TKurios: Wieso es im kleinen Hörne eine Autowaschanlage gibt

Kurz vor der Kreisgrenze: die Autowaschanlage in Hörne. Das Gebäude war ehemals die Hörner Schule. Foto: Helfferich
Es ist ein Kuriosum: Kurz vor der Grenze, wo der Landkreis im Norden endet, gibt es eine Autowaschanlage. Dies ist die Geschichte des Gebäudes.
Balje-Hörne. Hier stehen keine Autos Schlange. Wer sein Fahrzeug reinigen will, muss klingeln. Dann kommt Markus Zwingel aus der Tür. Ein kräftiger Mann mit tätowierten Armen und Schirmmütze. Seit November vergangenen Jahres vermietet er hier Gästezimmer, reinigt Autos und bereitet sie mit Politur und Keramikversiegelung auf.
„Die Waschanlage war schon da, als ich das Ganze übernahm“, erklärt er auf die Frage, warum es hier eine solche Anlage gibt. Lohnt sie sich? „Eher nicht“, sagt der 44-Jährige.

Noch viel zu selten: die Waschanlage in Betrieb. Foto: Helfferich
Der Vorbesitzer hat die Waschanlage gebaut. „DIELAG“, prangt noch immer auf einem grün-weißen Schild: Dienstleistungen für Landwirtschaft und Gewerbe. „Er hat Stallreinigungen gemacht“, erzählt Zwingel, „seine Mitarbeiter hat er in den Zimmern untergebracht und seine Fahrzeuge reinigte er in der eigenen Waschanlage.“ Bei so einem Job mussten die Fahrzeuge regelmäßig gereinigt werden, sagt Zwingel.
Balje hatte früher vier Grundschulen
Bis etwa 1970 war das um 1850 erbaute Gebäude die Hörner Schule. Der ehemalige Baljer Bürgermeister Hermann Bösch kann sich noch gut erinnern: Jede der vier Baljer Ortschaften beziehungsweise Siedlungen (Balje, Hörne, Süderdeich und Wiese am Ostedeich) hatte damals eine Schule. Eine ehemalige Schülerin aus Wiese berichtet, dass zu ihrer Schulzeit bis zu 60 Kinder in einem Raum von nur einem Lehrer unterrichtet worden seien.

So sah die Schule in Hörne einst aus. Foto: unbekannt
Claus Isert, Archivar der Mittelschule Freiburg, heute die Grund- und Oberschule Nordkehdingen, ist auch in Balje aufgewachsen und kann erklären, warum es in ganz Nordkehdingen so viele Zwergschulen gab: „Die Verkehrsbedingungen waren damals so schlecht, dass die Kinder von zu Hause nicht wegkamen.“
Ostesperrwerk
T Radtouristen auf dem Elberadweg stranden am Bauzaun in Balje
Daher wurden viele kleine Schulen gebaut. Es habe eine staatliche Verordnung gegeben, dass der Schulweg nicht weiter als drei Kilometer sein dürfe. „In vielen Orten gab es keine befestigten Straßen. Manche Kinder mussten in Gummistiefeln zur Schule gehen, weil die Wege so schlecht waren“, im damaligen Sprachgebrauch Schietwege genannt.
Kinder liefen in Gummistiefeln über Schietwege
Erst in den 1960er Jahren seien nach und nach diese Schietwege gepflastert worden, sodass die Kinder auch mit dem Fahrrad die Schule erreichen konnten. Mit der Folge, dass die kleinen Schulen geschlossen wurden. Schließlich wurde die neue Grundschule an der Bahnhofsstraße gebaut.

Die 3. und 4. Schulklasse Mitte der 1950er Jahre. In der Bildmitte: Lehrer Rache Foto: unbekannt
Nachdem die Schule in Hörne geschlossen wurde, habe die Gemeinde das Gebäude verkauft, und eine Schlosserwerkstatt zog ein, erzählt Bösch. Später folgten Autolackierereien, bis schließlich ein örtlicher Landwirt Gebäude und Grundstück für seine landwirtschaftliche Dienstleistungsgesellschaft kaufte und im rechten Schulflügel seine Autowaschanlage einbaute.
Gästezimmer und Autoaufbereitung
Schließlich ersteigerten zwei Geschäftspartner Zwingels die Immobilie und stellten ihn als Verwalter ein. Er kümmert sich um die Vermietung der Gästezimmer und betreibt als Selbstständiger die Autoaufbereitung und die Waschanlage. „Wenn sie schon mal da ist, kann ich sie auch nutzen“, sagt Zwingel, schließlich sei sie eine gute Kärcher-Waschanlage.

Ein Hinweisschild führt von der Landesstraße 111 zur Waschanlage in Hörne-West. Foto: Helfferich
Samstags laufe sie richtig gut, fünf bis sechs Autos fahren dann durch die Anlage. Aus Freiburg, Cadenberge und Hemmoor kämen die Kunden. Ein Vorteil sei, dass die Anlage mit 2,80 Meter recht hoch ist. „Da passt auch ein kleines Wohnmobil oder ein Sprinter rein“, sagt er. Dafür reisten schon mal Hamburger an, „für eine Lkw-Wäsche ist man ja gleich 30 Euro los“. 12 Euro kostet die Wäsche in Hörne. „Mancher findet das zu viel, aber ich bin mit Abstand der günstigste Anbieter in der Gegend“, sagt Zwingel.
Markus Zwingel macht die Autos schick
Nun vermietet der 44-Jährige die Gästezimmer an Monteure und Radfahrer. „Die sind froh, wenn alles sauber ist und sie eine Kochgelegenheit haben.“ Bei Booking.com sei er gut bewertet. Er selbst sieht sein Hauptgeschäft in der Autoaufbereitung, dafür gebe es auch einen Markt in Nordkehdingen. „Hier sind viele Leute mit neuen Autos unterwegs. Da sind sicher einige Leasing-Fahrzeuge dabei. Bevor die zurückgehen, müssen die schick gemacht werden.“ Und wenn es auch nur ein Besuch bei der letzten Waschanlage vor der Kreisgrenze ist.

Markus Zwingel vermietet Gästezimmer und macht Autos wieder hübsch. Foto: Helfferich