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Handwerk

TLaura Ehlert ist Reetdachdeckerin – und will Meisterin werden

Ein gutes Gleichgewichtsgefühl ist auf dem Dach angesagt. Aber vor allem sollte man schwindelfrei sein, weiß Laura Ehlert.

Ein gutes Gleichgewichtsgefühl ist auf dem Dach angesagt. Aber vor allem sollte man schwindelfrei sein, weiß Laura Ehlert. Foto: Matthiesen

„Fit und schwindelfrei“ zu sein, das sind laut Laura Ehlert aus Vierden Grundvoraussetzungen für ihren Beruf. Sie ist eine der wenigen Reetdachdeckerinnen Norddeutschlands.

Von Ernst Matthiesen Montag, 21.07.2025, 13:50 Uhr

Sittensen. „Studieren wollte ich nicht, das war mir von Anfang an klar. Mir gefiel, was mit Sport oder Ernährung zu machen oder Dachdeckerin zu werden. Dann habe ich mich für die Arbeit mit dem Reet entschieden“, erzählt Laura Ehlert.

Nach der Fachhochschulreife trat die heute 23-Jährige deshalb eine Dachdeckerlehre an und spezialisierte sich schließlich auf Reet.

„Fit und schwindelfrei sollte man für den Job schon sein, auch ein gutes Gleichgewichtsgefühl ist nicht schlecht“, erläutert Laura Ehlert, die in ihrer Freizeit Prellball bei der Frauenmannschaft des MTV Wohnste spielt.

Auf der Baustelle wird jeder gleich behandelt

Ihren Vater hat der Sinneswandel bei der Berufswahl gefreut, denn damit ist die Nachfolge der Reetdachdeckerei aus Vierden gesichert, die Lauras Großvater aufgebaut hat.

Laura Ehlert aus Vierden hat ihren Traumjob gefunden. Als Reetdachdeckerin steigt sie den Leuten gern aufs Dach.

Laura Ehlert aus Vierden hat ihren Traumjob gefunden. Als Reetdachdeckerin steigt sie den Leuten gern aufs Dach. Foto: Matthiesen

„Reet zur Bedachung begeistert mich immer mehr. Es ist nicht nur ein natürlicher Werkstoff, sondern hat auch hervorragende Isoliereigenschaften. Die Menschen wussten eben schon früher, was gut ist“, betont die junge Dachdeckerin.

Mittlerweile ist sie Gesellin und arbeitet im Betrieb ihres Vaters. Auf der Baustelle wird sie von den Mitarbeitern nicht geschont, muss anpacken wie alle anderen - auch wenn sie später die Chefin sein wird.

„Nur beim Hochwerfen der Reetbündel drücken wir mal ein Auge zu - nicht weil sie die Tochter vom Chef ist, sondern weil sie einfach nicht die nötige Kraft dafür hat“, lacht Tim Norden.

Die Reetbündel werden auf das Dach geworfen, beim Dachdecken mit den Naturprodukt ist noch viel Handarbeit gefragt.

Die Reetbündel werden auf das Dach geworfen, beim Dachdecken mit den Naturprodukt ist noch viel Handarbeit gefragt. Foto: Matthiesen

Der 42-Jährige ist schon lange dabei und freut sich, dass Laura Ehlert den Betrieb übernehmen will. Denn tatsächlich herrscht in der Branche nicht nur Personalmangel; viele Firmen hören auch deshalb auf, weil sie keinen Nachfolger finden.

Alleinstellungsmerkmal im Landkreis

Der Vierdener Betrieb hat im Landkreis Rotenburg allerdings ein Alleinstellungsmerkmal, zumal er sich auf historische und denkmalgeschützte Häuser spezialisiert hat.

„Dafür braucht man nicht nur ein gutes Auge, sondern auch viel Erfahrung. Denn wir legen das Reet eben nicht einfach auf, sondern klopfen es erst in die richtige Lage, um es anschließend auf den Dachlatten mit VA-Draht festzunähen“, erklärt die 23-Jährige.

Im Sommer fangen Laura und ihre Kollegen eine Stunde früher an, sonst wird es zu heiß auf der Baustelle - denn Schatten gibt es beim Dachdecken nicht.

Im Sommer fangen Laura und ihre Kollegen eine Stunde früher an, sonst wird es zu heiß auf der Baustelle - denn Schatten gibt es beim Dachdecken nicht. Foto: Matthiesen

„Wir verarbeiten meist nur denkmalgeprüftes Reet. Um das Zertifikat zu bekommen, wird jede Lieferung untersucht, ob diese die Auszeichnung auch verdient“, ergänzt Kollege Tim Norden.

„Das ist wichtig, damit die Bauherren Fördermittel beantragen können. Schließlich kostet ein neues Reetdach um die 100.000 Euro“, so der Zimmermannsmeister der Reetdachdeckerei.

Da der Betrieb nach den Maßgaben der Denkmalpflege arbeitet, kommen die Nachfragen mittlerweile nicht mehr nur aus Niedersachsen, sondern auch aus Schleswig-Holstein, Bremen und Nordrhein-Westfalen.

Eine Frau unter den Mitarbeitern

Zwölf Mitarbeiter beschäftigt die Reetdachdeckerei in Vierden, darunter ist Laura Ehlert die einzige Frau. „Das ist nichts Ungewöhnliches, denn Frauen gibt es bei den Dachdeckern nur wenige. So war ich auch in meiner Berufsschulklasse der einzige weibliche Lehrling“, erinnert sich die 23-Jährige.

Aber frauenfeindliche Sprüche auf der Baustelle gehören der Vergangenheit an, darüber freut sie sich. „Wenn dann doch welche fallen, kommen sie meist von Passanten, aber nie von Kollegen“, betont Laura Ehlert.

Noch will sie ein paar Jahre als Gesellin arbeiten, doch es ist für die Vierdenerin klar, dass sie dann die Meisterprüfung macht - schließlich will sie den Betrieb übernehmen und den Dachdecker-Nachwuchs ausbilden.

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