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Armut

TMehr Betroffene, weniger Spenden: So geht es den Tafeln in der Region

Zum Team der Buxtehuder Tafel gehören insgesamt 115 Ehrenamtliche.

Zum Team der Buxtehuder Tafel gehören insgesamt 115 Ehrenamtliche. Foto: Stehr

Vielen Tafeln in Deutschland fehlen Ehrenamtliche und Lebensmittel zum Verteilen. Aufnahmestopps gibt es bei den Tafeln im Landkreis Stade zwar noch nicht. Sorgen gibt es trotzdem.

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Von Lena Stehr
Mittwoch, 25.12.2024, 13:50 Uhr

Buxtehude. An der Supermarktkasse spüren es alle schmerzlich: Lebensmittel sind in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Milch, Fleisch und Gemüse im Schnitt um ein Drittel, der Preis für Käse hat sich im Vergleich zum Jahr 2020 sogar fast verdoppelt. Sonnenblumenöl hat sich um fast zwei Drittel verteuert.

Immer mehr Betroffene und immer weniger Spenden

Für immer mehr Menschen - vor allem Geflüchtete, Alleinerziehende und Senioren - bedeutet das, dass sie sich eine ausgewogene Ernährung kaum noch leisten können. Genau da kommen die ehrenamtlich organisierten Tafeln ins Spiel. Pro Jahr retten sie deutschlandweit ungefähr 265.000 Tonnen Lebensmittel, die über den Handel nicht mehr vertrieben werden können und geben sie an inzwischen fast zwei Millionen armutsbetroffene Menschen weiter. Insgesamt gibt es knapp 1.000 Tafeln und mehr als 2.000 Ausgabestellen, in denen etwa 60.000 Ehrenamtliche aktiv sind.

Doch der Tafel-Dachverband schlug jetzt Alarm. Weil es immer mehr Betroffene und gleichzeitig weniger Lebensmittelspenden gebe, müssten circa 60 Prozent der Tafeln in Deutschland die Ausgabe von Lebensmitteln reduzieren. Ein Drittel versuche, mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten zu arbeiten.

So ist die Lage der Tafeln in der Region

Nicht ganz so dramatisch, aber auch nicht gut ist die Lage laut Wolfgang Drews, Geschäftsführer des Diakonieverbands, bei der Stader Tafel, die vier Ausgabestellen hat - zwei in Stade, eine in Drochtersen und eine in Himmelpforten. Etwa 150 Ehrenamtliche versorgten im Jahr 2024 zu Höchstzeiten 3.500 Tafel-Kunden, 2022 waren es knapp 900. Es werde zwar niemand mit leeren Händen weggeschickt, die Menge an Lebensmitteln habe aber seit dem Start des Ukrainekrieges spürbar abgenommen. Es fehle häufig vor allem an frischem Gemüse und Molkereiprodukten, so Drews. Auch ehrenamtliche Fahrer und Unterstützer mit kaufmännischer oder vertrieblicher Berufserfahrung werden gesucht.

Am meisten Sorge bereitet Drews die wachsende Zahl an Menschen, die nicht als Tafel-Kunden registriert sind, aber offensichtlich trotzdem Hilfe brauchen. Immer häufiger - insbesondere jetzt vor Weihnachten - werde er im Haus der Diakonie nach Lebensmitteln gefragt. Drews weist darauf hin, dass Spenden von gemahlenem Kaffee, schwarzem Tee, Nudeln, Konserven oder auch Hygieneartikel gern zwischen den Jahren (außer an den Feiertagen) im Haus der Diakonie in der Neubourgstraße 6 in Stade abgegeben werden können.

Tafel Harsefeld unterstützt um die 180 Menschen

Besser sieht es bei der Tafel in Harsefeld aus, die seit Anfang 2023 eine selbstständige Organisation der evangelischen Kirchengemeinde vor Ort ist und nicht mehr zur Stader Tafel gehört. Um die 90 Ehrenamtliche kümmern sich pro Ausgabe um ebenso viele Kunden, sagt Christoph Podloucky aus dem Leitungs-Team. Insgesamt seien um die 180 Menschen als Tafel-Kunden registriert. Der Höhepunkt am Anfang des Jahres, als bis zu 130 Menschen zur Ausgabe kamen, sei inzwischen überwunden. Lebensmittelspenden kämen nicht nur aus den umliegenden Supermärkten, sondern auch von der Jithofer Käserei, dem Hühnerhof Holtermann und vom Obsthof Stechmann aus dem Alten Land. Es gebe zudem guten Austausch mit anderen Tafeln und immer genügend Ware, so Podloucky.

