Zähl Pixel
Gesellschaft

TNach Vandalismus in Stade: Sieben Gebote der Pietät auf dem Friedhof

Dieser Grabstein wurde mit einem Pentagramm beschmiert. Der fünfzackige Stern hat viele Bedeutungen, wird aber häufig mit Satanismus assoziiert.

Dieser Grabstein wurde mit einem Pentagramm beschmiert. Der fünfzackige Stern hat viele Bedeutungen, wird aber häufig mit Satanismus assoziiert.

Die Mitarbeiter des Horstfriedhofs in Stade sind sauer. Der Friedhof wird pietätlos benutzt - als Müllhalde, für Saufgelage, zum Gassi gehen. Weil es offenbar nötig ist: Hier die sieben Gebote des Friedhofs.

author
Von Anping Richter
Sonntag, 12.10.2025, 19:00 Uhr

Erstes Gebot: Du sollst Rücksicht auf die Würde der Toten und ihre Angehörigen nehmen

Arne Grothmann, der Leiter des Horstfriedhofs, beobachtet seit einiger Zeit eine neue Mode, die er seltsam findet: Vor allem junge Frauen machen Selfies auf Gräbern und setzen sich dabei sogar auf die Grabsteine.

„Eine Respektlosigkeit. Sie finden das vielleicht cool, aber wie ist das für den, der vielleicht gerade das Grab seines Angehörigen besuchen will?“ Manche Menschen kommen auch auf den Friedhof, um zu trinken und hinterlassen Flaschen, Dosen und Kippen.

Kürzlich habe er jemanden lässig an den Kolumbarien lehnen sehen, wobei er eine Dose Bier leerte. Hunde werden oft ohne Leine laufengelassen, benutzen Grabfelder als Spielwiese, tapsen über frisch geharkte Gräber und verrichten dort ihr Geschäft.

Eine Nacht des Vandalismus hat Grothmann jetzt komplett fassungslos gemacht: Neun Grabsteine wurden mit Graffiti beschmiert, mit Davidsternen, der Satanszahl 666 und Pentagrammen. Eine Grabschändung ist übrigens eine Straftat und kann mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden.

In den Friedhofsalleen lässt sich gut wandeln - aber hier wird gearbeitet, Radlader sind unterwegs. Also bitte nicht einfach mit dem Roller durchsausen.

In den Friedhofsalleen lässt sich gut wandeln - aber hier wird gearbeitet, Radlader sind unterwegs. Also bitte nicht einfach mit dem Roller durchsausen. Foto: Richter

Zweites Gebot: Der Friedhof ist ein besonderer Ort. Du sollst seine Würde achten und wahren

Der Horstfriedhof ist wunderschön. Viele Menschen benutzen ihn deshalb als Park und Erholungsort, und das allein würde die Mitarbeiter nicht stören. „Wir wollen ja nicht, dass alles stocksteif ist“, sagt Anna Schlenker.

Der Friedhof solle sogar ein Ort der Begegnung sein. Auch Lachen sei nicht verboten. Doch Ruhe und Würde des Friedhofs müssen gewahrt werden. „Also bitte nicht den Gettoblaster laut drehen oder mit der Mofa darüberknattern.“

Horstfriedhof, 24. September 2025.

Horstfriedhof, 24. September 2025. Foto: Richter

Drittes Gebot: Du sollst den Friedhof sauber halten, denn er wird gut gepflegt

Auf dem Friedhof stehen Körbe, damit Menschen, die Gräber pflegen, Verpackungen von Grablichtern oder welke Blumen hineinwerfen können. Was dort tatsächlich abgelegt wird, macht die Friedhofsgärtner oft sprachlos. Hundekotbeutel zum Beispiel, obwohl das Verbotsschild direkt am Korb prangt. „Unsere Gärtner leeren die Körbe von Hand mit der Forke - das gibt eine Riesenschweinerei“, sagt Anna Schlenker.

