TNetflix-Star Maximilian Mundt: Ist eine ZDF-Rolle ein Rückschritt?

Die erfolgreiche Netflix-Serie „How to sell Drugs online (fast)“ machte Maximilian Mundt international bekannt. Foto: Alexander Schank
Der Schauspieler spricht über seinen Streaming-Erfolg mit „How to sell drugs online (fast)“, Käsebrot mit Senf und was es für ihn bedeutet, ein Mann zu sein.
Hamburg. TAGEBLATT: Warum lieben Sie eigentlich Käsebrot mit süßem Senf?
Maximilian Mundt: Ich habe als Kind und Jugendlicher sehr oft Wanderurlaub mit meiner Familie gemacht. Immer wenn in Hamburg die zwei Wochen schönes Wetter waren, sind wir nach Südtirol gefahren und sind da bei zehn Grad im Regen wandern gegangen (lacht). Dort gab es dann die Jause, mit eingelegten Gurken und Zwiebeln, Wurst und Käse. Da habe ich süßen Senf kennengelernt. Für mich ist der ein bisschen Gefühl von Urlaub.
Welches Möbelstück haben Sie zuletzt für sich gebaut?
Ein Beistelltischchen zu einem Sessel, den ich zum Geburtstag bekam. Und zwar aus Holzzuschnitten, die ich dann ein bisschen jugendstilmäßig zurechtgeschnitten habe. Ich sammelte als Kind viel Sperrmüll und habe schon damals für mich entdeckt, wie cool Upcycling ist: aus alten Dingen Neues zu machen. Das ist bis heute geblieben.
Sie träumen sich gern mit offenen Augen weg, bei welchen Gelegenheiten?
Das passiert mir im Alltag tatsächlich ständig. Ich merke dann, wie ich grad nicht richtig zuhöre, dass ich mich an irgendetwas festhalte, einem Gedanken oder Gefühl, und wegzoome. Es ist mir sogar schon mal beim Autofahren passiert, was nicht so gut war (lacht). Da muss ich aufpassen.
Sie haben noch andere ausgesuchte Vorlieben wie Serien schauen oder Stand-up-Paddling. Sind Sie tief im Herzen ein kleiner Paradiesvogel?
Eigentlich bin ich sehr ruhig und eher in mich gekehrt. Aber manchmal lebe ich mich in expressionistischen Formen aus, handwerklich zum Beispiel oder in meiner Kleidung. Hin und wieder finde ich es schön, auch diese Seite von mir in der Öffentlichkeit abzubilden und zu zeigen: So kann man sich auch anziehen. Sich zum Beispiel dem Klischee zu widersetzen, dass Rosa nicht männlich ist, Schwarz aber ja. Im Privatleben bin ich aber eigentlich nicht so outspoken.
Waren Sie wegen dieser Wandlungsfähigkeit die Idealbesetzung für den Netflix-Erfolg „How to sell drugs online (fast)“?
Der Typ, den ich da spiele, ist ja eigentlich sozial inkompetent. Er ist immer nur bei sich und nach außen nicht besonders aktiv. Dahinter steckt dann aber oft auch wieder ein ganz expressionistischer und größenwahnsinniger Typ. Ich glaube, mir hat in der Rolle sehr geholfen, dass ich beides in meinem Privatleben auch sein kann. Nicht größenwahnsinnig, aber wenn ich für etwas brenne, dann kann ich darin schon sehr aufgehen und expressionistisch werden. Das habe ich schon auf der Bühne im Theater gemerkt. Dann macht es klick und ich kann alles rauslassen, was man sonst vielleicht unterdrückt.
Die Serie hat Sie auf einen Schlag international bekannt gemacht, was hat sich durch den Erfolg für Sie geändert?
Es war schön, dass ich mehr gesehen wurde. Dass ich auf einmal eine Stimme und öffentlich Gehör bekam und für Dinge einstehen kann, für die ich vorher nicht die Reichweite hatte. Es ist für mich auch eine kleine Bestätigung dafür, dass ich immer so war, wie ich nun mal bin, dass ich mich nicht verstellt oder einem Gruppenzwang unterlegt habe. Als Kind habe ich deshalb oft geweint, weil ich Angst hatte etwas ausprobieren zu müssen, was mir und meinem Bauchgefühl gar nicht entsprach.
