TWohl kleinste Tankstelle in der Region schließt nach 20 Jahren
Wer zusammen auf 16 Quadratmetern arbeitet, muss sich gut verstehen. Vera und Bodo Walle ist das zwei Jahrzehnte gelungen. Foto: Brinkmann
Zwei Jahrzehnte war es ihr zweites Zuhause, nun ist Schluss: Zusammen mit ihrem Mann Bodo hat Vera Walle 20 Jahre lang eine der wohl kleinsten Tankstellen in der Region betrieben. Eine Geschichte von verärgerten Kunden und glücklichen Lottogewinnern.
Bremervörde. Die Regale sind schon seit einigen Tagen so gut wie leer, die letzten Zigaretten-Packungen verkauft, im kleinen Kühlschrank stehen noch wenige Getränkedosen. Die letzte Inventur in ihrem 16 Quadratmeter kleinen Domizil haben Vera und Bodo Walle bereits gemacht. Dort haben sie in den vergangenen 20 Jahren ihren Lebensunterhalt verdient. Und wer auf so kleinem Raum arbeitet, muss sich schon ziemlich gut verstehen. „Aber natürlich haben wir uns auch mal gezofft“, sagen beide.
Jetzt sind beide 65 und wollen gemeinsam in Rente gehen. Vera Walle nach drei Jahrzehnten Selbstständigkeit, ihr Mann als ihr Angestellter. „Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt“, sagen die Eheleute, die in der langen Zeit keinen gemeinsamen Urlaub gemacht haben. Einzige Ausnahme war vor Jahren ein Kurzbesuch in der Weihnachtszeit bei Tochter Sabrina (40) in Dubai, die im Wüstenstaat lange als Tierpflegerin gearbeitet hat. Mehr war nicht drin, denn ihre Tankstelle ist von montags bis sonnabends geöffnet; zwölf Stunden täglich, bis vor einigen Jahren sogar von 6.30 bis 22 Uhr.
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80 Prozent waren Stammkunden
Reich seien sie nicht geworden, aber immer über die Runden gekommen, „und in den besten Zeiten haben wir hier auch gut verdient“, erzählt Bodo Walle. Vier Millionen Liter Kraftstoff pro Jahr seien zu Spitzenzeiten aus den Zapfsäulen geflossen. Heute ist das deutlich weniger. Die Provision gibt es aber weiterhin als festgelegten Anteil pro verkauftem Liter, abgekoppelt vom Preis, den in ihrem Fall der Mineralölkonzern Q1 festlegt. „Wir haben also keinen Pfennig oder Cent mehr verdient, wenn das Benzin teuer war“, erklärt Vera Walle. Manchen Ärger der Kunden über hohe Preise mussten sie sich früher aber sehr wohl anhören. Mittlerweile sei das anders, weil die meisten wüssten, dass nicht der Tankwart die Preise macht.
Apropos Kunden. 80 Prozent seien Stammkunden. „Und für mich sind sie nicht meine Kunden, sondern meine Freunde“, sagt Vera Walle. Und so hat sie es auch auf ein kleines Dankeschön-Schild geschrieben, das am Tresen angebracht ist. In ihrem Berufsleben war die gelernte Zahnarzthelferin nicht nur Tankwartin, sondern oftmals auch Therapeutin, Psychologin oder Eheberaterin. „Uns haben im Laufe der Jahre so viele Menschen ihr Herz ausgeschüttet. Wir haben von vielen sehr viel ganz Privates gehört. Da muss man mit umgehen können“, sagt das Ehepaar, das seit 43 Jahren verheiratet ist.

Die Mini-Tankstelle im Bremervörder Gewerbegebiet. Foto: Brinkmann
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Ganz genau erinnern sich die Walles noch an einen von glücklicherweise sehr wenigen Einbrüchen, als nachts die Scheibe eingeschlagen wurde und sie im Wohnhaus alarmiert wurden. „Da mussten wir dann in der Tankstelle übernachten und bis zum Morgen auf den Glaser warten“, erzählt Vera Walle. Mit „Tankprellern“ hatten sie in 20 Jahren nur selten zu tun, und „Gott sei Dank sind wir nie überfallen worden“.
Die schönsten Erinnerungen verbinden beide mit ihrem zweiten Gewerbe als Lotto-Annahmestelle. „Einmal hat hier ein junger Mann 77.777 Euro beim Spiel 77 gewonnen. Er kam dann ein paar Tage später überglücklich zu uns und bedankte sich mit dem Satz: ‚Ihr seid die beste Tankstelle der Welt‘“, berichten Vera und Bodo Walle, die heute um 20 Uhr zum letzten Mal die Kasse zählen und sich auf den neuen Lebensabschnitt freuen.