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Abenteuer

TMit 66 Jahren als Leih-Oma nach Kairo

Ulrike Weichert holt sich mit Steinen und einer Mini-Pyramide auf ihrem Balkon die Erinnerungen an ihre aufregende Zeit in Kairo zurück. Foto: Dührkop

Ulrike Weichert holt sich mit Steinen und einer Mini-Pyramide auf ihrem Balkon die Erinnerungen an ihre aufregende Zeit in Kairo zurück. Foto: Dührkop Foto: Dührkop

Die Welt entdecken, mal was Neues erleben: Das muss kein Privileg von jungen Erwachsenen sein. Ins Ausland als Aupair ist auch für Großmütter eine Option. Ulrike Weichert aus Bremerhaven ist begeistert, würde es aber trotzdem nicht wiederholen.

Von Julia Dührkop Dienstag, 13.08.2024, 13:50 Uhr

Sich den Auslandsaufenthalt mit Kinderbetreuung verdienen, ist ein beliebtes Modell, um nach dem Schulabschluss kostengünstig in ferne Länder zu reisen.

Diese Freiheit nutzen meist junge Erwachsene zwischen Schulabschluss und Studium. Diese Chance steht auch älteren Frauen offen.

Ulrike Weichert ist gerade von einem siebenmonatigen Aufenthalt in Ägyptens Hauptstadt Kairo zurückgekehrt. Der in Hamburg ansässige Verein Granny Au-pair vermittelt Frauen ab 50 Jahren, die bereits Enkelkinder haben, an Familien in aller Welt. Rund 20 Frauen aus Bremerhaven und dem Landkreis Cuxhaven haben bereits Familien in aller Welt unterstützt.

Motto des Vereins: „Runter vom Sofa, raus in die Welt“

Granny steht im englischsprachigen Raum für die liebevolle Kurzform von Großmutter. „Runter vom Sofa, raus in die Welt“ ist das Motto des Vereins. Gründerin Michaela Hansen hatte von jungen Au-pairs genug.

Nicht nur, dass ihnen oft die Lebenserfahrung fehlte, sie seien oft wie ein drittes Kind, spiegelt sie die Erfahrung vieler Familien wider. Vor rund 15 Jahren ist ihr die Idee gekommen, auf die Suche nach Leih-Omas zu gehen, die sie in der Betreuung unterstützen.

Abenteuerlust, Neugierde auf fremde Kulturen und Freude mit Kindern: Das muss eine Granny Au-pair mitbringen.

Ihr Wunsch: Im Ruhestand noch die Welt entdecken

Weichert, die bis vor einem Jahr das Familienzentrum am Martin-Donandt-Platz in Bremerhaven geleitet hatte, wollte als frisch gebackene Rentnerin noch etwas von der Welt sehen. Den Wunsch wollte sie nicht lange aufschieben.

Zunächst hat sie sich für bedrohte Tiere in Afrika einsetzen wollen. Als eine Vermittlungsagentur 17.500 Euro an Kosten überwiesen haben wollte, zog sie zurück.

Plan B war die Option, Kinder zu betreuen. Kleine Kinder schloss sie aus. „Mein Rücken hätte das nicht mehr mitgemacht“, sagt die Mutter zweier Söhne und Großmutter eines bereits 16-jährigen Enkels.

Mit der Familie in Kairo hat es gepasst: Ägypten stand auf Wunschliste

In ihrem Profil stellte sie Bilder aus ihrer Zeit im Familienzentrum ein. Mütter mit Kopftuch und arabisch aussehende Kinder waren der Schlüssel dafür, dass Weichert direkt 25 Angebote bekam.

Doch Kairo hat sie magisch angezogen. Zweimal war sie zuvor in Ägypten: Badeurlaub in Hurghada und eine Nil-Kreuzfahrt. Die Pyramiden und das große ägyptische Museum wollte sie besuchen.

Als Leih-Oma in Kairo hat Ulrike Weichert viel erlebt.

