TMit 61 im dritten Lehrjahr: Lehrerin drückt die Schulbank

Bald Pflegefachfrau: Susan Lerdo zeigt ihren Bachelor of Science, den sie in den USA gemacht hat. Foto: Bisping
Eine Amerikanerin will an einer Regelschule unterrichten, doch das klappt nicht. Darum beginnt sie noch mit 58 Jahren eine Umschulung in Fredenbeck - und findet ihr Glück.
Fredenbeck. In einem Alter, in dem viele Arbeitnehmer schon von der Rente träumen dürften, kehrte Susan Lerdo ihre berufliche Laufbahn noch einmal auf links. Doch bevor es so weit kam, erhielt sie einen herben Schlag: Die US-Amerikanerin, die seit 2008 in Harsefeld lebt, erfuhr, dass sie nicht an einer Regelschule unterrichten darf. Susan Lerdo war am Boden zerstört.
In den USA hatte Lerdo ihren B.Sc. abgelegt - ihren Bachelor of Science in Mathematik. In Deutschland machte die dreifache Mutter ihren Master in Wirtschaft in einem Fernstudium - „in der Hoffnung, an einer Regelschule wie beispielsweise einer Realschule arbeiten zu können“, sagt sie. Mathe und Wirtschaft schwebten ihr vor. Doch daraus wurde nichts.
Ihr Master-Abschluss reichte nicht für eine Regelschule
„Als ich meine Masterarbeit verteidigt habe, dachte ich: Jetzt hast du dafür alles in der Tasche“, erinnert sich die heute 61-Jährige. Zunächst sah es so aus, als ob ihr Plan aufgehen würde. An der Oberschule in Harsefeld konnte sie sofort anfangen. „Ich liebte die Stelle“, sagt sie. Dann kam eine vernichtende Mail.
„Die Landesschulbehörde teilte mir mit, dass mein MbA nicht zum Unterrichten an einer Regelschule ausreicht.“ Susan Lerdo hätte noch ein zweieinhalbjähriges Studium absolvieren müssen. Dabei kann sie auf Unterrichtserfahrung zurückblicken, hat beispielsweise Englisch an einer Stader Sprachschule unterrichtet, an einer Privatschule in der Oberstufe Englisch, Mathe und IT. „Die Oberstufe wurde abgeschafft, weil es zu wenig Schüler gab“, sagt sie.
Ihre beruflichen Weichen stellte die Amerikanerin neu, nachdem sie zu Corona-Zeiten mehrfach in ihre Heimat gereist war und sich um ihre leicht demente Mutter und ihren Vater gekümmert hatte. Susan Lerdo erinnert sich: „Danach merkte ich, dass ich dort arbeiten wollte, wo ich gebraucht werde, wo ich anderen Menschen auch eine Freude bereiten kann.“
Zurück in Deutschland, orientierte sich Susan Lerdo um. „Ich habe nach einem Ausbildungsplatz gegoogelt“, sagt sie. Auf ihre erste Bewerbung in einem Krankenhaus erhielt sie eine Absage - nicht so vom Utspann in Fredenbeck. In der Wohneinrichtung für Menschen mit Demenz begann sie 2022 eine Umschulung zur Pflegefachfrau. Und fand sich mit 58 Jahren zwischen sehr vielen jungen Azubis wieder.
Ihre Mitschüler sind halb so alt - oder jünger
„Meine Klasse ist nett“, resümiert sie und ergänzt augenzwinkernd: „Viele sind nur halb so alt wie ich.“ Eine Mitschülerin war jünger als ihr jüngstes Kind, und das ist 21 Jahre alt.
Jetzt im Dezember hatte die 61-jährige Umschülerin ihre Vorprüfung, im Mai und Juni will sie ihre letzten Prüfungen ablegen. „Ich bin glücklich“, sagt sie heute. Sie lerne, mit dementen Menschen umzugehen, und mache im Utspann „eine Arbeit, die einen Unterschied macht“.
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„Ich bin ein Mensch, der Menschen liebt“, sagt Susan Lerdo von sich selbst. Einige Bewohner im Utspann seien ihr ans Herz gewachsen. Und sie ist überzeugt, dass demente Menschen vieles nicht ausdrücken, aber durchaus wahrnehmen können.
Zwei von Susan Lerdos Kindern stecken wie sie in einer Ausbildung: Ihr mittlerer Sohn (29) macht eine im Bereich E-Commerce, ihre Tochter (21) wird Operationstechnische Assistentin. Sie schmunzelt. „Und wir sind alle drei im dritten Lehrjahr.“