Zähl Pixel
Krise im Handel

TNach 60 Jahren: Schuhladen muss schließen

Das Schuhhaus Bose von Diana und Jörg Heppke in Cuxhaven-Dorum schließt.

Das Schuhhaus Bose von Diana und Jörg Heppke in Cuxhaven-Dorum schließt. Foto: Scheschonka

Diana und Jörg Heppke haben alles versucht, doch niemand will ihren Laden in Dorum übernehmen. Längst kein Einzelfall. Über die Krise im Handel.

Von Marie Petersen Samstag, 15.03.2025, 14:45 Uhr

Dorum. Seit knapp 60 Jahren versorgt das Schuhhaus Bose Klein und Groß mit ausgewähltem Schuhwerk, zuletzt unter Leitung von Diana und Jörg Heppke. Doch in nicht allzu ferner Zukunft werden in Dorum keine Schuhe mehr zum Verkauf stehen.

„Das ist aber wirklich schade“, hören Diana und Jörg Heppke dieser Tage so oft wie nie zuvor. Nach fast 23 Jahren Betrieb müssen sie ihr Schuhgeschäft in Dorum schließen. Jörg Heppkes Blick schweift auf die mit gelbem Transparentpapier zugeklebten Scheiben. „Alles muss raus“ und „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ ist darauf in roter Schrift zu lesen.

Für das Schuhhaus Bose habe sich leider kein Nachfolger gefunden, erzählt Jörg Heppke sichtlich gerührt. Auch wenn die Eheleute geistig wie körperlich fit sind, bleiben sie sich ihrer Abmachung treu: „Wir haben gesagt, mit 60 hören wir auf.“

Wie eine Reise in vergangene Zeiten

Schon beim Betreten des Ladens wird klar, dass es sich um ein Geschäft mit Geschichte handelt. Wenig hat sich verändert seit der Eröffnung im Jahr 1967 durch Diana Heppkes Eltern, Leni und Otto Bose. Die Holzvertäfelung, der Teppichboden, die runde, gepolsterte Anprobebank - genau diesen nostalgischen Charme wissen viele Kunden zu schätzen, verrät Diana Heppke.

Im Dorf hatte sich schnell rumgesprochen, dass das Geschäft schließen wird. Aber das Schuhhaus Bose wird nicht nur den Dorumern fehlen. Zwischen Bremerhaven und Cuxhaven ist es das einzige Schuhgeschäft, das die Jahrzehnte überdauert hat. Der Laden ist außerdem über die Ländergrenzen hinweg bekannt.

Aus Kunden sind Freunde geworden

Mit ein paar Kunden, die das Geschäft einst als Touristen besuchten, seien über die Jahre echte Freundschaften entstanden. Wie mit einer Familie aus Bottrop, die zwei bis drei Mal jährlich im Schuhhaus Bose vorbeischaut. Denn an fünf Tagen im Jahr nehmen sich die Heppkes frei, um ihren Hochzeitstag zu feiern. Ansonsten findet man sie montags bis samstags in ihrem Geschäft in der Speckenstraße 9.

Für das Ehepaar ist das Geschäft weitaus mehr als die alltägliche Arbeit. Während des Besuchs wird deutlich, auch die Kunden haben hier nicht nur ein neues Paar Schuhe gefunden. Beidseitiges Vertrauen prägt seit vielen Jahren das Geschäft, bestätigt Diana Heppke. Im Gegenzug zur Beratung beim Schuhkauf haben die Kunden auch mal ein wachsames Auge auf Enkel Damian, wenn Opa Jörg eben ins Lager muss.

Etwas Besonderes: Schuhe für die ersten Schritte

Neben den eigenen Nachfahren ist gerade der Verkauf von Kinderschuhen den Heppkes immer eine Herzensangelegenheit gewesen. Die Schuhe für die ersten Schritte zu vermitteln, sei doch etwas ganz Besonderes, sagt Jörg Heppke mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen.

Für Diana Heppke war schon immer klar, dass sie den Laden ihrer Eltern einmal weiterführen werde. „Im Schuhkarton groß geworden“ machte sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und sich somit bereit für den Antritt der Nachfolge. Als ihr Vater mit 62 Jahren einen Herzinfarkt erlitt, übernahmen die Heppkes schließlich den Betrieb.

