TMit 15 im Landkreis am Steuer: Mopedautos so sicher wie komfortabel?
Annie und Lottie (von rechts) fahren gemeinsam mit dem Mopedauto zur Schule. Auch Tinus fährt täglich mit seinem Wagen in Bederkesa vor. Foto: Petersen
Auf den Straßen im Landkreis sind immer häufiger Jugendliche in kleinen Autos zu sehen. Wie sicher sind die Mini-Autos tatsächlich?
Bad Bederkesa. Mit 15 Jahren mit dem eigenen Auto zur Schule fahren, die Freundin auf dem Beifahrersitz. Für Lotti und Annie gehört das mittlerweile zum Schulalltag. Beide sind stolze Besitzer eines sogenannten Mopedautos – klein, wendig und mit höchstens 45 km/h auf der Straße unterwegs. Außerdem eine witterungsfeste Alternative zu Mofa oder Roller. Für die Jugendlichen bedeuten die kleinen Autos Unabhängigkeit und Freiheit.
„Mit dem Bus brauche ich ungefähr 50 Minuten nach Bederkesa, mit dem Auto sind es nur 20. So kann ich morgens länger schlafen“, freut sich die junge Köhlenerin über den dazugewonnenen Luxus. Aber Annie fährt mit dem Wagen nicht nur zur Schule. Egal ob Tennis, Klavierunterricht oder Nebenjob, alles erreicht sie mit dem Leichtkraftfahrzeug. Auch ihre Freundin, die vierzig Minuten entfernt wohnt, besucht sie vollkommen selbstständig. Das entlastet auch ihre Eltern: „Wir freuen uns, dass sie ihren Weg macht und dadurch auch mehr Selbstständigkeit bekommt“, sagt Mutter Ines Wilkens.
Bus- und Bahnverbindungen im Landkreis dürftig
Auch der 16-jährige Jona, ebenfalls aus Köhlen, fährt ein Mopedauto. Im Gegensatz zum Zweirad kommt er mit dem kleinen Auto immer warm und trocken ans Ziel. Insgesamt 40 Kilometer legt er jeden Tag bis zu seiner Schule in Bremervörde zurück. „Es wäre schon blöd, wenn ich immer mit dem Roller fahren müsste und dann in der Schule schon völlig durchgeregnet bin.“
Verkehrssicherheit
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Nach dem Schulwechsel von Bederkesa nach Bremervörde hätte sich die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig gestaltet. „Man kommt zwar aus Geestenseth mit dem Zug nach Bremervörde, aber auch dafür hätte es erst einmal eine Fahrgemeinschaft zum Bahnhof gebraucht“, erklärt Jonas Mutter Silvia Dreyer. „Nicht alle haben zur gleichen Zeit Schulbeginn oder -schluss, wodurch sich eine Fahrgemeinschaft schon wieder schwierig gestaltet.“
Außerdem sei es vor allem abseits der normalen Schulzeiten eine echte Herausforderung, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln im Landkreis unterwegs zu sein, sagt Annie.
Mopedautos kosten so viel wie ein normaler Gebrauchtwagen
Die Mopedautos, auch Microcars genannt, unterscheiden sich im Inneren nicht wesentlich von gewöhnlichen Automatik-Pkw. Geschwindigkeitsanzeige, Radiodisplay, Beifahrersitz und statt einer Rückbank „echt super viel Platz im Kofferraum“, sagt Schulfreund Tinus (15) aus Kührstedt, der ebenfalls mit seinem Microcar an der Schule parkt. Doch der Komfort, den die kleinen Autos bieten, hat seinen Preis.

Achtung, Verwechslungsgefahr: Von innen ist das Leichtkraftfahrzeug kaum von einem herkömmlichen Auto zu unterscheiden. Foto: Petersen
Beim Aixam-Händler in Geestland liegen die Neuwagen preislich zwischen 12.000 und 20.000 Euro. Opel, Citroën und Fiat haben Elektromodelle der Kleinstwagen für etwas unter 10.000 Euro auf den Markt gebracht. Auf Online-Plattformen sind gebrauchte Fahrzeuge ab 6.000 Euro aufwärts zu finden, aufgrund der hohen Nachfrage jedoch rar.
Das bestätigt auch Gerhard Falk, ehemaliger Inhaber und noch immer Mitarbeiter bei Aixam in Geestland: „In der Regel kriegen wir keine Autos zurück, weil die Jugendlichen sie untereinander handeln. Da gibt es immer bereits ein paar dankbare Abnehmer im Familien- oder Bekanntenkreis.“
Verschiedene Argumente zur Sicherheit der Mini-Autos
Das trifft auch in Jonas Fall zu. Seine jüngeren Schwestern Emily und Zoé können das 45-km/h-Auto aufgrund des Altersabstands fast fließend übernehmen. Dabei stand lange nicht fest, dass Jona überhaupt ein Mopedauto fahren würde. Seine Mutter war vorerst gar nicht von der Idee begeistert, wegen Sicherheitsbedenken: „Das ist ja bloß ein bisschen Kunststoff, da gibt es gar keine Knautschzone.“
Ein Zweirad als einzige Alternative mit 15 Jahren im Blick. Das sieht Annie anders. Für sie wäre ein Roller nicht infragegekommen, genauso wenig später ein Motorrad. „Ich würde mich einfach nicht so sicher auf zwei Rädern fühlen.“ Auch ihre Eltern hielten das Auto für die ungefährlichere Variante.
