TMit der CDU auf Lehrkräfte-Suche: 7 Vorschläge vom Bildungstreffen

Birgit Butter, Christian Fühner und Melanie Reinecke beim Bildungsgipfel des Kreisverbands der CDU im Havenhostel in Stade. Foto: Anping Richter
Der Lehrermangel in Niedersachsen verschärft sich. Am schlimmsten ist er im Kreis Stade mit einer Unterrichtsversorgung von 90,3 Prozent. Die CDU hatte zum Bildungsgipfel eingeladen, um Wege aus der Krise zu suchen - das sind die Vorschläge.
Landkreis. Die Lage in den Schulen ist dramatisch, haben die CDU-Landtagsabgeordneten Melanie Reinecke und Birgit Butter aus dem Landkreis Stade in ihrer Einladung zum Bildungsgipfel mit Christian Fühner geschrieben. Der Landtagsabgeordnete aus Lingen (Ems) ist bildungspolitischer Sprecher der niedersächsischen CDU und war selbst Berufsschullehrer.
Nach einem kurzen Vortrag beantwortete er die Fragen der rund 40 anwesenden Interessierten, darunter mehrere Vertreter von Schulen und Kommunen. Hier die wichtigsten Fragen aus der Diskussion und die Antworten darauf.
1. Wie können Lehrkräfte von Zusatzaufgaben entlastet werden, um mehr Zeit für die pädagogische Kernarbeit zu haben?
Aus Fühners Sicht müssen Lehrkräfte viel zu viele fachfremde Tätigkeiten wahrnehmen. Zwei Beispiele: Die Betreuung von Schulgirokonten und Abrechnung von Schulausflügen und Klassenfahrten binde ein Äquivalent von 286 Vollzeit-Lehrerstellen, die Wartung und Pflege von IT 67 Vollzeit-Stellen in Niedersachsen. Statt Pädagogen damit zu beschäftigen, sollte fachlich geeignetes Personal eingestellt werden.
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2. Wie könnte eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Schulabschlüsse helfen?
In der Oberschule Horneburg gibt es eine ukrainische Lehrkraft, berichtet Birgit Butter. Sie sei sehr beliebt, aber ihr fehle ein Fach zur Anerkennung. Das gleiche Problem habe es schon bei einer anderen Lehrkraft aus der Ukraine gegeben. „Die ist jetzt nach Hamburg gegangen“, sagt Butter und plädiert für mehr Pragmatismus in Niedersachsen: „Wir können es uns nicht erlauben, starr an solchen Standards zu kleben. Kurzfristige Lösungen müssen her.“ Auch Fühner hält das für wichtig: „Ausländische Lehrkräfte entlasten oft den Rest des Kollegiums.“ Denn sie könnten muttersprachkundig und sensibel auf Probleme eingehen, bei ukrainischen Schülern zum Beispiel auf kriegsbedingte Traumata.
3. Können Quereinsteiger und pensionierte Lehrkräfte den Personalmangel entschärfen?
Das Quereinsteigerstudium in Niedersachsen sei anspruchsvoll und kompliziert, sagt Fühner. Um den Quereinstieg einfacher zu machen, gab es Ansätze, doch die seien gescheitert. Es müsse ein attraktives Programm auf den Weg gebracht werden. Für pensionierte Lehrkräfte müsse die Zuverdienstgrenze erhöht werden, außerdem dürfe nicht verlangt werden, dass sich jemand, der schon im Schuldienst war, erneut dem Bewerbungsprozess unterzieht.
4. Kann Online-Fernunterricht helfen?
Nein, sagt Fühner. Er sei nicht grundsätzlich dagegen, aber Online-Unterricht sei keine echte Lösung. „Die Bildschirmzeiten von jungen Schülern explodieren jetzt schon“, sagt er. In Schweden, das für seine Digitalisierung viel gelobt wurde, sei die Lernkompetenz der Schüler gesunken. Nun werde zurückgerudert - zu Heft und Buch. Nach dem Stand der Wissenschaft sei die Lehrer-Schüler-Bindung für den Lernerfolg das Wichtigste.

Bildungsgipfel bei der CDU aus aktuellem Anlass: Der Landkreis Stade ist Schlusslicht bei der Unterrichtsversorgung. Foto: Anping Richter
5. Wie kann eine Region im ländlichen Raum für Lehrkräfte attraktiver werden?
Die Unterrichtsversorgung von 90,3 Prozent im Landkreis Stade ist ein Durchschnittswert. „Wir liegen noch weit darunter“, sagt Erika Hatecke, Samtgemeindebürgermeisterin in Nordkehdingen. Sie habe eine super ausgestattete Oberschule mit einer tollen Mensa, in der mangels Lehrkräften und Nachmittagsunterricht zu wenige Schüler essen.
Ein junges Lehrerpaar aus Drochtersen berichtete, sie hätten gemeinsam in die Region gewollt. Beide studierten Mangelfächer - doch das Studienseminar in Stade bot ihnen nichts an. Die Regionalen Landesämter (RLSB) wirkten oft eher einschränkend als unterstützend, kritisiert Christian Fühner. Sie sollten gezwungen werden, Perspektivgespräche mit jedem Absolventen zu führen. Er plädierte dafür, die Schulämter kleinteiliger zu machen und möglichst in jedem Landkreis eins anzusiedeln. Dann seien sie näher an den Schulen und ihren Problemen.
Landrat Kai Seefried will anregen, eine Modell-Bildungsregion Lüneburg zu bilden: Gemeinsam mit dem RLSB sollten Bausteine zur Gewinnung von Lehrkräften erarbeitet werden, darunter eine Stärkung des Studienstandorts Stade und Werbung für die Region und die Vielfalt ihrer Schullandschaft.
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6. Weshalb können Kreisjugendmusikschullehrer nicht am Vormittag als Musiklehrer eingesetzt werden?
Musik ist Mangelfach und die für den Musikunterricht gut qualifizierten Lehrkräfte der Kreisjugendmusikschule haben vormittags meist frei. Doch aus Fühners Sicht ist das Problem die Scheinselbstständigkeit. Sie seien keine Lehrkräfte im Sinne der niedersächsischen Lehrerversorgung. In Projekten können sie eingesetzt werden. Eine bessere Kooperation mit Musikschulen, Kunstschulen oder Waldpädagogen zu ermöglichen, fände er sinnvoll.
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7. Wie kann das finanziert werden?
Wenn Lehrerstellen nicht besetzt werden können, sollen die Mittel der Schule zur Verfügung gestellt werden - zum Beispiel für die Entlastung von Zusatzaufgaben oder die Kooperation mit Musik- und Kunstschulen. Ansonsten waren sich die drei Landtagsabgeordneten einig: Mehr Geld helfe wohl, doch das allein sei kein Allheilmittel.