Der neue Job im jungen Unternehmen macht ihr Spaß. „Meine Kompetenz wurde noch hier nie in Frage gestellt“, sagt sie.
Wenn sie mehr Motoröl riechen will, hat sie ihren fast 20 Jahre alten Lupo. Bei 385.000 Kilometern Fahrleistung gibt‘s da immer mal was zu schrauben.