TMit Tempo 160 am Handy: Unfallfahrer lässt 28-Jährige einfach liegen

Weil der Unfallverursacher sich nicht um sie kümmerte, musste eine junge Frau sterben. Foto: David-Wolfgang Ebener
Auf dem Weg zu seinem Dealer verursacht ein 35-jähriger Sittensenser auf der A27 einen tödlichen Verkehrsunfall. Im Prozess wird klar: Er hat sich nicht nur eines Vergehens schuldig gemacht.
Sittensen. Der Angeklagte hatte sich bei Tempo 160 mit seinem Handy beschäftigt und sich nach dem Unfall nicht um die aus dem Heidekreis stammende 28-Jährige gekümmert. Das Schöffengericht des Verdener Amtsgerichts hat ihn bereits im Juni 2024 der fahrlässigen Tötung und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gesprochen.
Nun ging es in einer Berufungsverhandlung am Verdener Landgericht nur noch um die Strafhöhe.
Zwei Jahre und sieben Monate hatten die Richter in erster Instanz als angemessen erachtet. Dagegen hatte der Angeklagte Berufung eingelegt. Dass er die Urteilsfeststellungen akzeptiert hat, also sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, war auf jeden Fall zu seinen Gunsten zu werten.
Unfallfahrer: erst gestoppt und dann abgehauen
Damit stand schon zu Beginn der Verhandlung rechtskräftig fest, dass er alkoholisiert war, als er an der Anschlussstelle Goldbach auf die Autobahn 27 aufgefahren war. Dabei hatte er den Smart übersehen, mit dem die Bremerin von der Raststätte auf die Autobahn aufgefahren war. Er hatte eine Nachricht verschickt, „dass er auf dem Weg nach Walsrode sei, wo es gleich gewaltig schneien werde“, was auf Koks bezogen war.
Er hatte nur von 160 auf 140 Kilometer pro Stunde abbremsen können. Der Kleinwagen war in die Leitplanke geschleudert worden. Und der Angeklagte: der war weitergefahren, hatte nach circa 700 Metern gestoppt, sich eine Flasche Strothmann mitgenommen und über einen Wildzaun geklettert und abgehauen.
Ersthelfer kümmern sich um die junge Frau
Ersthelfer hatten sich um die 28-Jährige gekümmert. In einer Klinik war sie wegen einer Hirnblutung noch notoperiert worden. Derweil hatte der Angeklagte seinen Dealer nach Langwedel bestellt, sich von seiner Mutter abholen lassen und dann bei einem Freund weiter getrunken.
Am darauffolgenden Tag war die junge Frau verstorben. Bis der Angeklagte ermittelt und angetroffen werden konnte, es handelte sich um ein Fahrzeug seines damaligen Arbeitgebers, vergingen nochmals drei Tage.
Drogen, Alkohol, persönliche Probleme, an allem arbeite er seitdem und habe sich dafür auch professionelle Hilfe gesucht, schilderte der 35-Jährige gestern. Psychiatrische Institutsambulanz, Selbsthilfegruppen, Gespräche beim Hausarzt. Auf einen Termin beim Psychiater warte er seit einem Jahr. Er wisse, dass er „völlig fahrlässig, verantwortungslos gehandelt“ habe und es sei „schrecklich, dass jemand so zu Schaden gekommen ist“, sagte er und entschuldigte sich.
Verteidiger beantragte Bewährungsstrafe
Der Verteidiger beantragte eine zweijährige Bewährungsstrafe. Einig waren sich der Staatsanwalt und der Anwalt der Familie der Getöteten, dass die Berufung zu verwerfen sei. Am Ende wurde die Strafe von der 5. kleinen Strafkammer auf zwei Jahre und zwei Monate reduziert. Bedeutet: Haft. Die Fahrerlaubnis werde noch für ein Jahr entzogen und darf vorher nicht neu beantragt werden.
„Durch die Beschränkung hat er Verantwortung übernommen“, stellte der Vorsitzende Richter Heiko Halbfas fest. Anders als die Nebenklage sei man der Auffassung, „dass der Angeklagte das Geschehen sehr wohl aufrichtig bereut“. Bei dieser Aussage atmete der Vater neben seinem Anwalt tief durch.
„Nachtatverhalten“ spielt bei der Urteilsfindung eine große Rolle
Bewusst sei er so schnell gefahren und genauso bewusst hat er sich dabei mit seinem Mobiltelefon befasst. „Das ist ein erheblicher Pflichtverstoß.“ Zudem war er, wie in erster Instanz festgestellt und nun mit der Berufungsbeschränkung bestätigt, alkoholisiert. Für die nun zuständige Kammer habe das „Nachtatverhalten“ bei der Urteilsfindung eine große Rolle gespielt: „Wenn man zur Tagesordnung übergeht, seinen Dealer herzitiert und sich dann von der Mutter zu einem Freund kutschieren lässt, um dort zu saufen“.
Viele Angehörige und Freunde waren zum Prozess gekommen. Der Vater als Nebenkläger schilderte, wie der Verlust und der Schmerz das Leben bestimmen. „Wir haben lebenslänglich. Wir müssen es aushalten“, sagte er „Wir wären froh, wenn das Verfahren endlich abgeschlossen ist. Es wäre ein kleines Stückchen Abschluss.“
Das liegt in der Hand des Angeklagten. Nur ihm steht noch das Rechtsmittel der Revision zu.