T„Neuwerk“-Seeleuten fehlt seit Monaten fast ein Drittel ihres Lohns

Die Seeleute vom Mehrzweckschiff „Neuwerk“ warten seit mehr als einem halben Jahr auf die Auszählung ihrer Zuschläge. Foto: Iven
Das Mehrzweckschiff „Neuwerk“ schleppt auf der Nordsee in Not geratene Schiffe ab oder bekämpft Ölteppiche. Jetzt ist die Besatzung in Not, wichtige Gehaltszuschläge werden nicht ausgezahlt.
Cuxhaven. Vom obersten Dienstherren gab es zuletzt viel Lob. Noch-Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) besuchte als eine seiner letzten Amtshandlungen das Mehrzweckschiff „Neuwerk“ in Cuxhaven.
Welche Aufgaben hat die „Neuwerk“?
„Die Mannschaft ist sehr engagiert und trägt zu unserer Sicherheit bei“, sagte Wissing auf dem Schiff, das vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) betrieben und unter anderem vom Havariekommando eingesetzt wird – etwa, um Schiffe abzuschleppen oder Ölteppiche zu bekämpfen. Auch wenn der Alltag oft daraus besteht, Schifffahrtstonnen zu überprüfen und zu ersetzen.
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Er spüre die „Leidenschaft“ an Bord, sagte der Minister, und ergänzte auf Hinweis eines WSA-Mitarbeiters, dass gute Leute immer gesucht würden. „Das ist schon ein toller Beruf“, schwärmte Volker Wissing.
Das bereits vorhandene Personal auf der „Neuwerk“ nutzte die Gelegenheit allerdings, um Wissing auf ein dringendes Problem hinzuweisen, das so gar nicht zu der verkündeten Wertschätzung für die Mitarbeiter zu passen scheint.

Auf dem Mehrzweckschiff „Neuwerk“: Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) lässt sich von Kapitän Jan Conrads (links) die Brücke zeigen. Foto: Iven
So wurde das ehemalige FDP-Mitglied von einer Abordnung der Gewerkschaft Verdi und der Besatzung mit einem Plakat verabschiedet. Darauf stand zu lesen: „Wir fordern die Zahlung unserer Zulagen“.
Der Minister war überrascht, konnte im Gespräch allerdings lernen, dass es sich nicht um den üblichen Arbeitskampf mit Forderungen nach höheren Löhnen handelte.
Streit um die Zuschläge für die Besatzung der „Neuwerk“
Die Besatzung des Mehrzweckschiffs verlangt nur die Zuschläge, die ihr nach Tarif bereits zusteht. Und die das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt schon seit mehr als einem halben Jahr einfach nicht mehr auszahlt.
Wobei die Zuschläge für die Besatzung einen erheblichen Teil ihres Lohns ausmachen. Bis zu 1000 Euro weniger bekomme er monatlich, berichtete ein Seemann. Da er eine Familie zu versorgen und ein Haus abzuzahlen habe, sei der Wegfall dramatisch. Mittlerweile habe er sogar Schulden aufnehmen müssen.

Minister Volker Wissing (2v.r.) mit Mitarbeiterin des Wasser- und Schifffahrtsamts vor dem Mehrzweckschiff „Neuwerk“ in Cuxhaven. Foto: Iven
Eine der Stammmannschaften der „Neuwerk“ besteht aus jeweils 16 Besatzungsmitgliedern, die im wöchentlichen Wechsel im Einsatz sind. Jeden Dienstag wird die Besatzung gewechselt. Danach fährt die „Neuwerk“ sieben Tage lang auf See.
Auch bei Sturm? „Gerade bei Sturm“, so Kapitän Jan Conrads. Denn dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass andere Schiffe in Not geraten. Die „Neuwerk“ ist dann draußen auf der Nordsee, um manövrierunfähige Schiffe bei Bedarf sofort abschleppen zu können.
Zuschläge machen bis zu einem Drittel des Gehalts aus
Nach einer einwöchigen Fahrt hat die Besatzung eine Woche lang frei. Für die Zeit auf See gibt es einges an Bord- und Wochenendzuschläge, die bis zu einem Drittel des Gehalts ausmachen können.
Doch wieso zahlt der Arbeitgeber die Zuschläge nicht mehr? Von der Gewerkschaft Verdi ist zu hören, dass innerhalb der Behörde mehrere Faktoren zusammengekommen sein sollen. Demnach habe es technische, personelle und organisatorische Probleme gegeben.

Freundliche Erinnerung an die Auszahlung der Zuschläge: Bundesverkehrsminister Volker Wissing bekommt von der Besatzung der „Neuwerk“ einen Osterhasen geschenkt. Foto: Iven
Einige Seeleute drücken sich anonym etwas weniger diplomatisch aus: Sie vermuten, dass die Behörde so lange Personal eingespart hat, bis sie ihre Aufgaben nicht mehr erledigen könne.
Trotz der schwierigen Situation ist Streik auf der „Neuwerk“ allerdings kein Thema. Laut einer Notdienstverordnung ist das nicht möglich. Jemand muss die Nordsee sichern.
Was sagt das Bundesverkehrsministerium?
Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich auf Nachfrage der Nordsee-Zeitung. „Aufgrund krankheitsbedingter Vakanzen in der Zulagenfeststellung kam es in der Vergangenheit bedauerlicherweise zu erheblichen Verzögerungen bei der Auszahlung der Zulagen“, teilte eine Sprecherin mit.
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Den Mitarbeitern seien Teilzahlungen angeboten worden. Zudem seien sie regelmäßig über den Sachstand informiert worden.
Mittlerweile sei die Zulagenbearbeitung wieder voll besetzt. „Es wird mit Hochdruck an der Aufarbeitung der Rückstände gearbeitet“, so die Ministeriumssprecherin. Ziel sei es, die ausstehenden Zulagen bis Ende Mai vollständig auszuzahlen. Das wäre dann eine Verzögerung von bis zu neun Monaten.
Volker Wissing hat angekündigt, sich darum kümmern zu wollen. Bis zum Ende seiner Amtszeit dürfte es allerdings knapp werden. Ein neuer Verkehrsminister wird voraussichtlich Anfang Mai mit einer neuen Bundesregierung vereidigt. Als freundliche Erinnerung schenkte die Mannschaft dem Minister zum Abschied dennoch einen rosa Osterhasen.