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Jugendfußball

TNach Sittensen-Aus: Yul Wiegand und Verein erklären sich

Yul Wiegand, hier vor längerer Zeit bei einer Trainingseinheit auf dem Kunstrasenplatz in Sittensen, ist beim VfL Sittensen zurückgetreten.

Yul Wiegand, hier vor längerer Zeit bei einer Trainingseinheit auf dem Kunstrasenplatz in Sittensen, ist beim VfL Sittensen zurückgetreten. Foto: Gerda Holsten/Archiv

Yul Wiegand, selbst im Jugendfußball nicht unumstritten, trat nach scharfer Kritik von seinem Amt als sportlicher Jugendleiter des VfL Sittensen zurück. Das sind die weiteren Reaktionen.

Von Andreas Meier und Andreas Kurth Donnerstag, 13.02.2025, 07:55 Uhr

Frage: Nach einigen Tagen Abstand: Würden Sie den Rücktritts-Brief heute noch genauso formulieren?

Yul Wiegand: Ja.

Was sind die Gründe für den Rücktritt?

Es war am Ende eine zunehmende Perspektivlosigkeit, die sich bei der Zusammenarbeit mit dem Gesamt-Vorstand des VfL immer deutlicher gezeigt hat. Davon nehme ich aber ausdrücklich Egbert Hanke aus, dem dieser Verein so viel zu verdanken hat.

Inwieweit spielt dabei auch der angekündigte Rückzug von Egbert Haneke von seinem Amt als 1. Vorsitzender eine Rolle?

Ich vermute, dass der angekündigte Rückzug von Egbert Haneke auf dieselben Gründe zurückzuführen ist, die auch für mein Ausscheiden maßgeblich waren.

Sehr erfolgreich, aber auch umstritten: Sie standen - auch in dieser Zeitung - mit Ihrer Arbeit beim VfL stark in der Kritik. Wie ungerecht empfanden Sie diese Kritik?

Grundsätzlich ist konstruktive Kritik immer angebracht. Wer etwas verändert, polarisiert automatisch. Dabei gibt es Für- und Gegensprecher. In diesem Fall hatte ich einen Auftrag, den ich angenommen und nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt habe.

Konnten Sie die Kritik der anderen Vereine zum Teil verstehen?

In meinem Verständnis gibt es zwei Möglichkeiten, zu meckern oder zu handeln. Der VfL Sittensen hat sich für zweiteres entschieden und die anderen Vereine können das als Anlass nehmen, um entsprechend nachzuziehen.

Haben Sie zurzeit noch Kontakt zum VfL?

Ja. Ich stehe weiterhin mit der Fußballabteilung des VfL im Kontakt.

Wie waren die Reaktionen von Spielern und Eltern? Welche Rückmeldungen haben Sie erhalten?

Am Wochenende stand mein Handy nicht still. Neben Eltern und Kolleg*innen haben sich viele Menschen aus der Community mit sehr wertschätzenden Worten bei mir gemeldet. Die Rückmeldungen waren: Traurigkeit über meinen Verlust, Verständnis für meine Entscheidung, Respekt für meine geleistete Arbeit sowie Dankbarkeit.

Könnte es einen Rücktritt vom Rücktritt geben?

Einen Rücktritt vom Rücktritt nicht. Aber ein erneutes Engagement beim VfL zu einem späteren Zeitpunkt unter anderen Rahmenbedingungen würde ich nicht kategorisch ausschließen.

Wenn Sie zurückblicken, was macht Sie an Ihrer Arbeit beim VfL besonders stolz?

Es war nie das Ziel, eine einzelne Mannschaft zu kurzfristigem Erfolg zu führen. Es ging viel mehr um eine ganzheitliche und nachhaltige Vereinsentwicklung. Was wir gemeinsam in der kurzen Zeit erschaffen haben, welche Euphorie wir entfacht haben, und wie die gemeinsame Vision uns alle mit viel Engagement an einem Strang hat ziehen lassen.

Was wird davon übrig bleiben?

Neben allen ausgearbeiteten und verschriftlichen Konzepten und geschaffenen Strukturen bleibt vor allem ein verändertes Mindset zum Nachwuchsfußball bei Funktionären, Trainern, Spielern und Eltern im Verein und vielleicht sogar in der gesamten Region.