Polizei und ADAC sehen Sicherheitsvorteile gegenüber Zweirädern
In den letzten Unfallstatistiken der Polizei Cuxhaven wurden die Fahrzeuge noch nicht separat erfasst. Jedoch „sind in der Polizeiinspektion bisher kaum Unfälle mit diesen Fahrzeugen und gar keine Unfälle mit schwer verletzten oder getöteten Personen bekannt geworden“, teilt Pressesprecher Stephan Hertz mit. Die Fahrzeuge seien grundsätzlich „gut sichtbar und vollumfänglich beleuchtet“. Und: „Im Gegensatz zu Rollern sind die Fahrzeuge bei schlechten Witterungsbedingungen aufgrund ihrer Bauart auch spurstabiler als zweirädrige Fahrzeuge“, erklärt Hertz.
Auch der ADAC äußert, dass der Fahrer im Falle eines Unfalls durch Kabine und Anschnallgurt besser geschützt ist und nicht direkt auf die Fahrbahn fällt. Gefährlich werde es, wenn andere Verkehrsteilnehmer Geschwindigkeiten falsch einschätzen, „da diese Fahrzeuge visuell als „normale Autos“ wahrgenommen werden“. Daher ist ein Aufkleber mit einer gut sichtbaren „45“ am Heck des Autos Pflicht.
Die vier Jugendlichen fühlen sich in ihren Autos sicher. „Richtig nervig sind aber Rennradfahrer, weil die ja schon schneller unterwegs sind“, stellt Tinus fest. „Und Trecker!“, wirft Annie ein. Beide wären nur auf einer sehr langen, komplett geraden Strecke sicher zu überholen.
Jugendliche wissen ihre Autos zu schätzen
Nicht alle Eltern wollen oder können sich ein Mopedauto für etwa 10.000 Euro leisten – erst recht nicht die Jugendlichen. Jona ist sich dessen bewusst. „Die sind auch echt ziemlich teuer geworden. Aber es gibt immer noch andere Alternativen wie Roller, Bus oder die Bahn. Es ist kein Muss“.

Tinus, Lotti und Annie (von links) fahren täglich mit ihren 45-km/h-Autos zur Schule nach Bederkesa. Foto: Petersen
Auch Lotti, Annie und Tinus wissen, dass sie großes Glück haben, Auto statt Roller fahren zu dürfen. Annie und Lotti freuen sich vor allem, dass sie während der gemeinsamen Fahrt miteinander reden und Musik hören können, was sich auf einem Roller problematisch gestalten würde.
Das zweirädrige Problem mit der Führerscheinprüfung
Zur Diskussion sollte man laut den Fahranfängern die Vorgehensweise in den Fahrschulen stellen. Wer den fürs Microcar benötigten Führerschein der Klasse AM macht, ist bis nach Abschluss der Prüfung noch nie ein Mopedauto gefahren. Fahrstunden und Prüfung werden auf dem Roller absolviert. Das schätzen auch Experten des ADAC als „unterschätztes Problemfeld“ ein.
Da Jona direkt einen Treckerführerschein gemacht hat, mit dem er automatisch das Mopedauto fahren darf, hat er dementsprechend Erfahrung auf vier Rädern gesammelt. Für Lotti, Annie und Tinus war der Umstieg etwas gewöhnungsbedürftig: „Es gibt halt viel mehr Knöpfe als bei einem Roller“. Lotti hatte das Glück, sich als Beifahrerin bei ihrer großen Schwester schon einiges in Bezug auf die Handhabung abschauen zu können. Im Fahrschulunterricht seien die Unterschiede nicht thematisiert worden.
Nicht nur junge Menschen fahren Mopedauto
Das Geschäft mit den Fahrzeugen im Landkreis Cuxhaven lohne sich: „Hier gehen jede Woche reichlich raus“, sagt Gerhard Falk. Seit Corona hätten die Fahrzeuge einen „ganz schönen Boom“ erlebt. Wo damals mit verminderter Ansteckungsgefahr argumentiert wurde, ist heute vor allem die Wetterfestigkeit der Fahrzeuge das Hauptargument der Kunden.
Und die Mopedautos werden nicht nur bei Jugendlichen beliebter. Auch ältere Menschen sehen in den Mopedautos laut Falk eine Alternative. „Einige wollen einfach nicht mehr so schnell unterwegs sein und das 45er-Auto reicht für Einkäufe oder Arztbesuche aus“, so Falk.
Einkaufen. Das wollen auch Annie und Lotti noch, bevor sie gemeinsam von der Schule nach Hause fahren. Trotz Regen ist das mit ihrem kleinen weißen Flitzer gar kein Problem.