TNeuer Leiter der Polizeiinspektion Rotenburg: „Härte allein ist kein Konzept“

Seit dem 1. August leitet Polizeidirektor Dieter Klingforth die Polizeiinspektion des Landkreises Rotenburg. Foto: Polizei Rotenburg
Die Polizeiinspektion Rotenburg hat seit Anfang August einen neuen Leiter: Dieter Klingforth. Für die Sicherheit der Bürger zu sorgen, sieht der 61-Jährige als seine wichtigste Aufgabe.
Herr Klingforth, warum haben Sie sich für Rotenburg entschieden?
Das Amt der Leitung einer Polizeiinspektion ist für mich das herausragendste Amt in meiner polizeilichen Laufbahn, quasi das i-Tüpfelchen.
Hier habe ich die Möglichkeit, mit einem wirklich exquisiten Team die komplette Bandbreite der polizeilichen Aufgaben zu gestalten: angefangen mit dem Einsatzgeschehen, der Prävention, verschiedenen Stabsfunktionen wie der Öffentlichkeitsarbeit, der Ermittlungsarbeit und noch vielem mehr. Ich bin an zentraler Stelle, um die Schräubchen zu drehen, die dazu führen, dass genau diese Aufgaben bestmöglich wahrgenommen werden können.
Apropos ‚Schräubchen drehen‘. Was würden Sie gerne in der PI Rotenburg verbessern oder verändern wollen?
Das ist eine schwierige Frage, denn hier läuft vieles bereits sehr gut. Entscheidend ist, dass wir uns den Herausforderungen der Zukunft stellen, denn die Gesellschaft verändert sich.
Da wir als Polizei nicht unbegrenzt anwachsen, weder personell noch finanziell, liegt der Schlüssel darin, Abläufe zu optimieren: Wichtiges klar von Unwichtigem zu trennen. Massenkriminalität weiterhin sorgfältig zu bearbeiten, aber gleichzeitig Ressourcen für die wirklich gravierenden Fälle - insbesondere dort, wo Menschen Opfer von Straftaten werden - freizuhalten. Mein Ziel ist, dass wir nicht nur die richtigen Dinge tun, sondern diese auch richtig tun.
Was würden Sie sagen, was ist aus polizeilicher Sicht besonders am Landkreis Rotenburg?
Was den Landkreis besonders macht, ist die Fläche. Dass man hier eine Dienststelle organisieren muss, in einem der größten Landkreise der Republik. Unser Anspruch ist es, die Bevölkerung zuverlässig zu versorgen, auch wenn wir nicht überall gleichzeitig präsent sein können.
Das ist zwar eine Herausforderung - allein aufgrund der Wegzeiten -, wir sind mit unseren Polizeidienststellen aber sehr gut aufgestellt. Neben der Gefahrenabwehr und der Verfolgung von Straftaten muss die Polizei auch unzählige Verkehrsunfälle und andere Ereignisse bearbeiten.
Katastrophenschutz
Mehrere Besonderheiten: So lief der Warntag im Landkreis Stade
Da muss man einfach feststellen, dass die Polizei zwar immer telefonisch erreichbar ist, aber nicht immer auch sofort persönlich erscheinen kann. Wir müssen unsere Aufgabenbewältigung priorisieren und auch auf das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger hoffen.
Und besonders für den Landkreis Rotenburg ist natürlich das Hurricane-Festival, der größte ständig wiederkehrende Polizeieinsatz in der Region. Auch das ist eine Herausforderung, im Ergebnis dann zu erleben, wie alles Hand in Hand abläuft, ist aber ein sehr erfüllender Job.
Wie sicher ist Rotenburg aus Ihrer Sicht?
Im Vergleich zu anderen Landkreisen sind wir – gemessen an der Häufigkeitszahl aus der jährlichen polizeilichen Kriminalstatistik – auf jeden Fall sicher. Die Häufigkeitsziffer drückt aus, wie wahrscheinlich es ist, dass man Opfer einer Straftat wird. Die Zahlen für den Landkreis Rotenburg sind deutlich unterhalb des Landesschnittes.