  • Vorstand des VfL Sittensen bedauert den Rücktritt von Yul Wiegand

Im Statement des Vorstands heißt es: „Die Kündigung von Yul Wiegand zum Ende des Jahres 2024, sowie die jüngste Aufgabe der Verantwortung im Fußballvorstand und als Cheftrainer der U16, bedauern wir. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte, auch für ehemalige Angestellte des Vereins, wird der Vorstand des VfL sich nicht im Detail äußern.“

Yul Wiegand habe durch die nötige Umstrukturierung und Neuausrichtung in der VfL-Fußballabteilung viel Kritik erhalten. „Die aufgeheizte Stimmungsmache mündete in einem strafrechtlich relevanten Angriff auf die Familie des 1. Vereinsvorsitzenden im letzten Jahr. Dennoch hat er den Rückhalt des gesamten Vorstands innegehabt, auch wenn das für den VfL viel Kritik, regional und überregional, bedeutete“, schreibt der Vorstand weiter.

Der VfL fördere nachhaltig den Sport aller Altersgruppen aller 17 Abteilungen und habe sich strukturell und inhaltlich auf die neuen Herausforderungen der sich verändernden Gesellschaft ausgerichtet. Mit dem Ausbau der im Jahr 2019 angestoßenen Konzepte und infrastrukturellen Maßnahmen habe sich der Verein neu aufgestellt und werde das auch weiterhin tun.

„Die Abteilung Fußball hat sich, trotz der unvorhergesehenen Amtsaufgabe, umgehend neu sortiert. Dafür zollt der Vorstand dem Abteilungsvorsitzenden Michel Miesner und allen anderen Fußballvorstandsmitgliedern großen Dank. Die Fußballabteilung genießt, wie jede Abteilung des Vereins, großes Vertrauen in der Entwicklung und der Ausübung des Sports.“

  • Kommentag von Andreas Kurth

    Das ambitionierte Experiment in Sittensen ist offenbar gescheitert

Yul Wiegand hat beim VfL Sittensen viel bewegt - dafür gab es aus den Fußballvereinen im Landkreis Rotenburg und darüber hinaus massive Kritik. Die Anwerbung von Kicker-Talenten wurde unter seiner Ägide in einer Form ausgeweitet, die für viele Betroffene äußerst fragwürdig erschien. Da wurden Briefbögen des FC St. Pauli verwendet, die Herkunft der Kontaktdaten von Kindern und Familien blieb weitgehend unklar. Ob wirklich massiv gescoutet oder ob einfach ein großes Netz ausgeworfen wurde, um junge Kicker nach Sittensen zu locken, konnte auch in zahlreichen Gesprächen aus meiner Sicht nicht zufriedenstellend geklärt werden.

Beobachter dieses Experiments zur Einführung von Leistungsfußball im Jugendbereich des VfL Sittensen haben jedenfalls mindestens mit Skepsis auf Wiegand und seine Mitstreiter geblickt. Nun hat der angekündigte Rückzug des ersten Vorsitzenden Egbert Haneke und weiterer Vorstandsmitglieder dem sportlichen Leiter offenbar die Unterstützung wegbrechen lassen.

War das ganze Projekt zu ambitioniert? Dass es nicht um Nachwuchs für die Mannschaft des VfL gegangen sei, sondern einfach darum, den Kinder- und Jugendfußball zu fördern, wie mehrfach erklärt wurde, hat den Verantwortlichen in Sittensen jedenfalls kaum jemand geglaubt. Die gleichzeitige hauptamtliche Tätigkeit von Wiegand für das Nachwuchsleistungszentrum des FC St. Pauli hat zudem Fragen aufgeworfen, die nie zufriedenstellend geklärt wurden.

Welche Konsequenzen wird das für den Jugendfußball in Sittensen haben? Es erscheint mehr als unwahrscheinlich, dass im gleichen Stil weitergemacht wird. Gesamt- und Fußballvorstand betonen zwar, die Abteilung sei gut aufgestellt, aber es hing eben doch sehr viel an der Person Yul Wiegand.

Bis zum Sommer wird sich zeigen, wie viele Spieler dem Verein erhalten bleiben - und wie viele zu ihren ursprünglichen Vereinen zurückkehren. Ein Abwandern der auswärtigen Spieler kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden - für Ambitionen Richtung Niedersachsenliga der B- oder A-Junioren dürfte es vorerst keine Grundlage mehr geben.

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