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Nach Blockade an der Fähre: Das sagen Habeck, Polizei und Bauernverband

Ein Screenshot der Blockadeaktion gegen Robert Habeck. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten.

Ein Screenshot der Blockadeaktion gegen Robert Habeck. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten. Foto: -/WestküstenNews/dpa

Wütende Bauern hatten Robert Habeck am Donnerstag am Verlassen einer Fähre gehindert - und diese beinahe gestürmt. Der Vizekanzler zeigt sich besorgt. Die Polizei gibt neue Details bekannt zum Einsatz bekannt und die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Von Redaktion Freitag, 05.01.2024, 12:58 Uhr

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Schlüttsiel . Nach der Blockadeaktion gegen Vizekanzler Robert Habeck an der Nordsee hat die Staatsanwaltschaft Flensburg ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Nötigung eingeleitet. Darüber hinaus werde geprüft, ob weitere Straftaten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch vorliegen, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit werde gegen unbekannt ermittelt. Zuvor hatte der „Spiegel“ berichtet.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich nach der Blockade einer Fähre beunruhigt über die Stimmung in Deutschland gezeigt. Der Grünen-Politiker erklärte am Freitag: „Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt. Als Minister habe ich qua Amt Schutz der Polizei. Viele, viele andere müssen Angriffe allein abwehren, können ihre Verunsicherung nicht teilen. Sie sind die Helden und Heldinnen der Demokratie.“ Zuvor hatten darüber die „Lübecker Nachrichten“ berichtet.

„Protestieren in Deutschland ist ein hohes Gut“, so der Vizekanzler weiter. „Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten.“

Am Donnerstag hatten Landwirte Habeck an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Nach Polizeiangaben beteiligten sich etwa hundert Demonstranten an der Blockade des Anlegers in Schlüttsiel, die Polizei setzte Pfefferspray ein. Habeck habe anschließend auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen. Später erreichte der Wirtschaftsminister das Festland mit einer anderen Fähre. Der Minister war laut Ministerium privat unterwegs.

Habeck will Gespräch mit Landwirten suchen

„Ich möchte mich bei den Mitreisenden und der Crew auf der Fähre bedanken“, erklärte Habeck laut Ministerium. „Sie sind unvermittelt in Mitleidenschaft geraten. Die Crew musste mit einem blockierten Hafen umgehen und die schwierige Lage managen. Die mitreisenden Passagiere wollten nach Hause oder hatten andere Pläne am Festland, wollten eigentlich Bus und Zug erwischen, konnten aber zunächst nicht von Bord und mussten erstmal geduldig ausharren.“

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Foto: Michael Kappeler/dpa

Habeck dankte den Einsatzkräften der Polizei, die das Schiff gesichert hätten. „Ich bedauere, dass keine Gesprächssituation mit den Landwirten zustandekommen konnte.“ Doch das wolle der Grüne nachholen und das Gespräch mit Landwirten suchen - aus der Region und auch auf Bundesebene. Das sagte eine Sprecherin des Grünen-Politikers am Freitag. „Es gehört zu seinem Stil, mit den Menschen direkt zu sprechen.“

Bauernverband distanziert sich von Habeck-Blockade

Der Deutsche Bauernverband hat die Blockade der Fähre verurteilt und sich von dem Vorgang distanziert. „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied am Freitag laut Mitteilung. „Blockaden dieser Art sind ein No-Go.“

Seit Wochen demonstrieren Landwirte bundesweit gegen das geplante Aus von Steuervergünstigungen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer. Am Donnerstag hatte die Bundesregierung Teile ihrer Pläne zurückgenommen. Der Bauernverband bezeichnete das Einlenken allerdings als unzureichend und hält an der geplanten Aktionswoche ab kommendem Montag fest.

„Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt“, sagte Rukwied. Bei allem Unmut über die Steuerpläne des Bundes respektiere sein Verband selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern.

