TMann soll seine Partnerin in Gyhum getötet haben: War es ein Femizid?
Am Sonntag stehen viele Blumen und Kerzen vor dem Haus in Gyhum am Hülsenbusch. Auch ein Foto der getöteten 30-Jährigen ist zu sehen, die Anteilnahme ist groß. Foto: Harder-von Fintel
Die Vorwürfe gegen den 34-jährigen Gyhumer wiegen schwer. Er soll seine Lebensgefährtin dort gewaltsam getötet haben. Wann der Prozess vorm Stader Landgericht ansteht.
Gyhum. Nach der gewaltsamen Tötung einer 30-jährigen Frau in Gyhum sitzt der Schock im Umfeld des Paares tief. Die Ermittler gehen davon aus, dass der 34-Jährige seine Freundin im gemeinsamen Wohnhaus tötete und Hunderte Meter vom Tatort entfernt eine Scheune mit Strohballen und Maschinen in Brand setzte. Der Mann stellte sich nachts bei der Polizei in Zeven. Einsatzkräfte fanden die tote Frau im Schlafzimmer. Nach den bisherigen Erkenntnissen soll der Mann seine Freundin nach einer Auseinandersetzung umgebracht haben.
Prozess vorm Stader Landgericht steht bald an
Welches Drama sich im Schlafzimmer der beiden abgespielt hat, wie der Gyhumer seine Freundin getötet hat, und vor allem warum die junge Frau sterben musste, wird der Prozess vor dem Stader Landgericht zeigen. Dieser wird mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten sechs Monate beginnen, erklärt Oberstaatsanwalt Johannes Kiers von der Staatsanwaltschaft in Stade auf Nachfrage der ZZ. Derzeit steht weiter die „kleinschrittige Polizeiarbeit an, die viel Mühe macht“, aber fortwährend zu neuen Erkenntnissen führt, weiß er.
Ein Ort steht nach der Tat unter Schock
Die Gyhumer können nach wie vor kaum glauben, was sich in ihrem Dorf zugetragen hat. Gemeindebürgermeister Lars Rosebrock sagt gegenüber der ZZ: „Man denkt immer, so was passiert nur woanders.“ Dass das ein Irrglaube ist, wissen hiesige Polizeibeamte und Rettungskräfte nicht erst seit dem Vierfachmord von Scheeßel. Nach seiner gescheiterten Ehe richtete ein Soldat im März 2024 in Brockel und Westervesede ein schlimmes Blutbad an, um seiner Ex-Frau zu schaden.
Hohe Dunkelziffer bei Femiziden
Kommt es in Partnerschaften zu Problemen, sind es oft Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind. Das bestätigt Andrea Schürmann, Leiterin des Polizeikommissariats Zeven, im Gespräch mit der ZZ. „Vor häuslicher Gewalt oder Femiziden kann man nicht weglaufen, das passiert auch in kleinen Orten.“ Das Thema Femizid, ein Tötungsdelikt an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, müsse besprochen werden, davor könne sich die Gesellschaft nicht verschließen. „Es ist leider so, dass Frauen überproportional Opfer werden. Durchschnittlich werden Frauen alle zwei Tage Opfer eines Tötungsdelikts. Heißt: Alle zwei Tage wird eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist“, weiß die erfahrene Beamtin. Darüber hinaus habe es im Jahr 2023 in Deutschland 1000 versuchte Tötungsdelikte gegeben. „Und das Dunkelfeld ist extrem hoch“, erklärt Schürmann.
Wie sich ein Femizid anbahnt
Aber wie bahnt sich häusliche Gewalt oder ein tödlicher Beziehungsstreit an? „Freunde, Angehörige oder Nachbarn sagen oft, sie haben gar nichts gemerkt und dass es keinen Stress gab. Sie fragen sich dann, warum das Ganze tödlich enden musste“, schildert Schürmann allgemein zu Femiziden. Was kann getan werden, damit die Opferzahlen sinken?
„Erst einmal muss häusliche Gewalt als gesellschaftliches Problem anerkannt und sichtbar gemacht werden. Wir müssen darüber reden, es darf kein Tabuthema sein“, so die Polizeichefin. Allerdings weiß sie auch, dass allein durchs Reden noch keine Frau vor einem Femizid gerettet wird.
„Wir brauchen einfach mehr Wohnraum und Frauenhäuser.“ Häusliche Gewalt gegenüber Frauen gehe meistens mit Besitzansprüchen des Partners und Machtstrukturen in der Beziehung einher. „Es bahnt sich was an, wo der Mann befürchten muss, dass die Frau die Beziehung verlässt.
Es kommt zu Streit.“
Frauen bleiben aus Angst beim Ehemann
Das Ende könne im schlimmsten Fall in einem Femizid enden. Wenn Frauen Unterstützung von Freunden bekommen oder Beratungsstellen aufsuchen würden, wäre das laut Schürmann ein wichtiger Schritt, um die Opferzahlen bundesweit zu senken. „Wenn jemand eine Beziehungspause braucht, und liegt die ganze Zeit neben dem Partner im Bett - wie soll das gehen?“, erklärt die 58-Jährige das Problem von fehlendem Wohnraum und Schutzeinrichtungen.
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Wieder ein Femizid? Freunde erinnern an getötete 26-Jährige
Die Antwort, warum insbesondere Frauen bröckelnde und toxische Beziehungen, „diese Spirale“, nicht verlassen, sei oft die gleiche: „Man hat noch keine neue Wohnung, den Arbeitgeber müsste man vielleicht wechseln und auch der Freundeskreis ändert sich. Plötzlich bröckelt was im Leben. Man hat Furcht und Sorge vor Veränderung, denn der Traum ist eine gemeinsame Beziehung in guter Atmosphäre.“
Wie wichtig Angehörige und Freunde sind
Wenn Angehörige und Freunde erkennen, wie schlimm die Situation wirklich ist und es um mehr als einen Beziehungszoff geht, sollten sie laut Schürmann den Weg zu Beratungsstellen aufzeigen und diesen Weg dahin persönlich begleiten.
„Das ist wirklich hilfreich für Frauen. Zuhören ist das Wichtigste. Und dann eine echte Haltung des Helfens entwickeln.“ Und dazu gehöre weitaus mehr, als auf ein Glas Aperol oder einen Grillabend zusammenzukommen.
Elektronische Fußfessel und Frauenhäuser
Andrea Schürmann ist überzeugt, dass mehr Frauenhäuser eine echte Hilfe wären. „Damit wäre der Gesellschaft sehr geholfen und die elektronische Fußfessel ist auch in Arbeit.“ Das seien alles Mosaiksteine, um die steigende Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt und Femiziden wieder zu stoppen.
Welche Rolle mögliche Beziehungsprobleme bei dem Verbrechen in Gyhum spielen, wird der Prozess in Stade zeigen. Derzeit sitzt der junge Mann aus Gyhum wegen des Verdachts auf Totschlag in Untersuchungshaft. Je nachdem, was die Ermittlungen ergeben, kann der 34-Jährige noch wegen Mordes angeklagt werden, erklärt Oberstaatsanwalt Johannes Kiers. Der Leichnam der 30-Jährigen wird derzeit obduziert. Die Untersuchungen sollen klären, wie die Frau ums Leben kam. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.