Auch Windeln und sogar benutzte Binden gehören zu den unappetitlichen Dingen, die regelwidrig entsorgt werden. „Wir sind biozertifiziert“, erklärt Anna Schlenker. Auch Plastikblumen oder Plastikeier sollen nicht in die Kreisläufe geraten sagt sie und zeigt auf einen bunt dekorierten Strauch: „Die hängen hier seit Ostern.“ Und Grablichter mit LED haben einen Nachteil: „Unsere Jungs können nicht aus jeder Laterne die Batterie pulen.“

Hundekotbeutel werden immer wieder einfach ins Gebüsch geworfen.

Hundekotbeutel werden immer wieder einfach ins Gebüsch geworfen.

Viertes Gebot: Du sollst die Gräber als Orte der Totenruhe und des Gedenkens achten

Ein Fall bewegt Arne Grothmann besonders: Ein Mann, dessen Sohn früh verstorben ist, legt ein Modell von dessen Lieblingsauto auf das Grab - immer wieder. Denn Unbekannte haben den symbolischen Grabschmuck wiederholt gestohlen. „Er ist schon ganz verzweifelt.“

Auch Blumen, Grablichter oder Herzen aus Stein verschwinden immer wieder. Noch schlimmer: Menschen reißen ganze Grabsteine heraus und legen sie anderswo ab. Oder sie beschmieren Gräber mit Initialen. Die Schrift auf einem Grabstein ließ sich nicht mehr entfernen und hat Spuren hinterlassen, bedauert Anna Schlenker.

Dieser Teil eines Grabsteins wurde abgerissen und woanders hingeworfen.

Dieser Teil eines Grabsteins wurde abgerissen und woanders hingeworfen. Foto: Richter

Fünftes Gebot: Du sollst dich auch auf dem Friedhof an die Verkehrsregeln halten und auf Sicherheit achten

Auf dem Friedhof wird gearbeitet. Tagsüber sind Radlader unterwegs, es gibt viele Wege, die sich unerwartet kreuzen und nicht gut einsehbar sind. Trotzdem fahren Menschen mit ihren E-Scootern, E-Bikes und Rollern sehr schnell durch, hat Arne Grothmann beobachtet: „Ich will mir nicht vorstellen, was los ist, wenn einer mit ausgefahrener Schaufel jemanden nicht sieht und ihn auf die Hörner nimmt.“

Hier hat jemand ein Feuer gemacht - die schwarzen Spuren an den Wasserschalen aus Edelrost künden davon.

Hier hat jemand ein Feuer gemacht - die schwarzen Spuren an den Wasserschalen aus Edelrost künden davon. Foto: Richter

Sechstes Gebot: Du sollst die Friedhofstoilette achtsam benutzen - und bitte nicht zum Kiffen

Dass Hunde ihre Geschäfte mitten auf dem Friedhof machen, ist nicht schön. Dass es Menschen tun, geht gar nicht, findet Anna Schlenker. Doch manche seien fast unbelehrbar. „Es funktioniert nur mit Konfrontation: Als eine junge Frau gerade ihre Hose heruntergezogen hatte und ich mit dem Radlader vorbeifuhr, habe ich gehupt“, sagt Arne Grothmann.

Die Hose sei blitzschnell wieder oben gewesen. Dabei gibt es öffentliche Toiletten. Leider werden sie oft verschmutzt hinterlassen. „Die armen alten Leute, die das so vorfinden“, sagt Anna Schlenker. Mitunter werde in den Toiletten gekifft. „Wenn sie abgeschlossen sind und sich keiner meldet, schließen wir auch einfach mal auf.“

Siebtes Gebot: Du sollst den Friedhof nicht ausnutzen, um Abfall zu entsorgen

Wer sich auf dem Horstfriedhof begraben lässt, muss kein Kirchenmitglied sein. Der vom evangelisch-lutherischen Kirchengemeindeverband Stade getragene Friedhof gibt jedes Jahr eine fünfstellige Summe für die Entsorgung von Müll und Grünabfall aus.

„Wir müssen kostendeckend arbeiten“, erklärt Arne Grothmann. Es gebe aber Leute, die extra mit einem Fahrradanhänger voller Grünabfall kommen. „Die verstehen nicht, dass wir dafür bezahlen müssen und sie ihren Grünabfall bei einer öffentlichen Sammelstelle kostenlos entsorgen können.“

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Artikel