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Nordsee

TMit dem Schlauchboot über die Nordsee: Eine verrückte Reise nach Helgoland

Mit dem Schlauchboot hat Horst Wittenberg schon einige besondere Fahrten unternommen. Wasser übt auf ihn eine magische Anziehungskraft aus.

Mit dem Schlauchboot hat Horst Wittenberg schon einige besondere Fahrten unternommen. Wasser übt auf ihn eine magische Anziehungskraft aus. Foto: privat

Ein erfahrener Seemann wagt im hohen Alter eine abenteuerliche Schlauchbootfahrt. Nur wenige Menschen wissen von seinem Plan. Mitten in der Nacht sticht er in See.

Von Sabrina Krabbenhoeft Samstag, 26.07.2025, 10:00 Uhr

Nordenham. Das letzte Mal, als die Kreiszeitung von Horst Wittenberg berichtete, war er gerade 1500 Kilometer mit dem Schlauchboot bis nach Polen gefahren. Er besuchte seine alte Heimat. Der 82-Jährige ist in Stettin geboren und floh als Zweijähriger mit der Großmutter von Swinemünde über die Ostsee in den Westen. Diesmal sollte es von Büsum bis nach Helgoland zur Langen Anna gehen. „Es war mein Traum, einmal mit dem Schlauchboot nach Helgoland überzusetzen. Außerdem heißt meine Enkeltochter Anna“, begründet er das Ziel.

Von Leichtsinn keine Spur

Zwei Jahre bereitet er sich auf die Fahrt vor. Im Swimmingpool seiner Tochter testet er Rettungswesten und -anzüge. Er besucht einen Lehrgang für Pyrotechnik in Bremen - der erlaubt es ihm Signalraketen zu kaufen und abschießen zu dürfen. Zusätzlich kauft er ein GPS-Telefon, mit dem er im Notfall per Knopfdruck auf dem offenen Meer geortet werden kann. Ein Navigationsgerät mit Karten für die See verstaut er an Bord in einem selbstgebauten Holzgehäuse.

Dieser selbstgebaute Stuhl diente Horst Wittenberg als Sitzgelegenheit auf dem Boot.

Dieser selbstgebaute Stuhl diente Horst Wittenberg als Sitzgelegenheit auf dem Boot. Foto: Krabbenhoeft

„Ich bin nicht leichtsinnig. Wer sich nicht 100-prozentig auf dem Meer auskennt, kann leicht die Orientierung verlieren und auf das offene Meer hinaustreiben“, sagt er. 48 Jahre fuhr Horst Wittenberg als leitender Schiffsingenieur zur See. Das Gebiss eines selbst gefangenen Hais an der Wand seines Wohnzimmers und eine Weltkarte mit zahlreichen Pins der angelaufenen Häfen zeugen von dieser Zeit.

Beinah wäre aus der Überfahrt nichts geworden

Das neue Schlauchboot bekommt, wie alle vorherigen Modelle, den Namen Rocky. Es ist 1,54 Meter breit, 3,30 Meter lang. Der Bordmotor hat eine Leistung von 9,9 Pferdestärken. Mit dem beladenen Boot unternimmt der Senior zahlreiche Probefahrten. Unter seinem selbstgebastelten Sitz verstaut er Werkzeug und Ladegeräte. Als Gegengewicht lädt er 90 Liter Benzin in einen Kanister.

Auf Schiffen wie diesen fuhr Horst Wittenberg über 45 Jahre zur See. Ein Bekannter hat das Bild für ihn aus Streichhölzern gebastelt.

Auf Schiffen wie diesen fuhr Horst Wittenberg über 45 Jahre zur See. Ein Bekannter hat das Bild für ihn aus Streichhölzern gebastelt. Foto: Krabbenhoeft

Dann reserviert er die Woche vom 12. bis 19. Juli auf dem Campingplatz in Büsum. Von dort sind es rund 70 Kilometer bis nach Helgoland. „In dieser Zeit musste das Wetter passen, sonst hätte ich die Tour nicht gemacht“, sagt er.

Auf der Weltkarte hat Horst Wittenberg die Länder markiert, die er in seiner Berufslaufbahn als leitender Schiffsingenieur besucht hat.

Auf der Weltkarte hat Horst Wittenberg die Länder markiert, die er in seiner Berufslaufbahn als leitender Schiffsingenieur besucht hat. Foto: Krabbenhoeft

Bevor es losgeht, will er einmal mit der Fähre auf die Insel übersetzen und dabei das Navigationssystem überprüfen. Für den Weg zum Hafen nutzt er seinen E-Scooter. Und da passiert es - er strauchelt und fällt kopfüber auf den Asphalt. Er verletzt sich über dem linken Auge und prellt sich empfindlich die Rippen. „Aber ich konnte ja nicht aufgeben, weil ich mit dem Scooter hinfalle. Trotzdem tat das ganz schön weh“, sagt er.

