TNostalgie mit 11.000 PS: So schlägt das Herz der Cap San Diego
Im Bauch der Cap San Diego: Der Maschinenraum ist das Herz des Hamburger Museumsschiffs. Foto: Klempow
Die Cap San Diego erobert Herzen. Was macht das Schiff so besonders? Unten im Maschinenraum sind Wissen und Bauchgefühl gefragt. Harald Bube hat beides.
Hamburg/Landkreis. Hinab geht es in den Schiffsbauch, immer dem Mann im roten Overall nach. Harald Bube läuft leichtfüßig die Treppen, die Niedergänge, abwärts. Seit 2017 gehört der Gräpeler zur Maschinen-Crew.
Der eiserne Handlauf ist glatt geschmirgelt von unzähligen Händen; Crew, Touristen, Schiffsverehrer, die die Cap San Diego fast bis in jeden Winkel erkunden dürfen. Auch bei dieser Fahrt auf der Elbe, von Cuxhaven zurück zum Liegeplatz im Hamburger Hafen.
Turbolader mit einem Meter Durchmesser
Im Bauch der Cap San Diego geht es um den Antrieb der Lady: Die Maschine ist haushoch und reicht über drei Decks. In der obersten Etage sind die Zylinderköpfe zu sehen. „Wie ein Turbolader im Auto, nur ein bisschen größer“, sagt Harald Bube und grinst. Jeder dieser Turbolader hat einen geschätzten Durchmesser von einem Meter.

Wer die Maschine steuert, muss alle Anzeigen im Blick und Fingerspitzengefühl haben. Foto: Klempow
Das Vibrieren wird stärker, der Lärm nimmt zu. Harald Bube hat den Manöverstand unten erreicht. Hier hat sich seine Wache versammelt. Zuständiger Chief ist Joachim Stüber. Zusammen kontrollieren sie 11.600 PS. Der Motor lässt die Antriebswelle rotieren. Vom Maschinenraum geht sie etwa 40 Meter durch bis ans Heck und zum Schiffspropeller.
Original Baujahr 1961
Alles hier unten ist original, Baujahr 1961. Was auf modernen Schiffen automatisch läuft, „machen wir hier noch per Hand“, sagt Bube. „Die Regler sind die Menschen“, ergänzt Ole Meißner. Er ist einer der Jüngeren in der Crew. Er hat Schiffsbetriebstechnik studiert und wollte sein Patent sinnvoll nutzen.

Ole Meißner wollte etwas sinnvolles mit seinem Patent machen - und hat bei den Ehrenamtlichen angeheuert. Foto: Klempow
„Es macht Spaß“, sagt er. Weil die Technik hier noch in ihrer Grundform zu finden ist. Außerdem: „Die Leute sind hier, weil sie Bock drauf haben. Das hat einen riesigen Einfluss aufs Arbeiten.“ Und: „Die Erfahrung, wir reden von Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, die hier versammelt sind. Das findet man sonst nirgends“.

Der Maschinentelegrapf zeigt an, wie viel Leistung oben von der Brücke gewünscht wird. Foto: Klempow
Harald Bube ist auch einer dieser Erfahrenen. Er hat seinen Platz am Manöverhandrad eingenommen. Seine Fingerspitzen berühren den Griff. Ein schrilles Klingeln - der Maschinentelegraf. Er überträgt in den Bauch des Schiffes, was oben auf der Brücke gewünscht ist. Der schwarze Zeiger steht auf „Ganz Langsam“. Bube braucht Feingefühl bei der Steuerung der Maschine, muss die Anzeigen für Kühlungen oder Turbinen im Blick haben.
Gräpeler Seefahrerfamilie
Bube ist längst in Rente. Aber sein Patent hat er vor vier Jahren verlängern lassen. Er stammt aus einer Gräpeler Seefahrer-Familie und hat auch seinen Sohn Hendrik für die Seefahrt begeistert.
Vor fast 50 Jahren ist er als zweiter Ingenieur von der Reederei Hamburg Süd eingestellt worden. Er fuhr auf einem Schwesterschiff, der Cap San Antonio. Die ist wie die anderen vier aus der Cap San-Flotte verschrottet. Der Cap San Diego aber geht es bestens. Das Stampfen der Maschine ist wie ein Herzschlag, der alle erfasst.

Die Cap San Diego ist das letzte verbliebene Schiff Cap-San-Flotte. Foto: Cap San Diego Betriebsgesell.
An Deck ist er kaum noch zu hören, das Bauchgefühl von Zusammenhalt, Nostalgie und purer Freude aber ist zu spüren. Passagiere genießen den Blick auf den Fluss, Ehemalige der Reederei Hamburg Süd schwärmen von alten Zeiten.
„Wenn man das Schiff sieht, spürt man sofort: das ist nicht nur irgendein Stückgutfrachter, sondern etwas Besonderes“, sagt Ann-Kathrin Ruess. Sie ist Geschäftsführerin der Betriebsgesellschaft, die das einmalige Museumsschiff in Fahrt hält. Die Oetker-Familie als Eignerin der Hamburg Süd hatte damals fürs Design den Star-Architekten Cäsar Pinnau an Bord geholt. Die Cap-San-Schiffe galten fortan als „Schwäne des Südatlantiks“.
Schwimmendes Hotel
Die zeitlose Eleganz der weißen Lady zeigt sich im Salon, in geschwungenen Treppen, in der Bar oder am Pool. Zwölf Passagiere durften bei Fahrten nach Südamerika mit an Bord, sie genossen jeden Komfort. Auch heute noch gehen Übernachtungsgäste an Bord.