Reederei-Chef: Fähre wurde beinahe erstürmt

Wie tumultartig die Blockade war, zeigen auch die Schilderungen vom Chef der Wyker Dampfschiffs-Reederei: Die Fähre sei beinahe erstürmt worden, sagte Geschäftsführer Axel Meynköhn, der dpa am Freitag. Dies habe der Kapitän im letzten Moment verhindert, indem er wieder ablegte. Alle etwa 30 Fahrgäste, die von den Halligen kamen, seien am Verlassen der Fähre gehindert worden. Ein Lastwagenfahrer sei genötigt worden, von der Rampe rückwärts wieder auf die Fähre zu fahren. „Das ist aus meiner Sicht Nötigung. Das ist ein schlimmer Vorgang“, sagte Meynköhn. Es hätten auch medizinische Notfälle an Bord sein können.

Der Kapitän habe mit den Personenschützern an Bord und nach Rücksprache mit der Polizei an Land entschieden, wieder abzulegen. „Wenn diese Entscheidung eine Minute später getroffen worden wäre, dann wäre die Fähre gestürmt gewesen.“ Er wisse von der Besatzung, dass Leute noch rübergesprungen wären, wenn das Schiff nicht bereits zu weit weg gewesen wäre, sagte der Geschäftsführer. „Es war keine Minute zu spät, sonst wäre der Mob an Bord gewesen, mit nicht auszudenkenden Folgen.“

Die Fähre sei dann mit allen Passagieren an Bord zunächst zur Hallig Hooge zurückgefahren. Es gehe hier nicht mehr nur um Robert Habeck, der privat auf Hooge war, es gehe um die Gesamtheit des Schiffes, seiner Passagiere und seiner Besatzung, betonte Meynköhn. „Hier ist ganz klar genötigt worden. So einen Vorfall hat es nach unserem Kenntnisstand es in der fast 140-jährigen Geschichte der Reederei noch nicht gegeben.“

Polizei: Aufrufe in sozialen Medien zur Blockadeaktion

Inzwischen hat die Flensburger Polizei neue Details zu ihrem Einsatz bekanntgebeben. „In den sozialen Medien wurden Aufrufe zur Demonstration am Fähranleger Schlüttsiel verbreitet, an welchem Herr Dr. Habeck am Nachmittag eintreffen sollte“, teilte die Polizei am Freitag in Flensburg mit. Etwa 80 landwirtschaftliche Fahrzeuge hätten sich am Donnerstag auf den Weg zum Fähranleger gemacht. Bis zu 300 Menschen hätten sich dort eingefunden, um gegen Kürzungspläne der Bundesregierung zu demonstrieren.

Als die Fähre gegen 17 Uhr Schlüttssiel erreichte, sei die Lage angespannt gewesen, ein Dialog zwischen Habeck und den Versammlungsleitern habe nicht ermöglicht werden können, berichtete die Polizei. Aus der Versammlung heraus hätten 25 bis 30 Menschen versucht, auf die Fähre zu gelangen. Einsatzkräfte hätten diese teilweise unter Einsatz von Pfefferspray zurückgehalten. „Nach Ablegen der Fähre beruhigte sich die Lage und die Versammlung löste sich gegen 19 Uhr auf.“ In der Nacht zum Freitag hätten Einsatzkräfte schließlich die Heimreise Habecks nach Flensburg ohne weitere Vorkommnisse gewährleistet.

Reederei-Chef Axel Meynköhn berichtet, dass die Erstürmung der Fähre nur knapp durch Ablegen des Schiffes verhindert werden konnte.

Reederei-Chef Axel Meynköhn berichtet, dass die Erstürmung der Fähre nur knapp durch Ablegen des Schiffes verhindert werden konnte. Foto: -/NEWS5/dpa

Habeck hatte in der Nacht zum Freitag doch noch das Festland erreicht. „Herr Habeck ist gut zu Hause angekommen“, sagte ein Sprecher der Flensburger Polizei am Freitagmorgen. Der Wirtschaftsminister habe eine Extra-Fähre genommen und sei gegen 2.30 Uhr zu Hause angekommen. Es habe auch keine weiteren Proteste gegeben. Auch der Sprecher Habecks bestätigte die Ankunft Habecks auf dem Festland.

