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Die Unabsteigbaren

TDie Unabsteigbaren: TSV Großenwörden kassiert Mega-Klatsche

Großenwördens Torhüter Tim Jantzen musste gegen Mu/Ku III elf Mal hinter sich greifen.

Großenwördens Torhüter Tim Jantzen musste gegen Mu/Ku III elf Mal hinter sich greifen. Foto: Berlin

Beim Ligaauftakt kassiert der TSV Großenwörden II in der 4. Kreisklasse elf Dinger. Der erste krasse Fehler, der zur Pleite führt, hat nur bedingt was mit Fußball zu tun.

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Von Daniel Berlin
Samstag, 30.08.2025, 19:14 Uhr

Großenwörden. Vielleicht liegt es ja an der Schildkröte. Das plüschige Maskottchen des TSV Großenwörden II schläft während des Saisonauftaktes in der 4. Fußball-Kreisklasse in der Notfalltasche am Spielfeldrand versteckt zwischen Pflaster und Eisspray.

Der TSV verliert in Mulsum gegen den gastgebenden FC Mu/Ku III mit 0:11. Ein Maskottchen als Glücksbringer kann beim Fußball aber nur seine ganze Kraft entfalten, wenn es freie Sicht aufs Spielfeld genießt. Am besten im Tornetz.

Das Maskottchen des TSV Großenwörden II. Eine Schildkröte.

Das Maskottchen des TSV Großenwörden II. Eine Schildkröte. Foto: Berlin

Dort kann Großenwördens Keeper Tim Jantzen an diesem frühen Sonntagvormittag ein bisschen Spielglück ganz gut gebrauchen. Der FC Mu/Ku III belagert seinen Kasten, kreiert Chancen für drei Spiele und trifft neun Mal selbst. Zwei Großenwördener Eigentore stehen in der Statistik. Eines macht Jantzen selbst.

17 Gegentore in den ersten beiden Pflichtspielen

Beim 0:5 in der 31. Minute bugsiert er den Ball bei einem Abwehrversuch irgendwie unglücklich über die eigene Linie. Jantzen holt den Ball raus, bolzt ihn zur Mitte zum Anstoßpunkt und spuckt in seine Handschuhe. Ein Zeichen, dass das nicht noch mal vorkommt. Für diese erste Halbzeit bleibt es der letzte Gegentreffer. Jantzen schnappt sich seine Wasserflasche und lächelt, als er zur Kabine geht.

Torwart Tim Jantzen nimmt die hohe Auftaktniederlage mit einem Lächeln.

Torwart Tim Jantzen nimmt die hohe Auftaktniederlage mit einem Lächeln. Foto: Berlin

In der vergangenen Saison holte der TSV Großenwörden in der 4. Fußball-Kreisklasse die wenigsten Punkte. In der untersten Spielklasse ist der TSV unabsteigbar. Aber nicht nur als Punktelieferant ist der Verein gern gesehener Gast.

Mu/Ku-Trainer Marcus „Hoschi“ Hauschild sagt etwas Schönes: „Wir spielen gern gegen den TSV, weil das nette Jungs sind. Wir fahren auch gerne hin.“ Hauschild weiß vor dem Spiel um die Überlegenheit seiner Mannschaft. Er gibt seinen Spielern mit auf den Weg, dass sie den Gegner nicht demütigen sollen.

Großenwörden gehen die Torhüter aus

Der TSV Großenwörden startete in die neue Spielzeit mit zwei Niederlagen. Vor der Liga-Pleite in Mulsum setzte es in der ersten Runde um die Kreisplakette ein 0:6 gegen den ASC Cranz-Estebrügge II. Da war Keeper Tim Jantzen nicht dabei. Der TSV Großenwörden hat ein ausgesprochenes Torwartproblem.

Tim Jantzen ist am Spieltag schon seit 5 Uhr morgens auf den Beinen. Vor dem Spiel fütterte und molk er die Kühe und tränkte die Kälber.

Tim Jantzen ist am Spieltag schon seit 5 Uhr morgens auf den Beinen. Vor dem Spiel fütterte und molk er die Kühe und tränkte die Kälber. Foto: Berlin

Stammkeeper Joris Büther spielte sich in der ersten Mannschaft fest. Jannes Kück und Jakob Diercks verletzten sich in der vergangenen Saison. Seitdem improvisiert Spielertrainer Lars von der Lieth fast jedes Wochenende. Er beorderte schon Feldspieler zwischen die Pfosten. Malte Klaß gilt eigentlich als Abwehrmann. Yago von der Lieth ist normalerweise im Mittelfeld zu Hause. Und Tim Jantzen?

