Zähl Pixel
Handwerk

TLeuchtturmprojekt: Wo Schüler mit Maurerkelle und Druckluftnagler arbeiten

Björn Quelle, Geschäftsführer von Quelle Holzbau aus Bargstedt, zeigt Elias den Umgang mit dem Druckluftnagler.

Björn Quelle, Geschäftsführer von Quelle Holzbau aus Bargstedt, zeigt Elias den Umgang mit dem Druckluftnagler. Foto: Stehr

Junge Schüler sind die Fachkräfte von morgen. Und weil dem Handwerk der Nachwuchs fehlt, startete in Stade ein im Landkreis bislang einmaliges Projekt. Das steckt dahinter.

author
Von Lena Stehr
Mittwoch, 27.08.2025, 12:40 Uhr

Stade. Ein lauter Knall erschreckt eine Gruppe Fünftklässler der Oberschule Stade in Riensförde, die staunend um Björn Quelle herumsteht. Der Chef von Quelle Holzbau in traditioneller Zimmermannskluft aus schwarzem Cord trägt Kopfhörer und Schutzbrille und führt gerade einen Druckluftnagler vor.

Unter Anleitung des Handwerkers dürfen nun auch die Kinder den modernen Hammer mit ordentlich Wumms ausprobieren. „Wow, das ist cool“, sagt Elias, der vorher schon mit einem normalen Hammer einen Nagel ins Holz geschlagen hat.

Die erste „Schule des Handwerks“ im Kreis Stade

Elias und seine Mitschülerinnen und Mitschüler sind Teil eines im Landkreis bisher einmaligen Projekts, das in Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Stade an der Oberschule an den Start gegangen ist.

Im Rahmen der „Schule des Handwerks“ sollen die jungen Menschen früh und regelmäßig während ihrer gesamten Schulzeit hautnah mit Handwerksberufen in Berührung kommen, sagt Projektkoordinatorin Susanne Boinowitz von der Oberschule. Eine Win-win-Situation, denn das Handwerk brauche Nachwuchs und junge Menschen brauchen Perspektiven, ergänzt Kim Koch von der Kreishandwerkerschaft.

Sina und Sophie schneiden unter Anleitung von Seusta-Azubi Jakob Wisner ein Kupferrohr.

Sina und Sophie schneiden unter Anleitung von Seusta-Azubi Jakob Wisner ein Kupferrohr. Foto: Stehr

Neben Quelle Holzbau waren noch acht weitere Innungsbetriebe der Kreishandwerkerschaft Stade vor Ort, um den Kindern ihre Arbeit zu zeigen, darunter Viebrockhaus, NDB Elektrotechnik und Seusta, Wahl Elektrotechnik, Wärme, Solar Metall Rolf Fischer Bargstedt, Günther Brahmst Dachdecker, Scherer SHK und Lindemann Bau.

An der Oberschule Stade ist in Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Stade das Pilotprojekt „Schule des Handwerks“ an den Start gegangen.

An der Oberschule Stade ist in Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Stade das Pilotprojekt „Schule des Handwerks“ an den Start gegangen. Foto: Kreishandwerkerschaft Stade

Vielen jungen Menschen fehle das Wissen über Handwerksberufe. „Deshalb müssen wir aktiv werden und in die Schulen gehen. Überall sind Lehrstellen frei, wir brauchen dringend neue Gesellen“, sagt Kim Koch. Laut Jessica Reinke von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade wurden im Jahr 2024 im Landkreis Stade 438 neue Ausbildungsplätze im Handwerk erfasst.

Jaron überprüft den Abstand der Rohrschellen von der Wand.

Jaron überprüft den Abstand der Rohrschellen von der Wand. Foto: Stehr

Wie viele Stellen davon noch unbesetzt sind, sei aktuell nicht verlässlich zu sagen, weil der Ausbildungsmarkt noch in Bewegung ist. In der Lehrstellenbörse sind derzeit 31 Lehrstellen von zehn Betrieben aus dem Landkreis Stade registriert. Reinke geht aber davon aus, dass es noch weit mehr offene Stellen im Stader Handwerk gibt, da die Lehrstellenbörse ein freiwilliges Angebot für Betriebe ist.

Insbesondere die Nahrungsmittelhandwerke, also Bäcker und Fleischer, hätten seit Jahren mit unbesetzten Ausbildungsstellen zu kämpfen. Auch im Bereich Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik würden dringend mehr Nachwuchskräfte benötigt, um die Ziele der Klima- und Energiewende umsetzen zu können. Außerdem fehle es an Dachdeckern sowie Malern und Lackierern, ergänzt Kim Koch.

Ausbildung im Handwerk wird immer komplexer

Es gibt laut Koch eine besonders große Herausforderung, die es zu meistern gelte. Die Ausbildung im Handwerk sei heute viel komplexer als früher. Gleichzeitig sei die Aufmerksamkeitsspanne vieler junger Leute gesunken.

Auch Sprachbarrieren seien häufig ein Problem, weshalb einige Auszubildende ihre Prüfung nicht schaffen. Die Idee: Die Einführung eines kleinen Gesellenbriefs, den die Auszubildenden zum Beispiel schon nach einem Jahr erwerben können. „Wir müssen die Stufen auf der Karriereleiter enger machen, damit wir am Ende mehr Gesellen haben“, sagt Koch.

Dass die Arbeit an der Basis Früchte trägt, bestätigt Alexander Brotsmann von Seusta. Die Firma mit knapp 60 Angestellten sei regelmäßig in Schulen und auf Messen vertreten und habe seitdem weniger Probleme, neue Azubis zu finden. In diesem Jahr seien mit fünf Lehrlingen alle Plätze besetzt. Auch Björn Quelle würde gerne ausbilden. Sein Betrieb mit circa 50 Angestellten hat im Moment gar keinen Azubi.

Amalia (von links), Marlene und Mailin halfen beim Mauern des neuen Hochbeets für die Schule.

Amalia (von links), Marlene und Mailin halfen beim Mauern des neuen Hochbeets für die Schule. Foto: Stehr

Die Firma Lindemann Bau sucht händeringend Maurer und Betonbauer, sagt Anton Sendrowski. Der 22-Jährige studiert derzeit Bauingenieurswesen an der Hochschule 21 in Buxtehude, hat nach seinem Abitur aber zunächst eine Maurerausbildung gemacht.

„Das tolle an dem Beruf ist, dass man so viel selber machen und sich sogar selbst ein Haus bauen kann“, sagt er. Beim Aktionstag hat er mit den Fünftklässlern ein Hochbeet gemauert. Jedes Kind weiß noch genau, welchen Stein es gesetzt hat. „Wir haben zusammen etwas geschaffen, das bleibt“, sagt Sendrowski.

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Der gelernte Maurer Anton Sendrowski hilft Emil beim Steine setzen am Hochbeet.

Der gelernte Maurer Anton Sendrowski hilft Emil beim Steine setzen am Hochbeet. Foto: Stehr

Weitere Artikel