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Projekt Landgang

TLandkreis will jungen Medizinern Landmedizin schmackhaft machen

Zur Begrüßung gab es einen Sack voll Informationen: Emma Scibbe, Vanessa Hentze, Marvin Marquardt und Sophie K. (von links) haben ihre Praktika im Landkreis gestartet.

Zur Begrüßung gab es einen Sack voll Informationen: Emma Scibbe, Vanessa Hentze, Marvin Marquardt und Sophie K. (von links) haben ihre Praktika im Landkreis gestartet. Foto: Buchmann

Um den Ärztemangel langfristig zu bekämpfen, wollen Kommunen und Landkreis bei Medizin-Studenten punkten. Was die vier Studenten an ihrem ersten Tag überrascht hat.

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Von Steffen Buchmann
Montag, 16.06.2025, 09:46 Uhr

Horneburg. Immer weniger Hausärzte müssen immer mehr Menschen im Landkreis Stade versorgen. Mit dem Projekt Landgang wollen Landkreis und Kommunen langfristig gegen den Landarzt-Schwund ankämpfen, indem sie junge Medizin-Studenten in die Region lotsen.

Seit letzter Woche erleben vier Studenten der Medizinischen Hochschule Hannover den Hausarzt-Alltag in der Region hautnah. Emma Scibbe aus Weye bei Bremen (25), Vanessa Hentze aus Stuttgart (24), Sophie K. aus Hannover (25) und Marvin Marquardt aus Bremerhaven (29) legen aktuell ihr zweiwöchiges Blockpraktikum in vier Lehrpraxen im Landkreis ab.

Keine typischen Ärzte-Familien mehr

„Sie alle sind heiß begehrt“, begrüßt Samtgemeindebürgermeister Knut Willenbockel die vier Studenten im Horneburger Rathaus, wo sie ebenfalls Vertreter aus Stade, Buxtehude und Jork erwarteten. Beim ersten Kennenlernen fällt auf: Keiner der Studenten kommt aus einer klassischen Ärzte-Familie. Hentze und Scibbe fanden als Schulsanitäterinnen ihr Interesse an der Medizin, Kruszona über ein Praktikum in der Unfallchirurgie. „Ich hatte viele Krankenpfleger in der Familie“, sagt Marvin Marquardt auf die Frage, woher sein medizinisches Interesse kommt.

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Alle vier seien gespannt auf die Erfahrungen, die sie in ihren Lehrpraxen machen werden. Marvin Marquardt ist die nächsten zwei Wochen bei Dr. Susan Schütt in Horneburg untergebracht, Emma Scibbe in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Matthias Wischner und Andreas Scheiter in Stade. Vanessa Hentze verstärkt das Team von Dr. Jan Sulzer in Jork, Sophie K. schaut in Buxtehude Dr. Beate Rothe und Linda Kilic über die Schulter.

Kommunen und Landkreis investieren langfristig

Das Projekt Landgang ist eine 2017 gestartete Initiative des Gesundheitsnetzwerks Elbe, in dem verschiedene Kooperationspartner wie etwa der Landkreis Stade, die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, die IHK Stade oder die Elbe Kliniken mitwirken.

Die Studenten bekommen Unterkünfte gestellt, zudem erhalten sie Verpflegungspauschalen, Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und eine kleine Begrüßungstasche der Kommune. „Wir wollen so ein attraktives Angebot für junge Menschen schaffen, zu uns in den Landkreis zu kommen“, sagt Projektleiterin Iris Fitze. Das Projekt habe jährlich rund 50.000 Euro als Budget zur Verfügung, anteilig bereitgestellt von den Kommunen und dem Landkreis.

Projekt will Vorurteile abbauen

Im Landkreis Stade befindet sich die ärztliche Versorgung seit Jahren im Sinkflug. Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen beträgt der Versorgungsgrad für das Mittelgebiet Buxtehude aktuell 83,5 Prozent (49 Hausärzte für 101.204 Einwohner). In Stade hat er sich von 93,3 Prozent in 2023 auf aktuell 86,1 Prozent verschlechtert (57,75 Hausärzte für 110.253 Einwohner). Grund seien viele Ruheständler und fehlende Nachfolger. Unter 75 Prozent spricht man von einer Unterversorgung.

Gudrun Kelch (links) übergiebt ein Begrüßungsgeschenk der Gemeinde Jork an die Medizin-Studentin Vanessa Hentze.

Gudrun Kelch (links) übergiebt ein Begrüßungsgeschenk der Gemeinde Jork an die Medizin-Studentin Vanessa Hentze. Foto: Buchmann

Sofortige Abhilfe für den Ärztemangel kann das Projekt Landgang nicht leisten. „Nachdem die Studenten bei uns ihr Blockpraktikum oder ihre Famulatur abgelegt haben, liegen meist noch mehrere Jahre Studium und Facharztausbildung vor ihnen“, sagt Iris Fitze. Trotzdem trage das Projekt langsam Früchte. „Wir haben außer in Drochtersen in allen Kommunen Lehrpraxen“, sagt Fitze. Allein in diesem Jahr hätten bereits 23 Studenten den Landkreis besucht, zu Projektbeginn 2017 waren es noch zwei.

Ihr erster Arbeitstag hat die vier Studenten bereits positiv überrascht. „Die Praxis ist sehr modern ausgestattet, fast besser als in der Großstadt“, sagt Vanessa Hentze. Sophie K. habe die Größe der Behandlungszimmer überrascht, bei Marvin Marquardt das ärztliche Wissen über ganze Familien aus dem Ort. Ein Indiz für ein weiteres Ziel, das Fitze mit dem Projekt Landgang verfolgt: „Wir wollen Vorurteile gegenüber der Allgemeinmedizin auf dem Land abbauen“.

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