TKult-Kneipe „Zur Möwe“: Hier saß schon Uwe Seeler am Tresen

Heimatgefühle am Tresen: Halina Laws (li.) mit Lebensgefährte Bert Becker und Mitarbeiterin Susanne Bastin in ihrer Gaststube „Zur Möwe“ im Fischereihafen. Foto: ls
Sie ist Wirtin mit Leib und Seele: Vor 48 Jahren zog Halina Laws aus Polen nach Deutschland. Hier fand sie eine neue Heimat. Heute führt die 70-Jährige noch immer erfolgreich eine Kneipe. Auch Prominente waren regelmäßig zu Gast.
Bremerhaven. Vor 48 Jahren kam Halina Laws nach Deutschland - der Liebe wegen. „Bremerhaven ist mittlerweile meine Heimat“, sagt die 70-Jährige, die in Schlesien aufgewachsen ist. „Ich fand es hier vom ersten Augenblick an großartig. Ich liebe die Nähe zum Wasser und auch die Menschen“, schwärmt Halina Laws. Sie weiß: „Viele meiner Landsleute, die in Deutschland gelebt und gearbeitet haben, gehen als Rentner zurück nach Polen“ - zurück zu den Wurzeln. „Ich nicht. Meine Heimat ist jetzt hier.“
„Sie haben mich mit offenen Armen empfangen“
Warum sie sich in Bremerhaven so wohlfühlt? Da muss Halina Laws nicht lange überlegen: „Die Menschen sind toll. Sie haben mich mit offenen Armen empfangen.“ Und das, obwohl sie anfangs kein Wort Deutsch sprach. Gelernt hat sie die Sprache unter anderem vom damals zwölfjährigen Sohn ihres inzwischen verstorbenen Mannes. „Ich habe ihn mit großgezogen“, sagt sie, und schwärmt von ihrem „lieben Jungen“, der vor vielen Jahren in die USA ausgewandert ist. Vor seiner Auswanderung machte er ihr ein Geschenk, das ihr Leben bis heute prägt: die Kneipe „Zur Möwe“
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Die kleine Traditionsgaststube, die 1946 eröffnet wurde, liegt mitten im Herzen des Fischereihafens, an der Packhalle IX. Vor 36 Jahren, nach dem Tod ihres damaligen Mannes, übernahm Halina Laws die Kneipe. Seitdem ist sie mit Leib und Seele Wirtin. Seit der Auswanderung des „lieben Jungen“, ihres Stiefsohns, gehört die Kneipe auch auf dem Papier ihr.
Hier sitzen Geschäftsführer neben Fernfahrern
„Wir sind hier eine große internationale Familie“, sagt Halina Laws. Am Tresen sitzen Geschäftsführer der Betriebe aus dem Fischereihafen neben Fernfahrern aus aller Welt. „Unser Gasthaus besuchen Menschen aus allen Schichten, Ländern und Berufen“, schwärmt Halina Laws. Die Stammgäste kommen regelmäßig zum Klönen und Schnacken vorbei: „Wir haben ein sehr persönliches Verhältnis zu unseren Gästen.“ Die Wirtin hört von freudigen Ereignissen, hat aber auch ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte ihrer Gäste.
„Meine Landsleute freuen sich besonders, hier Polnisch sprechen zu können“, sagt Halina Laws und denkt dabei an zahlreiche Fernfahrer aus Polen, die bei ihr immer gerne einen Zwischenstopp einlegen. Auch ihr selbst ist es wichtig, regelmäßig ihre Muttersprache zu sprechen und zu hören: „Dann schlägt mein Herz höher“, sagt die gebürtige Polin, die auch als Dolmetscherin für Polizei, Zoll und bei Gericht übersetzt.
Piroggen und Bigos dürfen nicht fehlen
„Ich spreche mit meinen Gästen auch oft über Polen.“ Dann erzählt sie von dem kleinen Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, von den polnischen Traditionen und dem Essen. Besonders gerne isst sie Piroggen - Teigtaschen, die mit Kraut und Pilzen, Fleisch oder Käse gefüllt sind. Auch das polnische Nationalgericht Bigos, eine Art Eintopf aus Kohl und verschiedenen Fleischsorten kocht sie gerne. „Ich freue mich, dass es hier polnische Lebensmittelgeschäfte gibt, in denen ich alles bekomme.“
An den Feiertagen wird sie melancholisch
Einige ihrer Gäste werden von Halina Laws Erzählungen so beeindruckt, dass sie in ihrem Urlaub nach Polen fahren. So mancher schickt sogar eine Postkarte: „Wenn unsere Gäste zurückkommen, haben sie viel zu erzählen, bringen auch immer Fotos mit.“ Dann wird sie stets ein wenig melancholisch. Richtig sentimental wird sie an Feiertagen: „Dann vermisse ich meine Schwestern und meine Nichten:“
Vor zwei Jahren war sie das letzte Mal in Polen: „Da hatte ich schon ziemliches Herzklopfen. Das hätte ich nicht gedacht.“ Die Zeit habe sie sehr genossen: „Aber dann war ich auch froh, als ich wieder nach Hause, nach Bremerhaven, gekommen bin.“
Uwe Seeler und Max Lorenz zu Gast
In den vergangenen Jahrzehnten konnte Halina Laws in der Kneipe auch zahlreiche Promis begrüßen. Darunter die früheren Fußballnationalspieler Uwe Seeler, Horst-Dieter Höttges und Max Lorenz, aber auch die Schauspielerinnen Hildegard und Lotti Krekel. „Sie kamen nicht nur einmal, sondern immer wieder“ - und fügten sich problemlos in die „Kneipenfamilie“ ein. Das macht die Wirtin stolz und glücklich.

In ihrer Kneipe begrüßte Halina Laws (von links) regelmäßig prominenten Besuch, etwa Uwe Seeler und Max Lorenz. Foto: ls
In der „Möwe“ hat Halina Laws auch ihren jetzigen Lebensgefährten kennengelernt: Bert Becker kam als Gast in ihrer Kneipe, unterstützte sie später während einer Krankheitsphase bei Erledigungen: „Da haben wir uns dann richtig kennengelernt“. Er ist gebürtiger Bremerhavener, hat aber auch schon mal sechs Jahre in Wiesbaden gelebt: „Ich finde es hier aber deutlich gemütlicher.“
Nach Feierabend geht es einmal quer durch die Stadt nach Speckenbüttel: „Ich wohne ganz in der Nähe des Parks. Ein Traum“, sagt Halina Laws. Wenn sie den Kopf freibekommen möchte, geht sie dort oder noch lieber am Deich spazieren. „Und ich mache auch gerne mal eine Tour mit einem Schiff.“ Aber schon bald zieht es sie wieder zurück in ihre Kneipe. Zu ihrer großen Familie.