TLandwirte stellen Betrieb um: Algenzucht anstatt Schweinemast
Im Gewächshaus ist es warm und hell, daher vermehren sich die Algen in den langen ovalen und flachen Becken schnell. Foto: Hennings
Vor einigen Jahren stellte Familie Heins aus Rockstedt fest, dass die Aussichten als Landwirte nicht rosig sind und suchte nach neuen Ideen. Heute produzieren sie im Gewächshaus anstatt im Schweinestall und sehen darin ihre Zukunft.
Rockstedt. Der Haupterwerb des landwirtschaftlichen Betriebs in Rockstedt lag in der Schweinemast. Die Kinder der Familie wurden größer und Sohn Maarten sah seine Berufung ebenfalls in der Landwirtschaft. „Für zwei Familien ist der Betrieb zu klein“, erzählt der junge Landwirt. Das alte Muster „wachsen oder weichen“ wollte Familie Heins nicht akzeptieren. Neue Ideen mussten her.
Vor über zehn Jahren wurde Vater Johannes auf Algen aufmerksam. Algen gewinnen eine immer größere Bedeutung in der Ernährung, sind mild im Geschmack und reich an Nährstoffen.
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Der Landwirt fand das Thema spannend und arbeitete sich immer tiefer in die Materie. Möglichkeiten, sich an Algenproduktionen zu orientieren, gab es damals kaum. Sicher war nur, dass der Landwirt im Algenanbau großes Potenzial sah.
Durch intensive Tüftelei die Produktion immer weiter verbessert
2016 ging es los. Familie Heins kaufte ein 2500 Quadratmeter großes Gewächshaus gebraucht in den Niederlanden und baute es in Rockstedt wieder auf. Auf dem festgestampften Sandboden wurden niedrige Beckenränder aus Edelstahl aufgestellt und mit einer Folie ausgeschlagen.

Mit einem Schaufelrad wird das Algenwasser in Bewegung gehalten. Foto: Hennings
Die Becken waren anfangs eckig, allerdings zeigte sich, dass die Ecken die gleichmäßige Bewegung erschwerten, die es für die Vermehrung der Algen braucht. So wandelte sich die Form zu langen, ovalen Becken, in denen das Algenwasser in ständiger Bewegung ist. Angetrieben durch jeweils zwei Schaufelräder.
Die Blaualge erweist sich als deutlich unkomplizierter
Die ersten Versuche starteten die Landwirte mit der einzelligen Mikroalge Clorella vulgaris. Allerdings erwies sie sich schnell als zu anspruchsvoll. Die Temperatur muss stimmen und sie ist so klein, dass es spezielle Filter braucht, um sie zu ernten, erzählt Maarten Heins. So kam Familie Heins auf die Spirulina.
Diese Blaualge ist viel einfacher zu kultivieren und vermehrt sich munter bei rund 35 Grad Wassertemperatur. „Bei hohen Außentemperaturen ernten wir jeden Tag. Ist es kälter, dauert es etwas länger, bis es so weit ist“, erklärt Maarten Heins beim Gang durch die Produktionsanlage. An diesem sonnigen Tag zeigt das Thermometer im Gewächshaus mollig warme 44 Grad an.
Eine Fußbodenheizung sorgt dafür, dass große Temperaturschwankungen ausbleiben. Die Wärme kommt aus der benachbarten Biogasanlage.
Bei der Ernte sind ein Drittel des Beckeninhalts Algen
Aber wann ist das Wasser so mit Algen gesättigt, dass es Zeit wird, sie zu ernten? Maarten Heins schöpft mit einem kleinen Becher etwas von der grünen Flüssigkeit aus einem der Becken und lässt sie in seine Hand fließen. „Das Wasser fühlt sich etwas seifig an, ist also schon gut angereichert mit Spirulinaalgen.“

Maarten Heins kontrolliert die Algendichte. Foto: Hennings
Durch eine Trommel werden rund 5000 Liter Algen aus einem Becken herausgefiltert und noch einmal mit klarem Wasser gespült. „Das senkt den pH-Wert und verbessert den Geschmack“, erklärt Marten Heins.
Eine Vakuumpumpe entzieht der Masse schließlich das letzte Wasser. Sie ist jetzt streichfest, erinnert ein wenig an Leberwurst und kann zu langen Spaghetti geformt werden, erklärt der Algenbauer.
Langsame Trocknung bewahrt alle Inhaltsstoffe
In einem Trocknungsschrank wird den Algenspaghetti circa 18 Stunden lang auch der letzte Tropfen Feuchtigkeit entzogen. Bei dieser Art der Trocknung bleiben alle Inhaltsstoffe erhalten und es sorgt auch für einen guten Geschmack.
„In den üblichen Verfahren wird die Spirulina unter hohem Druck und mit hoher Temperatur in kürzester Zeit getrocknet, aber das lässt die Alge etwas muffig schmecken, weil die Zelle dabei zerstört wird. Daher bevorzugen wir die langsame Trocknung“, betont Maarten Heins.

Zu langen dünnen Würsten gepresst, trocknen die Spirulinaalgen. Foto: Hennings
Die Spirulinaalge ist nach einer letzten mikrobiologischen Prüfung bereit, zu Streusel oder Pulver verarbeitet, luftdicht und lichtgeschützt verpackt zu werden und als nährstoffreiches Nahrungsergänzungsmittel zum Verbraucher zu kommen.
Die Herausforderung ist die Suche nach Vertriebswegen
Auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel hat sich mit den JoMaa-Algen aus Rockstedt eine Chance ergeben. „Als wir vor fünf Jahren angefangen haben, die Spirulinaalge zu produzieren, hat es ungefähr 18 Monate gedauert, bis wir die von uns angestrebte Lebensmittelqualität liefern konnten“, erinnert sich Maarten Heins.

Das gesättigte Algenwasser fühlt sich etwas schmierig an, informiert Maarten Heins. Foto: Hennings
Und dann kam die eigentliche Herausforderung, die Vermarktung. Für die Algenbauern war schnell klar, dass sie ihre Produkte selber vertreiben. Zugutekamen dem Familienunternehmen die Erfahrungen mit einem Lebensmittel-Lieferservice, den Maarten Heins und sein Bruder schon aufgezogen hatten.
Einen Firmennamen und eine umweltschonende Verpackung finden, Werbung konzipieren, den Vertrieb aufbauen, neue Ideen entwickeln – Der deutsche Algenmarkt ist noch klein und für die JoMaa eine große Spielwiese, die Spaß macht. „Unser Algengeschäft ist gut angelaufen und ich mache mir keine Sorgen um unsere Zukunft.“
Rezept für Grüne Waffeln
Zutaten
150 g Zucker
250 g zimmerwarme Margarine
5 Eier
1 Päckchen Vanillezucker
500 g Mehl
500 ml Milch
1/2 Päckchen Backpulver
4 Teelöffel Spirulina Pulver
Zubereitung
Alle Zutaten zu einem glatten Teig verarbeiten und Waffeln backen.