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Landgericht Stade

TMutter von misshandeltem Baby merkte, „dass etwas nicht stimmte“

Vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade wurde am Montag der Prozess gegen einen 24-jährigen Lamstedter fortgesetzt.

Vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade wurde am Montag der Prozess gegen einen 24-jährigen Lamstedter fortgesetzt. Foto: Archiv

Eine Familie wird zerstört: Ein junger Vater soll seinen kleinen Sohn so sehr geschüttelt haben, dass dieser zum Pflegefall wurde. Mit der Mutter und den Großeltern im Zeugenstand wurde es emotional.

Von Kai Koppe Dienstag, 12.11.2024, 11:00 Uhr

Stade. Richtig glücklich waren die Eltern offenbar nicht gewesen über die Partnerwahl ihrer Tochter: Von einer „On-Off-Beziehung“ war am jüngsten Verhandlungstag vor dem Landgericht Stade die Rede, auch von bisweilen in Handgreiflichkeiten mündenden Streitereien und von Drogen, zu denen zumindest der auf der Anklagebank sitzende junge Mann eine höhere Affinität gehabt haben soll.

Als das Kind kam, ließen die Spannungen nach: Eigentlich, so betont ein Lamstedter (61), schien in der jungen Familie alles rundzulaufen: Weil das Baby das Ein und Alles des Kindsvaters gewesen sei, habe er, der Großvater, sich niemals Gedanken gemacht. „Sonst hätten wir den Kleinen wohl kaum mit ihm alleine gelassen.“

Beziehung des Paares war Gegenstand der Befragung

Das Undenkbare geschah Anfang November vergangenen Jahres. Auf „Misshandlung von Schutzbefohlenen und schwere Körperverletzung“ lautet die Anklage - Vorwürfe, die der 24-jährige Beschuldigte schon bei Prozessauftakt einräumte: Seine Anwältin verlas eine Erklärung des Angeklagten; er selbst blieb im Saal bislang weitgehend stumm - so jedenfalls an Tag zwei des vor dem Landgericht Stade geführten Verfahrens.

Meist hielt er den Kopf gesenkt, wurde zwischenzeitlich von einem Weinkrampf geschüttelt und wich Blickkontakten aus - etwa, als die inzwischen von ihm getrennt lebende Mutter seines Sohnes befragt wurde. Aber auch bei der Vernehmung der Großeltern.

Die oben Genannten hatte die Kammer am Montag als Zeugen geladen. Der Kammervorsitzenden und den Beisitzern ging es in diesem Zusammenhang vor allem darum, sich ein Bild von der bisweilen schwierigen Beziehung der jungen Eltern zu machen.

Auch wollte man herausfinden, wie sich der Angeklagte nach der Tat verhalten hatte und wie es um das seinerzeit zweieinhalb Monate alte Baby bestellt war, als die Kindsmutter nach einem persönlichen Termin nach Hause zurückkehrte. Dass mit ihrem Säugling „etwas nicht stimmte“, hatte Letztere gleich bei der Rückkehr bemerkt. Zweifel, dass der Zustand ihres Sohnes einer Erkältung zuzuschreiben sei, wuchsen rasch.

Beschuldigter wollte das Geschehene zunächst verschleiern

Der Beschuldigte hingegen, der in der vor Gericht verlesenen Erklärung eingeräumt hat, das Kind heftig geschüttelt zu haben, setzte am Tattag offenbar eine Menge daran, zu beschwichtigen und das Geschehene zu verschleiern. Auf Nachfragen hin wiegelte er ab und versuchte seine Partnerin von dem Entschluss abzubringen, ärztliche Hilfe zu suchen. Als er zu vorgerückter Stunde eine Geschichte auftischte, nach welcher das Baby angeblich von einer Wickelkommode gefallen war, schien unter den behandelnden Medizinern längst klar, dass die erheblichen Verletzungen des Babys nicht von einem einfachen Sturz herrühren konnten.

Dem Vernehmen nach hielt der 24-Jährige zunächst weiterhin an seiner Version fest. Er soll seine Lebenspartnerin mit Screenshots einschlägiger Webseiten bombardiert haben. Tenor: Ärzte lügen.

Hatte der junge Mann Drogen genommen, als er sein Kind malträtierte? Diese mutmaßlich für die Strafzumessung entscheidende Frage klang am Montag wiederholt an. Der Beschuldigte selbst soll eingeräumt haben, vor der Tat Kokain konsumiert zu haben - eine Aussage, die sich auf dem Wege der Zeugenvernehmungen nicht entkräften, aber auch nicht bestätigen ließ. „Er war geknickt“, so der Großvater des misshandelten Kindes über die Verfassung des Angeklagten im Verlauf des Tattages.

Nach der heutigen Gefühlslage in der Familie der Kindsmutter hatte sich die Richterin ebenfalls erkundigt. „Das Liebste“ habe der Angeklagte ihnen „fast genommen“, antwortete die Großmutter. Und sprach davon, dass der 24-Jährige „im Grunde“ nicht nur das Leben ihres Enkels zerstört habe, sondern das Dasein „von uns allen“.

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