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Bildungscampus

T„Wir machen Sachen anders“: Wieso die neue Stader Oberschule besonders ist

Oberschulleiter Alexander Eßer (rechts) trinkt gern mit Kollegen einen Kaffee in der Happyness-Ecke - hier zusammen mit Susanne Boinowitz und David Ochmann.

Oberschulleiter Alexander Eßer (rechts) trinkt gern mit Kollegen einen Kaffee in der Happyness-Ecke - hier zusammen mit Susanne Boinowitz und David Ochmann. Foto: Stehr

Mehr als 200 Fünft- und Sechstklässler gehen inzwischen auf die Oberschule auf dem Bildungscampus Riensförde. Warum sich gutes Benehmen für sie besonders lohnt.

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Von Lena Stehr
Donnerstag, 23.01.2025, 18:15 Uhr

Stade. Morgens, halb zehn, an der Oberschule Stade auf dem Bildungscampus Riensförde: Im August 2023 wurden hier die ersten Fünftklässler eingeschult. Inzwischen haben sie die sechste Klasse schon halb geschafft und sich in ihrem Cluster im ersten Stock eingelebt. Cluster bedeutet, dass die Klassenräume um einen zentralen Bereich angeordnet sind, der für Gruppenarbeiten genutzt werden kann.

Weniger Frontalunterricht, mehr Projektarbeit

Gerade findet der Projektunterricht statt. Die Schüler lernen dabei unter anderem selbstständiges Arbeiten, Teamfähigkeit und ihre Stärken kennen, sagt Schulleiter Alexander Eßer. Weniger Frontalunterricht, mehr Lernraum für alle, lässt sich das Oberschul-Konzept grob zusammenfassen, das von dem rund 20-köpfigen Lehrkräfte-Team stetig weiterentwickelt wird.

Zum kollegialen Austausch treffen sich alle gern in der sogenannten Happyness-Ecke im großen Foyer, wo es immer Kaffee gibt. „Wir legen viel Wert auf ein gutes Miteinander, duzen uns und wollen, dass alle gerne herkommen“, sagt der Schulleiter.

Samuel (v. li.), Adrian, Elias und Nick arbeiten im Gemeinschaftsbereich an einem Projekt.

Samuel (v. li.), Adrian, Elias und Nick arbeiten im Gemeinschaftsbereich an einem Projekt. Foto: Stehr

Derzeit besuchen 219 Fünft- und Sechstklässler die Oberschule Stade, durchschnittlich 22 pro Klasse. In ein paar Jahren werden es um die 700 sein. Für sie ist hier vom Förderschulabschluss nach Klasse 9 bis zum erweiterten Realschulabschluss nach Klasse 10 alles möglich.

Insgesamt besuchten gut 15.000 Kinder und Jugendliche im Schuljahr 2023/2024 eine weiterführende Schule im Landkreis Stade. 3938 Schüler wurden an Oberschulen unterrichtet. Insgesamt gibt es im Kreis zwei Grund- und Oberschulen (Oldendorf und Nordkehdingen) sowie neben der Oberschule in Stade weitere in Apensen, Ahlerstedt, Harsefeld und Horneburg. Die Oberschulen in Fredenbeck, Jork und Himmelpforten haben einen gymnasialen Zweig, hier findet der Unterricht auf Gymnasialniveau statt.

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Im Gegensatz zum Gymnasium sei der Leistungsdruck auf der Oberschule geringer, sagt Eßer. Es herrsche keine Ellenbogen-Mentalität, das Gemeinsame stehe im Vordergrund. Unterschiedliche Leistungsniveaus werden unter anderem durch ein Kurssystem aufgefangen, Schüler individuell gefördert.

„Wir wollen Sachen anders machen, legen viel Wert auf Beziehungsarbeit und wollen positive Anreize für gutes Benehmen und einen respektvollen Umgang miteinander schaffen“, sagt Alexander Eßer. Inspiriert ist dieser Ansatz auch von der Schulpreisträger-Schule des Jahres 2024 in Bonn, die Eßer gemeinsam mit einer Gruppe von Lehrkräften im vergangenen Jahr besucht hat. Konkret sieht das so aus, dass Schüler sich dadurch zum Beispiel extra Zeit im Kreativraum oder in der Bücherei verdienen können.

Martin Gossler ist einer von 14 Lesepaten

Dank umfangreicher Bücherspenden und mit Unterstützung einer engagierten Mutter sowie des Stader Rotary Clubs hat sich die Bücherei inzwischen zu einem gemütlichen und gut ausgestatteten Rückzugsort entwickelt.

Julian, der den ersten Lesewettbewerb an der Oberschule gewonnen hat, trifft sich hier auch gern in der Pause mit Freunden, um Uno zu spielen. Die Fünftklässler Melinda und Ibo sind in ihre Bücher vertieft, obwohl sie laut Stundenplan eigentlich gerade Geschichtsunterricht haben. Bei ihnen sitzt Dr. Martin Gossler.

Martin Gossler ist Lesepate. Mit Ibo und Melinda spricht er in der Bücherei unter anderem über das, was sie in ihren Büchern lesen.

Martin Gossler ist Lesepate. Mit Ibo und Melinda spricht er in der Bücherei unter anderem über das, was sie in ihren Büchern lesen. Foto: Stehr

Der frühere Chef-Anästhesist am Elbe Klinikum in Stade und Vorsitzender des Kinderschutzbundes Stade kommt seit ein paar Monaten einmal die Woche in die Oberschule. Er ist einer von inzwischen 14 ehrenamtlichen Lesepaten, die regelmäßig mit ausgewählten Schülern lesen üben. Der Bedarf ist da: Etwa ein Viertel der Grundschüler hat nach der vierten Klasse nicht den international festgelegten Mindeststandard erreicht, der für das weitere erfolgreiche Lernen nötig wäre. Das ist ein Ergebnis der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2021).

Julian hat den ersten Lesewettbewerb der Oberschule gewonnen.

Julian hat den ersten Lesewettbewerb der Oberschule gewonnen. Foto: Stehr

„Ohne Lesen geht einfach nichts“, sagt Gossler. Während der Lesezeit hat er ein offenes Ohr für alles, was die Schüler sonst noch auf dem Herzen haben. So habe ein Junge neulich zugegeben, dass er gar nicht genau wisse, was im Fußball ein Abseits sei. „Jetzt weiß er es und kann ein bisschen vor seinen Freunden angeben“, sagt Gossler augenzwinkernd.

Im Kreativraum treffen sich Schüler zum gemeinsamen Gestalten, Basteln oder Malen.

Im Kreativraum treffen sich Schüler zum gemeinsamen Gestalten, Basteln oder Malen. Foto: Stehr

Alexander Eßer schickt derweil eine Gruppe Schüler aus dem Kreativraum zurück in den Unterricht, Pausenklingeln gibt es an der Oberschule nämlich nicht. Doch die Jungs müssen noch durchfegen. Den Dienst haben sie sich selbst auferlegt. „Ist doch schöner, wenn es sauber ist“, sagt einer der Schüler und macht mit Eßer den Faustgruß. „Genau so etwas zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt der Oberschulleiter.

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