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Großenwörden

TMord an der Ehefrau: Sechs Jahre danach wird der Tatort versteigert

Seit sechs Jahren sind Wohnhaus und Nebengebäude in der Seestraße unbewohnt. Jetzt hat ein Ehepaar aus Kehdingen das Anwesen ersteigert.

Seit sechs Jahren sind Wohnhaus und Nebengebäude in der Seestraße unbewohnt. Jetzt hat ein Ehepaar aus Kehdingen das Anwesen ersteigert. Foto: Uwe Schmidt

Ein 2800 Quadratmeter großes Grundstück mit Haus und Nebengebäude in Großenwörden kommt unter den Hammer. Von der Vergangenheit der Immobilie wusste das siegreiche Bieterpaar nichts.

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Von Susanne Helfferich
Freitag, 11.07.2025, 17:13 Uhr

Großenwörden. Rund 50 Interessierte drängen am Donnerstagvormittag in den Saal 10 des Stader Amtsgerichts, wo das Großenwördener Anwesen zwangsversteigert wird. Seit sechs Jahren stehen Haus und Nebengebäude leer. Doch jetzt soll die Immobilie unter den Hammer kommen.

Das Interesse ist so groß, dass Rechtspfleger Jens Tudyka sich um einen größeren Saal bemüht hatte. Vergeblich. Um rechtzeitig die Sicherheitsschleuse im Gericht zu passieren, parkt mancher sein Auto im absoluten Halteverbot der Ritterstraße.

Im Eingangsbereich des Gerichts tauschen sich zwei junge Männer - der eine aus Hamburg, der andere aus Berlin - über den Zustand des Hauses aus. Der Kamin sei schlecht, überall Schimmel, das Dach auch nicht gut. Doch so viele Angebote gebe es nicht, um aus der Stadt raus aufs Land zu ziehen, so der Hamburger. „Als Erstes muss das Gewächshaus abgerissen werden“, erklärt der Berliner mit Pferdeschwanz.

Vorbesitzer ist wegen Mordes verurteilt

Er hat gegoogelt und von dem Mordprozess vor fünf Jahren gelesen. Der Angeklagte und rechtskräftig Verurteilte hatte im Januar 2019 seine schwer kranke Frau getötet und im Gewächshaus vergraben. Fast auf den Tag genau ein Jahr später wurde der ehemalige Fremdenlegionär wegen Mordes an seiner Frau zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Urteilsspruch kam für Prozessbeobachter überraschend. Hatten doch Verteidigung und Staatsanwaltschaft auf eine Verurteilung wegen Tötens auf Verlangen plädiert.

Zurück blieben Haus und Hof in Großenwörden und viele offene Rechnungen. Zu den Gläubigern gehören mehrere Geldinstitute. Eines hat nun die Zwangsversteigerung angestrengt und Uwe Schmidt, Geschäftsführer der Immobilienbüro Feldt GmbH in Hamburg, beauftragt, den Prozess zu begleiten. Seit 20 Jahren ist der Immobilienmakler im Geschäft. Er bezeichnet sich als Problemlöser, begleitet auch Teilungsverfahren und Scheidungen. Er will aber auch Aufmerksamkeit und Gewinn erzielen.

500 Anfragen gehen beim Immobilienhändler ein

Im vorliegenden Gutachten gibt ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger für das mittlerweile verwilderte Anwesen einen Verkehrswert von 30.000 Euro an. Über die Veröffentlichungen seines Immobilienbüros in allen bekannten Portalen sowie im hauseigenen Newsletter seien weit mehr als 500 Anfragen eingegangen, erzählt Uwe Schmidt. „Einige Interessenten äußerten aufgrund der Vorgeschichte natürlich Bedenken.“ Im Gutachten werde auf das Tötungsdelikt hingewiesen, doch die meisten Interessenten seien damit rational umgegangen.

Trotz - vielleicht aber auch wegen - der Vorgeschichte füllt sich der Gerichtssaal am Donnerstag schnell. Potenzielle Bieter geben ihre Personalien an und belegen ihre Sicherheiten. Im Vorwege seien bei der Gerichtskasse 27 Überweisungen eingegangen, erzählt der gut gelaunte Rechtspfleger Jens Tudyka. Sie sollen die Gebote absichern und die Ernsthaftigkeit der Teilnahme demonstrieren. „Wir werden vermutlich beim doppelten Verkehrswert landen“, frohlockt er.

Verkehrswert verdoppelt sich auf 60.000 Euro

Um 10.45 Uhr läutenTudyka und die benachbarte Kirchenglocke die Bietzeit ein, die mindestens 30 Minuten dauern soll. Das erste Gebot von 10.000 Euro fasst der Rechtspfleger als nahezu unerhört auf: „Wir wollen ordentliche Gebote hören“, rügt er. Ein Ehepaar wirft „40.000“ in den Ring. Eine ältere Dame legt 5000 Euro drauf, ein Jüngerer bietet 48.000 Euro.

Da erkennt der Pferdeschwanzträger aus Berlin, dass er fehl am Platz ist und nicht mitbieten kann. „Zeit ist Geld“, murmelt er beim Rausgehen. Auf 55.000 Euro erhöht das Paar, der Jüngere kontert mit 56.000 Euro, das Paar ruft 60.000 Euro auf. Die halbe Bietzeit ist vorbei - und Schweigen breitet sich im Saal aus. Eine geschlagene Viertelstunde tut sich nichts, bis um 11.16 Uhr Rechtspfleger Tudyka die Versteigerung mit dem Zuschlag für das Ehepaar offiziell beendet.

Beide strahlen über das ganze Gesicht und nehmen Glückwünsche entgegen, freuen sich über das Schnäppchen, von dem sie noch nicht wissen, was sie daraus zaubern wollen.

Überraschend: Erst jetzt realisieren sie, dass sie einen Tatort gekauft haben. Das habe sie nicht gewusst, sagt sie erschrocken. Er erinnert sich dunkel an die Geschichte. Doch die Nachricht schmälert die Freude nur kurz. Schlechte Laune haben dagegen die in der Ritterstraße parkenden Autofahrer: Ihre Fahrzeuge wurden abgeschleppt.

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