TNach dem Hochwasser ist vor dem Sturm: Was macht der Schäfer im Winter?

Deichschäfer René Krüger in seinem Stall in Wersabe. Foto: Iven
Deichschäfer René Krüger aus Wersabe hat seine Schäfchen ins Trockene gebracht. Geschoren wurden sie auch schon. Nun hat er mit den Folgen des Hochwassers zu kämpfen. Und im Januar geht die Arbeit erst richtig los.
Landkreis Cuxhaven. Deichschäfer René Krüger fährt mit dem Trecker durch seinen Stall in Wersabe. Vom Anhänger rutscht das Futter direkt in die Tröge seiner Schafe. Jeden Vormittag bekommen die Schafe auf diese Weise etwas zu fressen. „Per Hand würde ich das gar nicht schaffen“, sagt der 45-Jährige. Genau 871 Schafe gehören zur Deichschäferei Wersabe. Hinzu kommen noch einmal 14 Zuchtböcke.
„Eigentlich wäre jetzt die Ruhe vor dem Sturm“, sagt René Krüger. Anfang Dezember hat er die Schafe vom Deich zurück in die Ställe getrieben, danach wurden die Tiere geschoren. „Der Sturm“, das ist für Krüger eigentlich die Lammzeit, die von Januar bis April dauert. Dann ist er praktisch rund um die Uhr im Einsatz, wenn rund 1000 Lämmer auf die Welt kommen.
Im Januar wird es dann richtig stressig
Doch die Ruhe vor diesem Sturm ist ihm in diesen Tagen nicht vergönnt. Denn der jüngste echte Sturm und das Hochwasser von bis zu drei Metern haben ihm einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht. „Das Wasser ist so hoch gekommen, dass die Zäune an den Deichen stark beschädigt und voller Treibsel sind“, sagt Krüger. So schlimm war es schon seit mindestens vier Jahren nicht mehr. Doch der Deich hat einen guten Kleikern. Er hält.

Die Schafe werden einmal am Tag gefüttert. Foto: Iven
Zum Reparieren ist Krüger noch gar nicht gekommen, derzeit nimmt er noch die Schäden auf. Doch er fürchtet fast, dass einige Zäune nicht mehr zu retten sind und komplett erneuert werden müssen. „Das ist eine mittlere Katastrophe“, meint der 45-Jährige, denn darunter sind auch mehrere elektrische Zäune, die die Schafe vor Wölfen schützen sollen.
„Als das Hochwasser kam, haben wir die elektrischen Zäune abgeschaltet“, erzählt der Deichschäfer. Tatsächlich ist der Strom das ganze Jahr über scharf geschaltet, auch wenn die Schafe mehrere Monate in den Ställen verbringen. „Die Wölfe sollen den Respekt vor den Zäunen nicht verlieren und gar nicht erst lernen, darüber zu springen“, sagt er. Wie es mit den beschädigten Zäunen weitergeht, muss der Deichverband bei seiner Sitzung im Januar entscheiden.
Der Wolf lässt dem Deichschäfer keine Ruhe
Der Wolf - das ist so ein Thema, das dem Schäfer und vielen Tierhaltern in der Region keine Ruhe lässt. Doch die Schutzmaßnahmen am Deich haben bisher ihren Zweck erfüllt. „Toi, toi, toi. In diesem Jahr hatten wir keinen Wolfsriss“, sagt René Krüger.
„Der Aufwand für den Herdenschutz vor dem Wolf steht in keinem Verhältnis zum Nutzen“, sagt der Deichschäfer. „Allein der Zaun hat über eine halbe Million Euro gekostet.“ Wobei das Land das Pilotprojekt finanziert. Doch auf den Kosten für die zwölf Herdenschutzhunde, deren Futter und Tierarztkosten, bleibt er sitzen. Ein einziger dieser speziellen Nutzhunde, die rund um die Uhr bei den Schafen leben, kann schon mal 3000 Euro kosten.

Mit dem Radlader schaufelt René Krüger das Futter in den Anhänger. Foto: Iven
Die Zäune müssen häufig repariert werden. Die Hunde werden immer wieder in neue Zweier-Teams zusammengestellt. Denn mal ist einer verletzt oder läufig, mal verstehen sich die Partner nicht mehr. Für die Hunde stellt Krüger fast schon einen Dienstplan auf.
Und dann muss vor dem Betreten der Weiden jedesmal der Strom ausgestellt und die scharfen Hunde müssen angeleint werden. „Diesen ganzen Aufwand bezahlt mir niemand“, sagt Krüger. Schließlich beschweren sich auch noch Passanten und Anwohner über das Gebell. Aber Herdenschutzhunde seien nun mal keine Schoßhunde. In Italien wehren sie sogar Bären ab.
Wolle ist ein schlechtes Geschäft
Auf dem Deich sind die Hunde Tag und Nacht bei den Schafen und vertreiben den Wolf, falls er sich dem Zaun nähert. Und das bisher ziemlich effizient. Den letzten Wolfsriss hatte Krüger vor zwei Jahren, als mehr als 30 Schafe in einer Nacht getötet wurde. Dass er kein Verständnis mehr für das Raubtier hat, ist nachvollziehbar.
Anfang Dezember waren fahrende Schafscherer in Wersabe, um die Tiere von ihrer Wolle zu befreien. „Die Wolle ist aber ein Minusgeschäft“, sagt Krüger. Allein das Scheren koste ein Vielfaches von dem, was die Wolle einbringt. Bis zu vier Kilo Wolle kann pro Schaf geschoren werden. „Es klingt vielleicht merkwürdig. Aber die Wolle muss schon deswegen ab, damit im Stall mehr Platz ist.“ Außerdem werden die Tiere so vor zu großer Hitze und Parasiten geschützt.
Was machen Herdenschutzhunde im Winter?
Auch die Hunde ziehen im Winter vom Deich zur Deichschäferei, wo sie auf großen eingezäunten Flächen an den Ställen leben. Einige schlafen sogar weiter bei den Schafen im Stall, weil sie es so gewohnt sind. „Die Hunde sind ganz froh, dass sie sich jetzt mal ein bisschen ausruhen können“, sagt Krüger. Denn wenn sie im Frühjahr zurück auf die Weiden ziehen, werden sie wieder viel zu tun bekommen.

Die zwölf Herdenschutzhunde von René Krüger ziehen im Winter ebenfalls vom Deich zur Deichschäferei um. Foto: Iven