„Jeder Protest hat Grenzen“: Politiker kritisieren Blockade

Reihenweise haben Politiker die Blockade der Fähre kritisiert. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) verurteilte die Blockade und forderte eine Distanzierung von dem Vorgang. „Das sind Leute, denen geht es nicht um die deutsche Landwirtschaft, die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wird es nicht geben“, sagte Özdemir am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“.

Er bezeichnete den Vorgang als inakzeptabel und machte klar, „dass diejenigen, die mit uns im Gespräch bleiben wollen, sich ohne jedes Wenn und Aber distanzieren von diesen Fanatikern“. Zugleich betonte er, bei den an der Blockade beteiligten Personen handele es sich nur um eine kleine, radikale Minderheit.

„Jeder Protest hat Grenzen“, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)am Freitag in Kiel. Diese hätten der Bauernverband und dessen schleswig-holsteinische Präsident Klaus-Peter Lucht klar formuliert: „Keine Blockadeaktionen und eine eindeutige Distanzierung von extremen Randgruppen, Rechtsbruch oder Aufrufen hierzu.“

Fegebank: Rote Linie überschritten

„Diese Grenzen sind bei der gestrigen Aktion gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weit überschritten worden“, sagte Günther. Bei allem Verständnis für den Unmut der Landwirte: So ein Gebaren habe in Schleswig-Holstein nichts zu suchen und sei vollkommen inakzeptabel. „Diese Chaoten schaden dem eigentlichen Anliegen.“

"Wir für Euch" steht bei einem Protest an einem Traktor, der mit anderen im Schritttempo über die Bundesstraße 4 fährt.

"Wir für Euch" steht bei einem Protest an einem Traktor, der mit anderen im Schritttempo über die Bundesstraße 4 fährt. Foto: Philipp Schulze/dpa

Günther danke den Polizistinnen und Polizisten für ihren konsequenten Einsatz. „Ich erwarte von unseren Bauern, dass sie sich bei den angekündigten Protesten ohne Wenn und Aber an die Regeln des Miteinanders in unserem demokratischen Rechtsstaat halten.“

Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank hat die Blockadeaktion von Bauern gegen Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) scharf verurteilt. Mit harter Kritik könne man in der Politik umgehen, sagte sie am Freitag in Hamburg. „Dass Robert Habeck allerdings auf diese Weise angegangen wurde, überschreitet eine rote Linie.“ Sie sprach von einer „Protestkultur zum Abgewöhnen“. „Wer meint, er kann seine Interessen auf diese Weise durchsetzen, hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden.“

Gemeinde schaltete vor Blockadeaktion die Polizei ein

Der Bürgermeister der Gemeinde Ockholm hat die Blockadeaktion gegen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel scharf kritisiert. „Es kann ja nicht sein, dass du jemanden daran hinderst, dass er die Fähre verlässt. Das ist ja schon Nötigung“, sagte Matthias Feddersen der Deutschen Presse-Agentur. Er habe am Donnerstag vorher davon erfahren, dass sich Habeck angeblich mit Bauern treffen wolle.

Es sei von vornherein klar gewesen, dass es sich dabei um Fake News handele, sagte Feddersen. Das Ordnungsamt habe letztlich geraten, die Polizei zu informieren. „Man kann ihn ja nicht ins offene Messer laufen lassen.“ Die Gemeinde sei am Fähranleger ja mehr oder weniger Hausherr.

Er selbst sei nicht am Ort gewesen, sagte Feddersen. Zwar könne er verstehen, dass die Landwirte aufgebracht seien. „Aber so, wie sie es gemacht haben: Das war eine Spur zu hart. Ganz klar.“ (dpa)

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