Als gelernter Bau- und Möbeltischler musste Jörg Heppke seine handwerklichen Fähigkeiten aber keineswegs an den Nagel hängen. Neben dem Schuhverkauf bietet das Schuhhaus Bose seit jeher auch einen Reparaturservice an. Dienstags und donnerstags macht sich Jörg Heppke dafür auf nach Neuenwalde in die Werkstatt.

Die Fenster sind gelb abgeklebt: Das Schuhhaus Bose in Dorum hat den Ausverkauf gestartet.

Die Fenster sind gelb abgeklebt: Das Schuhhaus Bose in Dorum hat den Ausverkauf gestartet. Foto: Scheschonka

Schön sei es gewesen an ihrem Eröffnungstag, dem 8. September 2002. Mit Sonnenschein, Kinderschminken und einem Zauberer. Und dann ist dem Zauberer auch noch das Kaninchen abgehauen, erinnert sich Jörg Heppke. Das haben die Kinder dann hier auf dem Friedhof gefunden - natürlich lebend, lacht der 59-Jährige.

Für viereinhalb Monate lagern die Eheleute jedes Jahr ihren Schlafplatz auf den Campingplatz Cappel-Neufeld aus. Mit dem Blick aufs Wasser aufwachen, gemeinsam zur Arbeit und abends mit einem Rotwein vor dem Wohnwagen den Sonnenuntergang genießen. Ob es nicht belastend für die Liebe wäre, den ganzen Tag beisammen zu sein, hätten einige Bekannte sie gefragt. Überhaupt nicht, sagt Diana, sie würde Jörg immer wieder heiraten.

Sie hoffen immer noch auf einen Nachfolger

Die Schaufensterdeko wurde bereits in den letzten Wochen zum Verkauf gestellt, übrig geblieben war bis zum Start des Ausverkaufs am Mittwoch nur Weniges. An übergroße bunte Ostereier reihen sich ein paar kleine Keramik-Enten und andere Saison-Einzelstücke. Was nach dem Räumungsverkauf im Erdgeschoss des Backsteinhauses passiert, ist noch völlig unklar, sagt Diana Heppke.

Bis zum Sommer kann man Diana und Jörg Heppke noch im Schuhhaus Bose antreffen. Sollte sich in dieser Zeit doch noch ein Nachfolger finden, würde sich das Ehepaar natürlich wahnsinnig freuen. Nach der Schließung geht es für die Heppkes dann aber erst einmal für zwei Monate mit dem Wohnmobil nach Spanien.

Kunden haben „weniger Lust auf den Schuhkauf“

Die Menschen in Deutschland geben weniger Geld für Schuhe aus. Im vergangenen Jahr sanken die Umsätze des Schuhhandels nominal um 0,8 Prozent auf 11,62 Milliarden Euro. Das teilte der Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren (BTE) anlässlich der Messe „Shoes“ in Düsseldorf mit.

Im wichtigsten Bereich, dem stationären Fachhandel, wurde ein Rückgang von 1,5 Prozent verzeichnet. Real, also inflationsbereinigt, fiel das Minus noch höher aus. Leicht zulegen konnte hingegen der Online-Handel.

Viele Händler blicken pessimistisch nach vorn. Fast jeder Zweite rechnet 2025 mit Umsatz-Einbußen von mindestens einem Prozent. Jedes dritte Unternehmen fürchtet sogar ein Minus von fünf Prozent oder mehr.

„Wir müssen mit unseren Produkten mehr Begehrlichkeit vermitteln“

Laut einer Branchenumfrage des Verbandes gibt es neben der Kaufzurückhaltung zahlreiche weitere Problemfelder. Die Schuhhändler klagen außerdem über zunehmende bürokratische Vorschriften sowie hohe Kosten für Energie, Mieten und Gehälter.

Auch steigende Einkaufspreise und der unregulierte Wettbewerb bei Portalen wie Temu und Shein machen vielen zu schaffen. Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Textil Schuhe Lederwaren, äußerte sich dennoch selbstkritisch: „Wir müssen mit unseren Produkten wieder mehr Begehrlichkeit und Freude vermitteln.“

Die deutsche Schuhindustrie steigerte ihren Gesamtumsatz im vergangenen Jahr nominal um 2,4 Prozent auf gut 2,1 Milliarden Euro. Im Inland wurde ein Plus von 4,5 Prozent verzeichnet, im Ausland ein Rückgang von 6,6 Prozent, wie der Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie (HDS/L) mitteilte. Die Verbraucherpreise für Schuhe sind 2024 um etwa 5,5 Prozent gestiegen und damit etwas weniger stark als im Vorjahr. (dpa)

Weitere Artikel