Die gefühlte Sicherheit passt oft nicht zu den Zahlen der Kriminalstatistik, so ist es auch hier. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, sehr gering ist, ist es trotzdem so, dass Berichterstattungen und das Verhalten anderer sich auf unser subjektives Sicherheitsgefühl auswirken.
Fluch und Segen des Internets und der permanenten Berichterstattung ist es, dass wir Katastrophen und schlimme Dinge nicht mehr nur im unmittelbaren Nahbereich erleben, sondern, dass wir über Ereignisse auf der ganzen Welt informiert sind. Und das in Echtzeit. Ich bin der Meinung, dass das eine Wirkung auf das subjektive Sicherheitsgefühl eines jeden Einzelnen hat.
Was würden Sie Menschen, die sehr besorgt sind, sagen?
Wichtig ist, die eigene Wahrnehmung zu objektivieren. Schlimme Dinge passieren auf der Welt, aber nicht jederzeit und überall. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir oder meinen Liebsten solche Dinge widerfahren, ist objektiv betrachtet verhältnismäßig gering. Zugleich sollte die Wachsamkeit aber nicht verloren gehen. Mein Appell: Wenn Ihnen etwas auffällt oder Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich an die Polizei - wir kümmern uns gerne um Ihr Anliegen.
Sprechen wir über Rotenburg, gibt es vor allem zwei störende Dinge: die Autoposer-Szene und die Clankriminalität. Wie begegnen Sie dem?
Hier sprechen wir über zwei Schwerpunktthemen unserer polizeilichen Arbeit vor Ort, denen wir akribisch nachgehen. In Bezug auf die Autoposer haben wir eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die regelmäßig Kontrollen durchführt und sich damit intensiv auseinandersetzt. Denn auch wenn nicht immer Straftaten nachweisbar sind, stören unnötiger Lärm und riskantes Fahren die Öffentlichkeit.
Clankriminalität ist ein anderes Thema, welches nicht nur die PI Rotenburg betrifft. Menschen, die aufgrund ihrer starken familiären Bindungen versuchen, Dinge zu ihrem Vorteil zu gestalten - und zwar außerhalb der Rechtsordnung - kann man nur mit spezialisierten Ermittlungsmethoden entgegenwirken. Es handelt sich hier um eine nicht hinnehmbare Art von Kriminalität, die wir in einer Demokratie niemals akzeptieren dürfen. Insbesondere die enge Zusammenarbeit mit anderen Behörden ist dabei grundlegend und funktioniert hier im Landkreis einwandfrei.
Der Respekt gegenüber Einsatzkräften sinkt. Erst kürzlich gab es auch zwei Vorfälle am Diakonie-Klinikum. Macht Ihnen die Entwicklung Sorgen?
Sorgen macht mir das deshalb, weil das erhebliche Einflüsse auf das Sicherheitsgefühl der Menschen in unserer Region hat. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kolleginnen und Kollegen zur Bewältigung dieser Lagen – auch im kommunikativen Umgang – bestens geschult sind. Wenn ich höre, dass Einsatzkräfte, die ja nur helfen wollen, vor Ort angegriffen werden, fehlt mir dafür jegliches Verständnis.
Um langfristig eine Veränderung herbeizuführen, müssten positive Tendenzen bei der Erziehung erkennbar sein. Es gibt ja auch immer wieder Stimmen, die sagen, der Staat müsse härter durchgreifen. Aber die Frage ist, ob man dadurch nicht eine Gewalteskalation herbeiführt. Der Anspruch ist, dass wir Ruhe bewahren und am Ende konsequent, aber trotzdem deeskalierend die Situationen vor Ort lösen.
Das heißt, Sie stimmen der Aussage nicht zu, dass die Polizei manchmal Mittel bräuchte, um härter durchzugreifen?
Wir haben die notwendigen rechtlichen Mittel, um unsere Aufgaben zu erfüllen. Härte allein ist kein Konzept. Diese Floskel ‚härter durchgreifen‘ kommt aus so einer politischen Ecke, die eigentlich keine Inhalte transportiert. Sinnvoll wäre es, Fortschritte beim Umgang mit großen Datenmengen zu erzielen. Wir reden immer über KI, über Vernetzung und Datenaustausch, und da müsste man tatsächlich alsbald zu gesetzlichen Regelungen kommen, die das auch in der Praxis ermöglichen.