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Prozess

TPalmöl-Betrug: 56-Jähriger soll knapp 1,8 Millionen Euro ergaunert haben

Ein 56-jähriger Selsinger steht wegen besonders schweren Betrugs in Stade vor Gericht.

Ein 56-jähriger Selsinger steht wegen besonders schweren Betrugs in Stade vor Gericht. Foto: Sina Schuldt/dpa

Beispiele dafür, wie man lieber nicht mit seinem Geld umgehen sollte, erhielten Zuhörer vor der Wirtschaftsstrafkammer am Stader Landgericht. Ein 56-Jähriger wird dort wegen besonders schweren Betruges angeklagt. Weshalb er bei den Geschädigten leichtes Spiel hatte.

Von Theo Bick Dienstag, 20.02.2024, 17:00 Uhr

Stade. Beispiele dafür, wie man lieber nicht mit seinem Geld umgehen sollte, konnten Zuhörer vor der Wirtschaftsstrafkammer am Stader Landgericht erhalten. Bei der Fortsetzung des Prozesses gegen einen 56 Jahre alten Mann aus der Samtgemeinde Selsingen, der wegen besonders schweren Betruges in 143 Fällen angeklagt ist, wurden zwei weitere Zeugen befragt.

Die Straftaten sollen sich im Zeitraum zwischen 2015 und 2020 in Sandbostel und andernorts ereignet haben. In diesem Zeitraum hatte auch ein heute 72 Jahre alter Rentner aus Bremervörde, der am Mittwochnachmittag als erster Zeuge befragt wurde, Kontakt zu dem Angeklagten. Kennengelernt habe er den 56-Jährigen beruflich, als dieser noch bei einer Medienagentur beschäftigt gewesen sei. Aus vielen netten Gesprächen und gemeinsamen Geschäftsterminen habe sich dann eine Freundschaft entwickelt.

„Freundschaftsdienst“ mit finanziellen Einbußen

Schließlich habe der Angeklagte dann angekündigt, sich beruflich selbstständig zu machen. In diesem Zusammenhang habe er dem Angeklagten über zwei bis drei Jahre regelmäßig Geld geliehen. Insgesamt seien es rund 250.000 Euro gewesen. Im Verlauf der Jahre habe der Angeklagte ihm jedoch lediglich etwa 50 bis 60 Prozent des geliehenen Geldes zurückgezahlt. Rund 120.000 Euro stünden noch aus, auf deren Rückzahlung er bis heute warte.

„Mit der Zeit hat er immer mehr Ausreden gehabt“, sagte der Zeuge über den Angeklagten. Der Kontakt habe nach einiger Zeit immer unregelmäßiger stattgefunden, zuletzt sei der 56-Jährige gar nicht mehr erreichbar gewesen. Selbst bei einem Besuch an dessen Wohnort habe er nur heruntergelassene Jalousien vorgefunden, gab der Zeuge zu Protokoll.

Richter und Staatsanwalt haben viele Fragen

Viele Fragen hatten Richter und Staatsanwalt zu den Summen, die der Senior gezahlt hat. Insbesondere zur Häufigkeit der Geldtransfers: 10.000 Euro hier, 15.000 Euro dort, noch ein paar Tausend Euro nur wenige Tage später. „Für den Warenkauf“, erklärte der 72-Jährige allgemein. „Palmöl, Dünger etc.“, fügte er auf Nachfrage von Richter Stefan Tomczak hinzu.

Genaue Erklärungen, wofür die einzelnen Beträge vom Angeklagten innerhalb kurzer Zeitspannen angeblich benötigt worden seien, blieb der Bremervörder schuldig. In Sachen Argumentationsstärke und Überzeugungskraft beschrieb er den Angeklagten als „sehr stark“.