Die Ausstellung im Frachtraum. Als Museumsschiff darf die Cap San Diego bis in viele Winkel erkundet werden und ist ein gut beschriftetes Schiff. Foto: Klempow
Im Frachtraum ist zu sehen, was die weiße Lady 20 Jahre lang gewuppt hat: Fernseher, Konserven, Kosmetika. Auch Autos, Lkw und sogar Eisenbahnwaggons, ebenso Kaffee, Rind- und Pferdefleisch, das im Frachtraum von den Haken hing. „Pferdehälften aus Argentinien, die bei minus 1,4 Grad gefahren wurden, damit das Fleisch weich blieb“, erzählt Bube während seiner Pause in der Mannschafts-Messe, besagte Haken an der Decke über sich. „Das ging alles nach Antwerpen.“
Kapitän heuert als Rentner wieder an
Wenn im Maschinenraum das Herz der Cap San Diego schlägt, dann muss die Brücke Hirn und Kommandozentrale sein. Aber auch hier schwingt dieses Bauchgefühl mit. Cap-San-Nostalgie, die Freude dieses Schiff bewahrt zu haben. Kapitän Birger Möller schnackt gern.

Ein Hamburg-Süd-Urgestein: Kapitän Birger Möller. Foto: Klempow
1967 hat er bei Hamburg Süd angefangen, er fuhr auf allen Cap San-Schiffen, „vom Moses ganz unten bis zum Ersten Offizier.“ Nur die Cap San Diego fehlte noch. „Das mach‘ ich jetzt als Rentner.“ Er ist ein verschmitzter Erzähler und hat einen Seesack voller Erinnerungen dabei, an Fahrten in die Südsee, später in Piratenreviere mit kugelsicherer Weste.

Im alten Frachtraum hing früher das Pferdefleisch. Heute ist es die Messe für die Freiwilligen-Crew. Harald Bube (links) und Chief Joachim Stüber bei der Pause. Foto: Klempow
Die Reederei Hamburg-Süd wurde 2017 an Maersk verkauft. Das Ende einer Ära. Auch Gerd Sietas war Hamburg-Süd-Kapitän. Ein Wort gibt das andere. Schiffe, Routen, Reedereien, Kollegen. Auf der Brücke werden Anekdoten und Seemannsgarn verwoben. Durch die Kommandozentrale schlendern Passagiere von Steuerbord nach Backbord und zurück. Keinen stört’s.

Gerd Sietas. Foto: Klempow
Sietas schätzt es, die alte Technik zu erhalten, damit zu arbeiten. „Das ist einfach schön.“ Das Zusammenspiel zwischen Technik und Menschen ist für ihn der Reiz - und das Miteinander der Generationen.

Rudergängerin Maike Thoms steuert die Cap San Diego nach den Ansagen des Lotsen in den Hamburger Hafen. Foto: Klempow
Das sieht auch Maike Thoms so. Sie steht mitten im Gewusel auf der Brücke und hält das Schiff als Rudergängerin konzentriert auf Kurs. Sie fährt beruflich als Wachoffizierin bei einer großen deutschen Reederei. „Es halten alle zusammen, es sind viele Ältere dabei, von denen man sich noch Handwerk abgucken kann, das heute in der modernen Schifffahrt untergeht.“
Heikles Anlegemanöver im Hamburger Hafen
Die Cap San Diego hat vieles, was andere nicht mehr haben - aber ihr fehlt auch etwas. Bugstrahl- und Heckstrahlruder zum Beispiel. Deswegen ist das Anlegen in Sichtweite von Elphi und Michel ein besonderes Manöver und funktioniert nur mit drei Schleppern.

Hafenlotse Roland Kühn auf der Brücke. Foto: Klempow
Hafenlotse Ronald Kühn dirigiert sie übers Funkgerät. Er hat Nerven wie Drahtseile. Das knapp 160 Meter lange Schiff muss bis auf zehn Zentimeter genau an den Pier geschoben werden. „Das ist eine ganz filigrane Arbeit“, sagt Kühn. Der Wind funkt dazwischen. Endlich kann die Decks-Crew die Dockschlösser um die Dalben klappen und festmachen.

Mal eben Leinen festmachen - bei der Cap San Diego funktioniert das nicht. Sie hat vormontierte Dockschlösser, die haargenau an die Dalben manövriert werden müssen. Foto: Klempow
Käpt‘n Möller, Gerd Sietas, Ole Meißner und Harald Bube beobachten das Manöver. Sie haben ihren Job erledigt und dafür gesorgt, dass die Cap San Diego in Fahrt war und als Wahrzeichen des Hafens wieder zurück ist.
Harald Bube wird in ein paar Tagen wieder nach Hamburg fahren, um Schifffahrtsgeschichte zu bewahren und zusammen mit den anderen die Maschine in Schuss halten. Die Maschine ist das Herz der Cap San Diego. Die Mannschaft ist die Seele.
Der Fahrplan für das Jahr 2026 ist just erschienen.

Lotsenwechsel auf der Elbe. Foto: Klempow
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