Als Leih-Oma in Kairo hat Ulrike Weichert viel erlebt. Foto: Privat

Dass sie nun innerhalb von sieben Monaten fünfmal mit der Familie Urlaub machen würde, ahnte sie nicht. Nicht nur der Wohlstand der Familie, auch dem Klimawandel war es zuzuschreiben, dass sie so häufig der Hitze entflohen sind. „Bis April war es mit 20 bis 30 Grad gut dort auszuhalten“, erzählt sie, „aber ab Mai wurden es 45 Grad.“

Sprachlich war es kein Problem, denn die Kinder besuchen eine deutsche Schule. Vorfahren der Mutter stammen aus Holland. Der Vater ist gebürtiger Brite. Sie sind privilegiert und sehr gebildet.

Ihre Berufserfahrung im Familienzentrum kam ihr zugute

So ist ihnen wichtig, dass die Leih-Oma die Hausaufgaben betreut. „Vormittags hatte ich Zeit, was zu unternehmen, aber ab 14 Uhr war ich für die Kinder da“, erzählt sie. Besonders um den achtjährigen Sohn sollte sich Weichert kümmern.

Der achtjährige Junge Abdelassis, genannt Zizo, hat von Ulrike Weichert Unterstützung bei den Hausaufgaben bekommen. Foto: Privat

Der achtjährige Junge Abdelassis, genannt Zizo, hat von Ulrike Weichert Unterstützung bei den Hausaufgaben bekommen. Foto: Privat Foto: Privat

Abdelaziz, genannt Zizo, wunderte sich, wie gut sich die Gast-Oma in den Schulbüchern auskannte. „Es waren genau die gleichen, wie ich sie aus der Hausaufgabenbetreuung im Familienzentrum kannte“, erzählt sie.

Es war der Mutter wichtig, dass Weichert für sieben Monate kommen sollte. Üblich seien drei Monate, so Weichert, die ihre Yoga-Kurse an der Volkshochschule vorübergehend aussetzen musste. Sie sollte dem Sohn ein Schulhalbjahr zur Seite stehen.

Strukturierter Tagesablauf und Familienanschluss am Freitag

Als er mit einer mangelhaften Note nach Hause kam, dachte sich die Leih-Oma Geschichten zum besseren Textverständnis aus. „Beim nächsten Test hat er eine 2+ geschafft“, erzählt die Rentnerin. Doch die Mutter war nicht zufrieden, es hätte auch eine 1 sein können.

Für die Kinder gibt es einen festen Tagesablauf. Sie sind sportlich aktiv. Freitags wurde der Familie gewidmet, da kam der Clan zusammen und so lernte Weichert auch die leibliche Oma der Kinder kennen. Konkurrenz ist aber nicht aufgekommen.

Zum Abschied unternimmt die Familie mit Ulrike Weichert eine Fahrt auf dem Nil mit einer Feluke, einem kleinen Segelboot. Foto: Privat

Zum Abschied unternimmt die Familie mit Ulrike Weichert eine Fahrt auf dem Nil mit einer Feluke, einem kleinen Segelboot. Foto: Privat Foto: Privat

Für Weichert gab es Kost und Logis frei, auch zu den Urlauben oder zum Essengehen wurde der Gast eingeladen. „Es steht uns frei, ein Honorar auszuhandeln, aber wir spenden als Oma unsere Zeit“, erklärt sie.

Sie hat den Flug gebucht, Reisepass, Kreditkarte und eine Reiseversicherung beantragt. Zusammen mit einer anderen Granny aus der Verwandtschaft hat sie Ausflüge unternommen. „Ich habe mich immer sicher gefühlt, obwohl der Aufenthalt genau in die Zeit des Nahost-Krieges fiel“, sagt sie.

Trotz der positiven Erfahrung würde sie nicht wieder als Leih-Oma in die Welt hinausfahren. Ihre Wunschliste ist noch lang.

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