Bei der Konfirmation wird er Fußballtorwart

Der 33-Jährige hatte eigentlich schon aufgehört mit dem Fußball. Jantzen arbeitet als Landwirt. Er hat Familie und zwei Kinder. Da bleibt nur wenig Zeit zum Kicken. Er sagt, er sei in Großenwörden von Anfang an dabei gewesen, damals noch in der dritten Mannschaft, die es heute nicht mehr gibt. Seit der D-Jugend spielt Jantzen als Torwart. Auf der Konfirmation seines Cousins bolzten die kleinen Festgäste ein wenig. Da ging er ins Tor und blieb. Seinem damaligen Trainer hatte er damals angeboten, Keeper zu werden. „Außerdem hatten die anderen keine Lust“, sagt Jantzen.

Lesen Sie Teil 1 der Serie

Morgens um 5 Uhr steht Jantzen am Tag des Ligaauftaktes schon im Stall. Kühe füttern, melken, Kälber tränken. Jantzen versorgt 250 Tiere und verdient sein Geld mit der Milchproduktion. Um 11 Uhr beendete er am Sonntag die erste Schicht. Abfahrt der Mannschaft nach Mulsum war um 11.20 Uhr angesetzt.

Und dann setzt es elf Gegentore. „In dem Moment ärgert man sich“, sagt Tim Jantzen. Hinterher sei es egal. Beim obligatorischen Bierchen an der Seitenlinie verfliegt der Frust. Mu/Ku spielt an diesem Tag einfach zu gut. Zu überlegen. Auf der Großenwördener Auswechselbank herrscht zudem gähnende Leere. Schon Mitte der Woche sagten die ersten bei Coach von der Lieth ab.

Gähnende Leere auf der TSV-Ersatzbank in Mulsum: Spielertrainer Lars von der Lieth registrierte in der Chat-Gruppe eine Menge Absagen für den Saisonauftakt.

Gähnende Leere auf der TSV-Ersatzbank in Mulsum: Spielertrainer Lars von der Lieth registrierte in der Chat-Gruppe eine Menge Absagen für den Saisonauftakt. Foto: Berlin

Hauptsache vor Wischhafen/Dornbusch III bleiben

Der hat zu tun in der Trainingswoche. Direkt nach dem Abpfiff analysiert er schon die Packung in Mulsum. „Elf sind ein bisschen viel. Wir müssen mutiger spielen“, sagt von der Lieth. Im Defensivspiel erkennt er eklatante Fehler: „Wir haben den Drang, zu tief zu stehen. Die Absprachen fehlen. Keiner geht auf den Ballführenden.“

Vor dem Heimspiel am Samstag (30. August, 18 Uhr) gegen den FC Wischhafen/Dornbusch II stehen also die Grundlagen auf dem Trainingsplan.

17 Gegentore kassiert der TSV Großenwörden II in den ersten beiden Pflichtspielen. Nach der Partie gegen Wischhafen II geht es nach Bützfleth. Dann steht der erste Teil des Saisonhöhepunktes an. Die dritte Vertretung aus Wischhafen und Dornbusch kommt am 13. September nach Großenwörden. Es ist das Duell schlechthin. „Ziel ist es, am Ende der Saison vor Wischhafen/Dornbusch III zu stehen. Der Rest ist Bonus“, sagt Lars von der Lieth. In der Saisonvorbereitung hatte der TSV gegen den Dauerrivalen einen Testspielsieg eingefahren.

Vom Fußballplatz schnell zurück in den Kuhstall

Auf Tim Jantzen warten in Großenwörden die Kühe. Die zweite Schicht beginnt am späten Sonntagnachmittag. Unter der Woche bleibt zum Trainieren keine Zeit. „Aber die Heimspiele nehme ich gern mit. Wenn es geht, springe ich gerne ein“, sagt er. Beim Kicken geht es um den Spaß. Er wolle gesund durch die Saison kommen und sein Bestes geben. Der Stall ist um die Ecke. Dann tauscht er so oft er kann die Arbeitsklamotten mit der Torwartkluft.

Und die Schildkröte liegt ab sofort im Großenwördener Tor. Dort, wo sie hingehört.

Stefan Meyer ist mit 55 Jahren der älteste Spieler in der Mannschaft.

Stefan Meyer ist mit 55 Jahren der älteste Spieler in der Mannschaft. Foto: Berlin

Die Serie „Die Unabsteigbaren“

Der TSV Großenwörden II beendete die vergangene Saison als Letzter der untersten Spielklasse. Absteigen kann man hier nicht - und genau das macht diese Truppe so spannend. Das TAGEBLATT begleitet das Team durch die gesamte Saison. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Menschen, die die Mannschaft und den Verein prägen. Wir wollen zeigen, wie ein Dorfverein tickt, wie eine Amateurmannschaft funktioniert und warum sie trotz Niederlagen den Spaß am Kicken nicht verliert.

Technisch versiert: Kai von der Lieth setzte im Mittelfeld einige Akzente. Für ein Tor gegen Mu/Ku III reichte es nicht.

Technisch versiert: Kai von der Lieth setzte im Mittelfeld einige Akzente. Für ein Tor gegen Mu/Ku III reichte es nicht. Foto: Berlin

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