„Zinsen haben wir nicht vereinbart“

Ein Muster, das sich mittlerweile bei mehreren Zeugenbefragungen in diesem Prozess wiederholt hat: Sowohl die Richter als auch Oberstaatsanwalt Dr. Burkhard Vonnahme fragen mit hörbar wachsender Verwunderung mehrfach nach vereinbarten Rückzahlungsmodalitäten, Zinskonditionen, schriftlichen Vereinbarungen oder Ähnlichem. Die Antwort der im Zeugenstand befindlichen „Geldgeber“ des Angeklagten: Meist Fehlanzeige. „Zinsen haben wir nicht vereinbart“, antwortet beispielsweise der 72-jährige Bremervörder.

Von einer Bonuszahlung am Ende der Geschäfte in Höhe von 20.000 Euro sei die Rede gewesen. Diese Summe habe der Angeklagte jedoch von sich aus ins Spiel gebracht, betonte der 72-Jährige. Wirtschaftlich sei der Verlust des Geldes „keine Katastrophe“ für ihn.

Darauf, dass der 72-Jährige bei einer Polizeibefragung nie etwas von Zins- oder Bonusversprechen des Angeklagten erwähnt hatte, wies Verteidiger Michael Stephan in seiner Befragung des Zeugen hin. „Zunächst einmal war es ein Freundschaftsdienst. Ich ärgere mich, über meine Dusseligkeit“, bekannte der Rentner im Zeugenstand, dem die Befragung mit fortlaufender Dauer sichtbar missfiel. Direkt nach Ende der Befragung verließ er schnellstmöglich den Saal. Selbst auf die Entgegennahme des Formulars zur Erstattung der Fahrtkosten verzichtete der Bremervörder.

Schulden nur teilweise zurückgezahlt

Im Zeugenstand nahm anschließend ein 56-jähriger Landwirt aus dem Kreis Diepholz Platz. Irgendwann habe ihn der Angeklagte dann nach finanzieller Hilfe gefragt - und diese auch erhalten. Öfter und über einen längeren Zeitraum sei dies vorgekommen. Letztlich habe sich das geliehene Geld auf etwa 250.000 Euro aufsummiert. Rückzahlungszeiträume seien nicht ausgemacht worden, die Frage nach einem Zinssatz wollte „im Nachhinein“ geklärt werden.

Zwischendurch sei zwar in unregelmäßigen Abständen etwas zurückgezahlt worden. Bis heute seien aber noch rund 90.000 Euro offen. „Da warte ich seit zwei Jahren drauf“, sagte der Zeuge. „Sind sie mal aktiv geworden?“, erkundigte sich Richter Tomczak. Ein anwaltliches Schreiben habe er aufsetzen lassen, so der Landwirt.

Pikant: Das Geld entnahm der Landwirt nach eigener Aussage vom Geschäftskonto einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die er mit seinem Bruder gemeinsam führt. Die gebuchten Beträge waren versehen mit Deklarierungen wie „für Ersatzteile“, „Bodenbearbeitung“ oder „Anbaugeräte“. Es habe sich jedoch um Darlehen für den Angeklagten gehandelt, bekannte der Landwirt.

Im Zuge des Verfahrens Kontakt mit Steuerfahndung

Wie auch einige andere im Prozess befragte Zeugen hatte der Landwirt im Zuge des Verfahrens Kontakt mit der Steuerfahndung. Ein Strafverfahren sei nicht eingeleitet worden, sagte der Zeuge. Etwaige Straftaten dürften wohl verjährt sein, kommentierte der Vorsitzende Richter.

Nicht nachvollziehbar sei jedoch, dass nie gefragt worden sein soll, wofür der Angeklagte das Geld benötige, hakte Richter Tomczak nach. „Ich wollte ihm helfen. Ich habe nicht hinterfragt, wofür er das Geld brauchte“, bekannte der Zeuge. „Ist es denn problematisch für Sie, dass das Geld weg ist?“, erkundigte sich Dr. Burkhard Vonnahme. Die Antwort: „Es ist nicht so, dass wir jetzt zum Sozialamt müssen. Aber natürlich ist das ein Loch in der Kasse.“

Fortgesetzt wird die Verhandlung am 6. und 7. März um jeweils 9.15 Uhr. Unter anderem werden die in dem Fall ermittelnden Polizisten als Zeugen befragt.

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