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Insolvenz

TLeere Flure und Tränen im Johannisheim – Pflegekräfte abgeworben

Das Johannisheim ist insolvent und stellt den Betrieb ein. Bis Donnerstag muss es leer sein.

Das Johannisheim ist insolvent und stellt den Betrieb ein. Bis Donnerstag muss es leer sein. Foto: Richter

Im Stader Johannisheim ist Donnerstag Schlüsselübergabe. Heimaufsicht und Heimleitung mussten binnen zehn Tagen fast 60 Bewohner neu unterbringen. Ob das geklappt hat und wie es weitergehen soll.

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Von Anping Richter
Dienstag, 27.02.2024, 19:01 Uhr

Stade. Für die Mitarbeiterinnen der Heimaufsicht des Landkreises Stade und Heimleiterin Anke Heinrich war es eine Herkulesaufgabe, der sie absolute Priorität einräumten. Erst Montag voriger Woche wurde endgültig klar, dass das Johannisheim im Zuge des Insolvenzverfahrens bis Ende Februar seinen Betrieb einstellen und geräumt werden muss.

So viele Bewohner in der Kürze der Zeit und mitten in einer Pflegekrise woanders unterzubringen, wenn Plätze ohnehin knapp sind, schien zunächst fast unmöglich. Auch Angehörige sind aktiv geworden. Inzwischen konnten alle Heimbewohner neu untergebracht werden - bis auf einer. Die Verlegung läuft. Viele sind bereits umgezogen - mit dem Mini-Bus des Pflegeheims, im Taxi oder auch per Krankentransport.

„Die ein oder andere Träne wird vergossen.“

„Wir sind optimistisch, unser Ziel zu erreichen, dass bis Donnerstag alle Bewohnerinnen und Bewohner sehr gut untergebracht sind“, lässt Insolvenzverwalter Dr. Gideon Böhm durch seinen Pressesprecher auf TAGEBLATT-Nachfrage mitteilen.

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„Mein Eindruck ist, dass die meisten Bewohner und ihre Angehörigen ebenso wie die Mitarbeiter sehr gefasst mit der Situation umgehen. Aber die ein oder andere Träne wird doch vergossen“, sagt Pastor Dr. Wilfried Behr von der evangelisch-lutherischen Johannisgemeinde in Stade. Er gehört zum Vorstand des Trägervereins, der die Geschäfte des in der Nachkriegszeit aus der Kirchengemeinde heraus gegründeten Johannisheims ehrenamtlich führte, bis es im vergangenen Jahr aufgrund von Personalmangel und daraus folgender Unterbelegung in finanzielle Not geriet und ins vorläufige Insolvenzverfahren ging.

Große Enttäuschung nach der geplatzten Übernahme

Verantwortlich für die Geschäfte ist seither der Insolvenzverwalter. Wie berichtet, schien eine Rettung greifbar nah - bis sich herausstellte, dass aus der Übernahme des Johannisheims durch die Villa-Vitalia-Gruppe doch nichts wird, weil diese nun selbst im Insolvenzverfahren steckt. Die Hoffnung, dass das Johannisheim es mit einem neuen Träger noch schaffen könnte, wieder auf die Beine zu kommen, war groß - entsprechend groß war dann die Enttäuschung, berichtet Pastor Behr. Er ist froh, dass es gelungen ist, inzwischen fast alle Bewohner unterzubringen.

Laut dem Landkreis Stade kamen auf ein Rundschreiben, das bei allen Pflegeheimen im Kreis und in den Nachbarkreisen Kapazitäten abfragte, so viele Rückmeldungen über freie Plätze, dass eine Unterbringung gesichert scheint, wenn auch nicht unbedingt in der Wunsch-Einrichtung. Als letzte Lösung wäre zur Not auch eine vorübergehende Unterbringung im Krankenhaus möglich.

Arbeitgeber reißen sich um die Pflegekräfte

Um die Pflegekräfte des Johannisheims reißen sich vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Personalmangels die Arbeitgeber offenbar. Viele der Bewohner und Pflegekräfte seien beispielsweise im neuen K&S Pflegeheim in Stade untergekommen, das im Juni 2023 eröffnete und bis zu 130 Plätze bieten kann. Im ganzen Landkreis gibt es 2483 vollstationäre Pflegeplätze in 29 Pflegeeinrichtungen (Stand Juni 2023). Insgesamt werden hier im Rahmen der ambulanten Pflege 8300 Personen zu Hause gepflegt, mit Unterstützung von Pflegediensten und durch Angehörige (Stand 2021). Wie berichtet, ist aktuell auch die Einrichtung Stadt und Land insolvent. Den dazugehörigen Pflegedienst in Stade übernimmt zum 1. März das DRK.

Kirche hat bei Weiterverkauf ein Wörtchen mitzureden

Wenn es gelungen ist, sämtliche Bewohner des Johannisheims in andere Heime zu verlegen, sollen Grundstück und Gebäude zum Verkauf angeboten werden, teilt der Insolvenzverwalter mit. Was aus der Anlage in bester Lage werden soll, fragen sich viele Anwohner. Auf dem mehrere Tausend Quadratmeter großen Grundstück stehen der Altbau von 1967 und ein 2009 errichteter Neubau. Eine Wiederverwendung als Pflegeheim nach einem Kauf sei möglich, doch werde sich hierauf bei den Verkaufsbemühungen nicht beschränkt. Aufgrund eines Erbpachtgrundstücks müsse der Verkauf mit der Kirche abgestimmt werden.

„Wir wollen versuchen, dass es eine gute Lösung für den Stadtteil wird“, sagt Pastor Wilfried Behr. Es tue weh, die leeren Flure im Johannisheim zu sehen, wo viele alte Menschen ihre letzten Jahre verbracht haben. Er nehme großes Bedauern wahr, dass etwas endgültig aufhöre, was zum Stadtteil gehört habe. Abschiedsrituale seien eigentlich etwas, um das sich Kirche kümmere: „Doch das klappt in dieser Kürze der Zeit ja nicht.“

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