Nur seine Tochter und eine Dame auf dem Campingplatz wissen von seinem Plan

Am Montag, 14. Juli, ist es so weit. Die See ist ruhig, die Beaufort-Skala zeigt ein bis zwei Windstärken an. Nur Horst Wittenbergs Tochter und eine Frau auf dem Campingplatz wissen von seinem Plan. Anita aus Itzehoe ist mit dem Rad unterwegs. Die 73-Jährige war vor ihrer Berentung Köchin auf einem Schiff. Der Nordenhamer und sie verstehen sich auf Anhieb. Die Dame nimmt ihm das Versprechen ab, sich zu melden, sobald er Helgoland erreicht hat. „Wenn Du bis Mitternacht nicht zurück bist, schlage ich Alarm“, sagt sie.

Bevor es losgeht, will er einmal mit der Fähre auf die Insel übersetzen und dabei das Navigationssystem überprüfen. Für den Weg zum Hafen nutzt er seinen E-Scooter. Und da passiert es - er strauchelt und fällt kopfüber auf den Asphalt. Er verletzt sich über dem linken Auge und prellt sich empfindlich die Rippen. „Aber ich konnte ja nicht aufgeben, weil ich mit dem Scooter hinfalle. Trotzdem tat das ganz schön weh“, sagt er.

Nur seine Tochter und eine Dame auf dem Campingplatz wissen von seinem Plan

Am Montag, 14. Juli, ist es so weit. Die See ist ruhig, die Beaufort-Skala zeigt ein bis zwei Windstärken an. Nur Horst Wittenbergs Tochter und eine Frau auf dem Campingplatz wissen von seinem Plan. Anita aus Itzehoe ist mit dem Rad unterwegs. Die 73-Jährige war vor ihrer Berentung Köchin auf einem Schiff. Der Nordenhamer und sie verstehen sich auf Anhieb. Die Dame nimmt ihm das Versprechen ab, sich zu melden, sobald er Helgoland erreicht hat. „Wenn Du bis Mitternacht nicht zurück bist, schlage ich Alarm“, sagt sie.

Es hat alles geklappt - Horst Wittenberg ist wohlbehalten von seiner Helgoland-Tour zurückgekehrt. Für die Planung hatte er sich zwei Jahre Zeit genommen.

Es hat alles geklappt - Horst Wittenberg ist wohlbehalten von seiner Helgoland-Tour zurückgekehrt. Für die Planung hatte er sich zwei Jahre Zeit genommen. Foto: Krabbenhoeft

Horst Wittenberg parkt sein Auto am Sonntagabend am Pier und übernachtet dort. Den Wecker stellt er auf 2 Uhr, um bei Hochwasser um 3.56 Uhr rauszufahren. Doch er schläft schlecht und wacht bereits früher auf. Er beschließt ins Boot zu steigen und eine Runde im Hafen zu drehen.

Navigation mit dem Kompass und einzelnen Wolken

Die Wellen sind sanft und langgezogen. „Als ich 37 Kilometer weit draußen war, sah ich nur noch Wasser. Hoffentlich fährst Du nicht an Helgoland vorbei, dachte ich. Aber ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass ich richtig navigiere. Ich habe den Motor aufgedreht und bin abgezischt“, erzählt er.

70 Kilometer mit dem Schlauchboot

Um 9.30 Uhr erreicht Horst Wittenberg die Insel. Er umrundet sie einmal, vorbei an der Langen Anna. Im Hafen hilft ihm ein Segler, sein Boot festzumachen und bietet ihm einen heißen Tee an. Statt einer Pause entscheidet sich der Seefahrer direkt den Rückweg anzutreten. Weil das Navi verrückt spielt, orientiert er sich mithilfe des Kompasses und einzelner Wolken.

Die Bildschirmaufnahme des Navis zeigt den Streckenverlauf, den Horst Wittenburg genommen hat - links liegt Helgoland, rechts Büsum. Die grüne Fläche markiert Wattengebiet.

Die Bildschirmaufnahme des Navis zeigt den Streckenverlauf, den Horst Wittenburg genommen hat - links liegt Helgoland, rechts Büsum. Die grüne Fläche markiert Wattengebiet. Foto: Krabbenhoeft

Nach 15 Stunden im Boot geht er in Büsum an Land. Der Hafenmeister spricht ihn an, weil ein Segler das kleine Schlauchboot weit draußen gesehen und fotografiert hat. Als er die wahren Hintergründe erfährt, ist er mehr als überrascht: „Ich hätte Dir die Wasserschutzpolizei hinterhergeschickt“, sagt er. Die Reise mit dem Schlauchboot ist zwar nicht verboten, aber die Beamten hätten sicher Gründe gefunden, ihn aufzuhalten. Da ist sich Horst Wittenberg sicher.

Am Tag der Rückkehr wurde der Seefahrer von Freunden und Verwandten vor seinem Haus empfangen.

Am Tag der Rückkehr wurde der Seefahrer von Freunden und Verwandten vor seinem Haus empfangen. Foto: privat

Zusammen mit Anita nutzt er die verbleibenden Tage auf dem Campingplatz, um sich zu erholen. Zu Hause erwarten ihn bereits die Nachbarn und Freunde. Bis zu seiner nächsten Fahrt, diesmal wahrscheinlich nach Amsterdam, hat er wieder ein paar Jahre Zeit.

Mit diesem Boot fuhr der 82-Jährige mitten in der Nacht nach Helgoland.

Mit diesem Boot fuhr der 82-Jährige mitten in der Nacht nach Helgoland. Foto: privat

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