Was reizt Sie an einem eher herkömmlichen ZDF-Samstagabend wie jetzt im zweiten „Fall für Conti“?
Als ich das Drehbuch gelesen habe, fand ich es sofort wahnsinnig gut geschrieben. Der Film ist eben nicht sehr klassisch krimimäßig aufgezogen, sondern mehr psychologisch dramatisch und dazu spannend. Das gefällt mir sehr. Und ich liebe Désirée Nosbusch, wollte unbedingt mal mit ihr arbeiten. Sie hat so viel Erfahrung, so viele Filme gemacht, spricht so viele Sprachen, hat schon ganz jung den European Songcontest ESC moderiert. Sie hat so viel erlebt in Ihrem Leben und ist dabei immer noch so bodenständig. Wir kannten uns nicht, als ich ans Set kam und sie hat mich gleich in der ersten Szene so toll angespielt, so ernst genommen und mir zugehört, das war voll schön und passiert nicht immer. Gerade bei so alteingesessenen großen Persönlichkeiten in der Branche. Und ich finde auch Malaya Stern Takeda großartig, die als Anwältin die zweite Hauptrolle spielt. Es macht einfach Spaß, diesen beiden Frauen beim Konkurrieren, aber auch beim gemeinsamen Arbeiten zuzuschauen.
Aus dem Netflix-Star wird am Samstagabend eine vergleichsweise kleine Rolle. War das ein Problem?
Nein, ich kann mich in der Rolle trotzdem ausleben und stand in den kleinen Momenten und Szenen vor Herausforderungen, die mich interessierten und an denen ich Spaß hatte. Zum Beispiel sitze ich fünf oder sechs Tage im Gericht in Verhandlungen. Ich höre nur zu, mache aber Gesichter, zeige Reaktionen. Das ist fast schwieriger als aktiv zu agieren. Sich zum Beispiel zu merken, wie spiele ich in den nächsten Szenen die Anschlüsse, wann habe ich wie geguckt oder den Kopf aufgestützt, in Unterlagen geblättert. Manchmal sind solch kleine Rollen ein bisschen so wie noch mal in die Schule zu gehen.
Sie mögen keine Männlichkeitsrituale und Männerklischees, wie viele Facetten können Sie denn so einer Nebenfigur noch abgewinnen?
Ich glaube, das passiert bei mir automatisch, egal welche Rolle ich angehe: Dass ich es nicht schaffe, Klischees zu reproduzieren, weil ich sie selbst auch nicht lebe. Ich muss mich deshalb auch nicht besonders anstrengen. In meiner leicht verspielten Art, ohne großes Ego zu zeigen, in einer Rolle einer Frau zuzuarbeiten, oder anderen, ist einfach schön.
Wann ist ein Mann für Sie ein Mann?
Wenn er es schafft, sein Ego zurückzuschrauben, Fehler einzugestehen, Kritik anzunehmen, ohne groß zu diskutieren oder sich rechtfertigen zu wollen. Das ist für mich mehr Stärke, als immer gegenanzureden. Und er darf keine körperliche Dominanz ausüben, im Raum nicht allen Platz einnehmen wollen. Das gehört auch dazu.
Sie haben sich mit 25 Jahren als schwul und queer geoutet. Was hat sich für Sie damit geändert?
Speziell für mich eigentlich gar nichts. Ich merke nur, dass die ganze Branche sensibler geworden ist. Und das ist einfach schön. Es tut gut, dass die Branche ein bisschen wachgerüttelt wurde und es auf einmal viel selbstverständlicher ist, dass schwule oder lesbische Menschen auch Heteros spielen können und umgekehrt. Ohne lange Diskussionen.
War der Schritt für Sie persönlich schwer?
