TMann an Weihnachten erstochen: Neue Handyvideos als Beweis?

Im Landgericht Stade hat jetzt vor der 4. Großen Jugendstrafkammer der Prozess gegen zwei beschuldigte junge Cuxhavener begonnen. Foto: Reese-Winne Foto: Reese-Winne
Im Landgericht Stade wurde das Verfahren gegen zwei junge Männer aus Cuxhaven wegen Totschlags eröffnet. Sie sollen an Heiligabend 2023 auf einen 56-jährigen Cuxhavener eingestochen haben. Schnell ist klar, es wird ein mühsamer Prozess.
Stade. Der erste Prozesstag vor dem Landgericht in Stade war schnell beendet, denn neu bewertete Handyvideos und ein Brief sollen erst genauer betrachtet werden. Denn der Vorwurf gegen die beiden 21-jährigen Angeklagten wiegt schwer. Ihnen wird Totschlag zur Last gelegt. Sie sollen in der Nacht zu Heiligabend 2023 in der Straße Hörn mehrfach mit einem Messer auf einen 56-Jährigen aus Cuxhaven eingestochen haben, der durch den Angriff starb. Der erste Prozesstag endete allerdings auf Antrag der Verteidiger nach wenigen Minuten.
Angeklagte mit dem Rücken zu den Zuhörern
Im Schwurgerichtssaal des Landgerichts, in dem eine Scheibe Prozessbeteiligte und Zuschauer trennt, saßen die Angeklagten durch die Pflichtverteidiger voneinander getrennt auf der Anklagebank gegenüber dem Vorsitz mit dem Rücken zu den Zuhörern. Auch ein Sachverständiger und Vertreter der Jugendgerichtshilfe begleiten das Verfahren. Als Nebenkläger verfolgten die Ehefrau und die Tochter des verstorbenen 56-Jährigen zusammen mit ihrer Rechtsbeiständin das Verfahren. In beiden Reihen des Zuhörerbereichs waren weitere Stühle besetzt.
Richterin spricht von umfangreichem Vorstrafenregister
Laut Angaben des Landgerichts hat inzwischen auch der zweite der Beschuldigten das 21. Lebensjahr vollendet. Er ist der, von dem die Richterin spricht, als sie ein turmhohes Vorstrafenregister erwähnt und dem Pflichtverteidiger Torsten Seyfarth zur Einsicht anbietet. Diesem reicht vorläufig ein altes Urteil, um sich ein Bild zu machen.
Da einer der Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat rechtlich mit 20 Jahren noch als Heranwachsender galt, kann für ihn im Verfahren - je nach Beurteilung des Gerichts - das Jugend- oder das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. „Insoweit kommt es immer auf den Einzelfall und auf die Entwicklung des Heranwachsenden an“, erläutert Landgerichts-Pressesprecherin Petra Linzer.
Grundsätzlich wird erst einmal öffentlich verhandelt
Anders als im Erwachsenenstrafrecht stehe beim Jugendstrafrecht der erzieherische Gedanke im Vordergrund. Verhandlungen seien bei Beteiligung Heranwachsender in der Regel wie bei Erwachsenen öffentlich, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprächen.
Die Angeschuldigten verfolgten die wenigen gesprochenen Sätze in der Sitzung äußerlich ungerührt. Die von Richterin Gude ins Gespräch gebrachten „organisatorischen Fragen“ waren entscheidend für den schnellen Abschluss der Sitzung. Sehr kurzfristig sollen dem Gericht Handyvideos vom Telefon des jüngeren Angeklagten sowie ein Brief zugegangen sein. Neue Beweismittel, die Torsten Seyfahrt, den Pflichtverteidiger des jüngeren Beschuldigten, sofort aufhorchen ließen.
Digitale Beweismittel werden erst ausgewertet
Erst einen Tag zuvor seien ihm ein Gutachten und die Auswertung der Handyvideos zugeleitet worden - zu kurzfristig, um sich damit zu beschäftigen, sagte er. Auch Pflichtverteidigerin Katrin Bartels (Stade) und Verteidiger Reinhard Platzbecker (Cuxhaven), die den älteren Beklagten vertreten, sowie der Staatsanwalt meldeten erhöhtes Interesse an den Beweismitteln an, vor allem auch an dem einen, vielleicht auch zwei Briefen.
Gespräch mit dem Mandanten vor nächstem Verhandlungstag
Torsten Seyfahrt will mit seinem Mandanten im Zellentrakt des Landgerichts vor dem nächsten Prozesstag am Donnerstag über die neuen Beweismittel sprechen, bevor es mit der Verhandlung weitergeht. Dabei soll bereits die Zeugenbefragung beginnen. Eventuell soll bei dem Termin auch mit einer Einlassung der Angeklagten zu rechnen sein.
Dem Jüngeren - kurz geschorene Haare, grüner Pulli, Jeans und Turnschuhe - wurden nach dem nur eine gute halbe Stunde dauernden Termin wieder Handschellen angelegt. Er wurde von Justizbeamten aus dem Saal geführt. Der Ältere, ebenfalls sportlich gekleidet, verließ ohne Handschellen zunächst mit Anwalt Reinhard Platzbecker den Raum.