Extra Ausgabe für Senioren bei der Buxtehuder Tafel

Bei der Buxtehuder Tafel ist der Andrang am Mittwochnachmittag vor Weihnachten nicht sehr groß. Das liegt daran, dass der Mittwoch den Senioren vorbehalten ist. Laut Tafel-Leiter Jürgen Karow eine Gruppe, die sich aus falscher Scham heraus besonders schwer tue, Hilfe anzunehmen. Das bestätigen auch die Tafel-Verantwortlichen aus Stade und Harsefeld.

Fast 30 Senioren sind in Buxtehude als Tafel-Kunden registriert. Wie eine 66-Jährige, die regelmäßig mit ihrem Bekannten herkommt. Die beiden haben - wie die meisten anderen auch - mehrere Taschen und einen Einkaufs-Trolley dabei. „Ich habe als ehemalige Angestellte eine schmale Rente und bin dankbar, dass ich hier so tolle Sachen bekomme. Avocados kann ich mir im Supermarkt sonst nicht leisten“, sagt die Frau. Sie hofft, dass sie heute neben Gemüse, Obst, Eiern und Co. auch noch guten Käse bekommt. „Wenn ich wieder zu Hause bin, steh ich erstmal zwei Stunden in der Küche, sortiere, koche und friere ein“, sagt sie.

Der Buxtehuder Tafel-Leiter Jürgen Karow wünscht sich, dass sich mehr Senioren trauen, das Tafel-Angebot anzunehmen.

Der Buxtehuder Tafel-Leiter Jürgen Karow wünscht sich, dass sich mehr Senioren trauen, das Tafel-Angebot anzunehmen. Foto: Stehr

Der Ablauf bei der Buxtehuder Tafel ist immer gleich: Die Kunden registrieren sich im Empfangsbereich mit Hilfe des elektronischen Kundenerfassungs-Systems, bevor sie ihren Rundgang durch mehrere Räume starten und sich bei den Ehrenamtlichen aussuchen, was sie einpacken wollen. Beim Zahlen des symbolischen Euro gibt es schon den ersten Klönschnack mit den Ehrenamtlichen. „Wir kommen ja auch, um ein bisschen zu schnacken“, sagt ein 75-Jähriger, dessen Frau seit einigen Wochen im Heim lebt. Er freut sich heute unter anderem über Bratheringsfilets im Glas und Würstchen. „Hier gibt es alles, was das Herz begehrt und meine Enkelkinder kriegen auch noch was ab“, sagt er.

Die Buxtehuder Tafel-Mitarbeiterin Helga Knorr verteilte spezielle Weihnachtstüten mit Kaffee, Tee und Duschgel an die Kunden.

Die Buxtehuder Tafel-Mitarbeiterin Helga Knorr verteilte spezielle Weihnachtstüten mit Kaffee, Tee und Duschgel an die Kunden.

„Die meisten gehen mit vier vollen Tüten und dankbar wieder raus“, sagt Karow. Sein Team besteht aus 115 Ehrenamtlichen. Durch die Ausgabestellen Buxtehude und Horneburg werden 400 Haushalte mit 1.110 Personen unterstützt. „Engpässe gibt es bei uns zum Glück nicht, wir haben ein tolles Team und bekommen ausreichend Spenden, auch von Unilever und vom Geflügelhof Schönecke“, sagt Karow. Sein einziger Wunsch ist deshalb, dass künftig noch mehr Senioren den Weg zur Tafel finden. Sie müssten auch erstmal gar nichts weiter mitbringen.

„Ich bin froh, dass ich irgendwann einfach hergekommen bin“, sagt die 66-Jährige. Sie hat ihren Rundgang beendet und ihren Käse bekommen. „Bleib gesund und frohe Weihnachten“, ruft ein Senior ihr nach. Im neuen Jahr wollen sie sich wieder hier treffen - und beim Klönschnack ihre Tüten füllen.

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