Ich habe mich tatsächlich auch vor mir selbst geoutet. Ich hatte sehr lange damit gekämpft, mir meine Sexualität einzugestehen und auszuleben. Vor dem Outing habe ich sie oft eher unterdrückt, mich dafür geschämt. Mir als Jugendlicher eingeredet, die Gefühle verschwinden schon wieder. Es hat mich irgendwann schockiert, dass ich mich in der heutigen Zeit für meine Gefühle geschämt habe. Wenn ich als Kind so viele Schauspieler erlebt hätte, die offen zu ihrer Sexualität stehen, wäre es mir vielleicht alles nicht so schwergefallen. Deshalb war es für mich sofort klar, mich an der Aktion zu beteiligen. Zumal meine Netflix-Rolle das komplette Gegenteil von queerem Leben war: strikt männlich, großes Ego, fast schon narzisstisch. Neulich bekam ich eine Mail von einem Typen, der die Serie megacool fand, mich aber fragte: Warum bist du schwul? Ich habe ihm geantwortet: Sorry, ich habe mir das nicht ausgesucht, ich bin so geboren.
Weinen Sie manchmal?
Ja, aber in letzter Zeit wieder weniger. Das letzte Mal war auf dem Abschlussfest zu „How to sell drugs“, als allen klar war, das war wohl die letzte Staffel. Ich sollte eine kurze Rede halten und habe dabei angefangen megadoll zu weinen. Trotzdem hat es sich schön angefühlt. Alle haben sich gefreut, dass ich das Gefühl zeigen konnte. Inzwischen merke ich oft, dass ich Weinen unterdrücke. Wenn ich sehr berührt bin, aber auch wenn ich mich freue, zum Beispiel bei einem Film, dann schlucke ich es lieber runter und lasse es nicht raus. Das kommt wohl immer noch wie ein unterbewusster Reflex aus der Kindheit, wo man oft zu hören bekam, jetzt heul‘ doch nicht, sei nicht so eine Memme.
Beim Kochen können Sie persönliche Niederlagen vergessen, wie oft haben Sie in letzter Zeit gekocht?
Ich koche jeden Tag, das hat aber nicht immer mit Niederlagen zu tun (lacht). Ich koche einfach sehr gern, das ist für mich auch Träumen und Abschalten. Ich liebe es, in der Küche zu experimentieren, die ist fast so was wie ein Labor für mich. Danach sieht sie dann schrecklich aus, aber das vergesse ich für den Moment.
Zur Person
Maximilan Mundt wurde 1996 in Hamburg geboren. Als Schauspieler kam er bereits vor seinem Abitur 2014 zum Thalia Theater und wurde Mitglied der Jugendperformance-Gruppe, 2015 übernahm er dort die dramaturgische Beratung am Jungen Theater. Er studierte unter anderem an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfBK). Seine erste Kino-Hauptrolle hatte er 2015 in der Ruhrpott-Komödie „Radio Heimat“. Im selben Jahr wurde er als Fotograf mit dem Deutschen Jugendpreis ausgezeichnet. International bekannt wurde Mundt mit der Hauptrolle in der Netflix-Serie „How to sell drugs online (fast)“, für die er 2020 den österreichischen Film- und Fernsehpreis „Romy“ als bester männlicher Nachwuchsdarsteller bekam. 2021 outete er sich in der Kampagne „actout“ gemeinsam mit 185 Schauspielern und Schauspielerinnen öffentlich als queer. Am 26. Oktober ist er an der Seite von Désirée Nosbusch im ZDF-Samstagabendkrimi „Ein Fall für Conti – Spieler“ zu sehen. Bereits ab diesem Wochenende ist der zweite Fall aus der Krimireihe in der ZDF-Mediathek abrufbar.
Persönliches
Hamburg ist meine Heimat, weil… es hier gemütlicher ist im Vergleich zu anderen Großstädten. Ich bin nie überfordert in Hamburg.
Auf der Straße erkannt zu werden… freut mich.
Soziale Medien sind für mich… Fluch und Segen zugleich.
Dating-Apps finde ich… gut, da habe ich auch meine Liebe kennengelernt.
Ein Flirt in aller Öffentlichkeit… ist manchmal schön, aber kein Anbaggern.