TWie dieser Chefarzt Todkranke begleitet

Mitfühlende Gespräche und achtsame Gesten stehen bei Dr. med. Christoph Schaudt und Christine Akermann im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Foto: rp
Scherzen zwischen Sterbenskranken? Für den Chefarzt der Ameos-Palliativstation ist das kein Widerspruch. Der Arzt über seinen Job.
Bremerhaven. Auf der letzten Wegstrecke dem Leben noch in all seinen Facetten Raum zu geben. Quälendes wie Schmerzen, Panik, Wahnvorstellungen, Atemnot weitestgehend zu lindern. Angehörigen Ruhe zu schenken. Das ist der „palliative“ Gedanke, dem unumkehrbar endenden Leben nicht mit High-Tech und belastenden Eingriffen noch ein paar Tage mehr an Lebendig-Sein abzuringen, sondern der verbleibenden Zeit von Augenblick zu Augenblick noch das Bestmögliche an Leidfreiheit und individueller Qualität zu geben.
Palliativstation am Ameos-Klinikum Bremerhaven: Ein Ort der Ruhe und Würde
Wer auf einer Palliativstation oder in einem Hospiz arbeitet, beruflich oder ehrenamtlich, hat sich diesem Leitgedanken mit Herz, Kopf und Können verschrieben. Menschen wie die speziell palliativ ausgebildeten Pflegekräfte am Bremerhavener Ameos-Klinikum am Bürgerpark. Palliativ-Mediziner wie Dr. Christoph Schaudt.
Seit 1. April 2021 ist er der Chefarzt des Lungenzentrums, der Klinik für Lungenheilkunde, Intensiv- und Beatmungsmedizin. Unlängst hat er auch die Leitung der Palliativstation übernommen. Die ist vor drei Jahren aus dem einstigen „Jo-Ho“ an der Wiener Straße an den Bürgerpark umgezogen.
Gesundheitswesen
T Würdevoll sterben: Neue Plätze für Todkranke in Buxtehude
Sterbebegleiterin
T Hospizdienst: Erna Klindworth begleitet Menschen aus der Region in den Tod
Krebsdiagnosen
T „Hier ist mein Zuhause“: Todkranke über ihr Leben im Tageshospiz
Dr. Christoph Schaudt: Vom Lungenexperten zum Chefarzt der Palliativstation
Mit seiner Stationsleiterin Christine Ackermann, dem 17-köpfigen Pflege-Team und zwei ärztlichen Kollegen ist der in Palliativ-Medizin schon seit 20 Jahren erfahrene 60-Jährige darum bemüht, die unheilbar Kranken in den - akut voll belegten - zehn Einzelzimmern mit individuell abgestimmten medizinischen Therapien und einem ambulanten Netzwerk vom Psychologen bis zur Physio- und Musiktherapie, soweit zu stabilisieren, dass sie nach Hause und dort gut umsorgt werden können.
Ärztlich und menschlich herausfordernd
Warum widmet sich der gebürtige Offenburger, der lange in und um Köln gelebt, studiert, gearbeitet hat und dem der rheinische Slang und Schalk zuweilen aus den Augenfältchen und über die Lippen blitzt, ausgerechnet diesem Gebiet - der ärztlich, ethisch, menschlich herausforderndsten Aufgabe in einer Klinik? „In meinen ersten Jahren in der Lungenheilkunde habe ich die frühe Palliativentwicklung intensiv miterlebt“, erzählt Schaudt in einer Pause auf seiner Station.

Als neuer Chefarzt der Palliativstation am Ameos Klinikum in Bremerhaven setzt sich Dr. med. Christoph Schaudt für die Bedürfnisse von Patienten und ihren Familien ein. Foto: rp
„Gottseidank hat sich die Palliativmedizin in politischer Konsequenz weiterentwickelt. Als ich von 2000 bis 2005 als leitender Oberarzt am Klinikum Duisburg eine eigene pneumologische Klinik aufgebaut hatte, haben wir schon palliative Entscheidungen getroffen und überdacht, was mute ich dem Menschen eigentlich noch zu. Ständige Beratungen, ohne es als ‚palliativ‘ zu deklarieren.“
Familiendramen
T Sie sind da, wenn Kinder und Jugendliche trauern
Entlasten und Pflegen
T Gründerstar-Serie: Sie ermöglichen Stadern ein würdevolles Leben zu Hause
So arbeitet die Palliativstation Bremerhaven mit Hospizen zusammen
Auch seine Chefarzt-Zeit danach an der Schwarzwälder Lungenfachklinik St. Blasien war geprägt von palliativer Fürsorge. Ebenso die Jahre als Chefarzt ab 2010 in Bad Lippspringe. „2015 habe ich mich selbst noch für die zeitaufwendige Palliativ-Zusatzausbildung entschieden“, sagt Schaudt.
Auf Lateinisch heißt „pallium“ Mantel. Um das In-Schutz-Hüllen unheilbar Kranker geht es - auch in der Hospizbewegung.
„Es ist gut, dass wir in Bremerhaven und im Landkreis jetzt Hospize haben und überweisen immer wieder von unserer Station dorthin, das ist eine enge Kooperation.“ Leider, bedauert Schaudt, sei bei vielen Haus- und Fachärzten noch nicht verankert, dass sie Patienten mit nicht mehr gut behandelbaren Symptomen an die „Palli“ überweisen können.
Und wie kann er von all der Intensität mal abschalten? „Ich bin begeisterter Sportler und laufe viel, fahre Motorrad und liebe Musik. Gerne Hardrock. Aber auch Klassik“ - er schmunzelt - „schließlich war meine Mutter Klavierlehrerin“.
Palliativstation
Die erste Bremerhavener Palliativstation hatte Prof.Dr. Hans-Heinrich Heidtmann ab 1991 am St.-Joseph-Hospital aufgebaut - als eine der ersten bundesweit. Heute unter dem Dach der Ameos-Klinik am Bürgerpark stehen zehn Einzelzimmer für Menschen mit unheilbaren, fortgeschrittenen onkologischen, kardiologischen, neurologischen Erkrankungen zur Verfügung. Überwiesen wird vom behandelnden Arzt. Die Kosten tragen die Kassen. Kontakt: 0471/1821256.